Gibt es noch Menschen, die ernsthaft bestreiten, dass die aktuelle Klimakrise von Menschen gemacht worden ist? Vermutlich, auch wenn in den letzten Jahren andere Klima-Mythen deutlich populärer geworden sind. Dass sich das Klima der Erde in einem Tempo verändert, wie es in der Vergangenheit der Erde bis jetzt noch nicht passiert ist und das wir Menschen dafür verantwortlich sind: Das sind wissenschaftlichen Fakten. Die weder neu sind, noch in der Wissenschaft umstritten. Es sind übrigens auch Fakten, die nicht isoliert vom Rest der Naturwissenschaft stehen. Das Wissen um die menschengemachte Klimakrise basiert auf all dem, was wir in den letzten Jahrhunderten über den Aufbau der Materie, die grundlegenden Naturgesetze und das Funktionieren der Welt gelernt haben. Das Wissen also, dem wir zum Beispiel die Existenz von Dingen wie Computer, Handys oder Autos verdanken. Und den ganzen Rest, der unsere moderne Gesellschaft ausmacht ebenso. Der menschengemachte Klimawandel ist absolut unbestritten. Wer das immer noch bestreitet, wird durch neue Erkenntnisse vermutlich auch nicht zu überzeugen sind. Dass, was ein internationales Forschungsteam nun herausgefunden hat, ist aber dennoch sehr interessant.
Es geht um “Den Nachweis des gestiegenen globalen Strahlungsantriebs durch Beobachtungen”. Oder, im Original: “Observational evidence of increasing global radiative forcing”. Das Wort “Strahlungsantrieb” klingt vielversprechend! Nach Science-Fiction und großen Raumschiffen, die durch die Milchstraße fliegen. Leider hat es damit aber nichts zu tun – es geht um die Strahlung der Sonne, die aus dem Weltall auf die Erde trifft und das, was mit ihr dort passiert. Die Details des Strahlungsantriebs sind durchaus komplex; in der etwas vereinfachten Version müssen wir uns mit der Strahlungsbilanz der Erde beschäftigen. Energie von der Sonne trifft auf die Erde. Ein Teil wird gleich von der oberen Atmosphäre reflektiert. Ein weiterer Teil wird von Wolken oder dem Erdboden zurück ins All geworfen. Und noch ein Teil wird absorbiert und erwärmt den Planeten. Normalerweise ist das ganze System im Gleichgewicht. Es sei denn, es gibt einen “Strahlungsantrieb”, der dieses Gleichgewicht verschiebt!
Nehmen wir zum Beispiel die Treibhausgase: Die von der Sonne aufgewärmte Erde gibt diese Wärme wieder ab. Diese Wärmestrahlung wird von den Gasen reflektiert. Sie gelangt also nicht komplett ins All, sondern zum Teil auch wieder zurück zur Erde geschickt, wo sie den Planeten noch weiter aufwärmt. Die Treibhausgase verändern also den Gleichgewichtszustand und sind daher Teil des Strahlungsantriebs. Genau so wie Wolken. Oder Kondensstreifen von Flugzeugen. Oder Rußpartikel oder anderer Staub in der Atmosphäre. Oder Wälder, die abgeholzt werden. Oder Wiesen, die zubetoniert werden. Und so weiter. Nicht alles davon muss übrigens dazu führen, dass die Erde wärmer wird. Die Aerosole in der Luft verstärken zum Beispiel die Reflexion des Sonnenlichts aus dem All; sie sorgen also dafür, dass weniger Energie auf die Erdoberfläche gelangt. Und natürlich sind auch nicht alle Komponenten des Strahlungsantriebs gleich stark (und sie können sich gegenseitig verstärken/abschwächen). Um den Strahlungsantrieb in die tatsächliche Erwärmung der Erdoberfläche umzurechnen, muss man nun über die Klimasensitivität Bescheid wissen, was aber wieder ein ganz anderes Thema ist.
Kurz gesagt: Der Strahlungsantrieb ist das, was die Erde derzeit wärmer macht. Wir stecken seit circa 150 Jahren immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre (und haben auch dafür gesorgt, das immer weniger Aerosole in der Luft sind), was dazu führt, dass Sonnenstrahlung nun von der Erde absorbiert wird, die ansonstens ins All reflektiert worden wäre. Wenn man die Klimakrise verstehen will, muss man den Strahlungsantrieb verstehen. Das tun wir natürlich; man kann die einzelnen Komponenten untersuchen; ihren Einfluss berechnen, und so weiter. Man kann ganz exakt messen, welche Atome und Moleküle Licht auf welche Art und Weise absorbieren und reflektieren; man kann messen wie viel davon in der Atmosphäre steckt, etc. Man kann das ganze auch global angehen: Das “Clouds and the Earth’s Radiant Energy System (CERES)”-Experiment der NASA läuft seit 1998. Dabei wird mit diversen Instrumenten aus dem Weltall die Sonnenstrahlung gemessen, die von der Atmosphäre der Erde reflektiert bzw. die von der aufgewärmten Erdoberfläche abgegeben wird. Das liefert wichtige Informationen und hat bestätigt, dass es zwischen Energieaufnahme und Energieabgabe der Erde ein Ungleichgewicht gibt, das auf einen Strahlungsantrieb zurückzuführen ist. Was man aus diesen globalen Messungen aber nicht sehen kann, ist das Ausmaß des menschengemachten Anteils daran.
Denn selbstverständlich gibt es auch natürliche Komponenten des Strahlungsantriebs. In der Atmosphäre der Erde befindet sich zum Beispiel Wasserdampf, der nicht von uns dort hineingebracht wurde, aber trotzdem ein starkes Treibhausgas ist. Es gibt diverse Aerosoloe, die auf natürlichem Weg in die Lufthülle der Erde gebracht worden sind. Die oben angesprochene Arbeit hat nun versucht, den natürlichen und den menschengemachten Teil des Strahlungsantriebs zu trennen. Sehr vereinfacht gesagt lief das so ab: Man hat aus diversen Satellitendaten den Beitrag der natürlichen Komponenten exakt berechnet. Und dass dann vom Gesamteffekt abgezogen. Was übrig bleibt muss zwangsläufig das sein, für das wir Menschen verantwortlich sind.
Das Resultat in Zahlen: Von 2003 bis 2018 haben wir Menschen durch unsere Aktivität den Strahlungsantrieb um circa 0,5 Watt pro Quadrameter erhöht. Zum Vergleich: In der Zeit von 1750 bis 2011 betrug der menschengemachte Strahlungsantrieb 2,3 Watt pro Quadratmeter. Das was in den (quasi) letzten 15 Jahren passiert ist, macht also mehr als 20 Prozent dessen aus, was in den 250 Jahren davor stattgefunden hat! Diese Erkenntnis ist nicht neu. Das ist aber auch nicht das, worum es bei der Arbeit ging. Wir wissen, das wir Menschen die Erde wärmer machen und das dieser Prozess in den letzten Jahren immer schneller wird. Entsprechende Daten konnte man auch früher schon aus Messungen, Simulationen und Berechnungen gewinnen. Mit der neuen Methode kann man es nun aber einfacher und flotter berechnen und die Satellitendaten quasi zu “Echtzeitmessungen” des menschengemachten Strahlungsantriebs nutzen. Was natürlich die Vorhersagen der Klimaänderungen verbessern wird.
Mit etwas Optimismus könnten wir hoffen, dass wir mit besseren Prognosen auch bessere Methoden zum Schutz des Klimas finden. Ich neige zur pessimistischen (und vermutlich leider auch realistischen) Sicht: Mit besseren Vorhersagen über die Zukunft des Klimas wissen wir immerhin, wie schlimm es in den nächsten Jahrzehnten werden wird. Wir werden besser wissen, worauf wir uns einstellen müssen, wenn wir keine vernünftigen Maßnahmen zum Klimaschutz durchführen. Oder anders gesagt: WEIL wir keine vernünftigen Maßnahmen setzen und WEIL wir die Maßnahmen, die wir setzen, viel zu spät und zaghaft setzen, sollten wir wenigstens froh darüber sein, dass wir halbwegs genau wissen, in welche Scheiße wir uns geritten haben…
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