Es ist schon verflixt mit dieser Klimakrise. In meiner alten Serie über diverse Mythen zur Klimaforschung konnte man sich noch mit so schönen Geschichten beschäftigen wie dem angeblich grünen Grönland oder der ebenso angeblichen Schuld der Sonne am Klimawandel. Aber diese “Argumente” vertreten heute nur noch ein paar völlig von der Realität entfernte Menschen. Beim Rest hat sich durchaus herumgesprochen, dass die Klimakrise nicht nur real ist, sondern auch bekämpft werden sollte. Das Problem: Nicht jeder hat Lust, zu diesem Kampf etwas beizutragen – immerhin kann das für das eine oder andere bisher recht gut laufende Geschäftsmodell eine Herausforderung werden. Also drehen sich die neuen Klimamythen die Teil dieser Serie sind, um ganz andere Themen. Themen, die sich nicht mehr so eindeutig in “richtig” und “falsch” unterteilen lassen und vor allem Themen, die deutlich komplexer sind und sehr viel mehr Potenzial für heftige Diskussionen/Streiteren bieten. Zum Beispiel wenn es um den Einsatz von Kernkraftwerken zum Klimaschutz geht.
Oder bei der Frage der Mobilität. Es ist unbestritten, dass wir uns nicht weiter wie bisher mit Verbrennungsmotoren und dem Einsatz fossiler Brennstoffe fortbewegen können. Aber was tun wir stattdessen? Wir nutzen saubere und klimafreundliche Elektroautos! Oder verwenden statt Benzin und Diesel einfach “grünen Wasserstoff” als Treibstoff! Alles super umweltfreundlich und ohne schädliche Treibhausgase! Das klingt gut. Ist allerdings leider auch ein Mythos.
(Einschub: Mir ist klar, dass die Frage der klimafreundlichen Mobilität nicht nur ein enorm umfassendes Thema ist, sondern auch eines, das Streit und Diskussion geradezu herausfordert. Ich sage daher gleich zu Beginn, dass ich die Thematik in einem einzigen Blogartikel natürlich nicht umfassend und letztgültig behandeln kann. Ein paar wichtige Punkte möchte ich aber trotzdem gerne herausstellen.)
Fangen wir gleich mit dem wichtigsten Punkt an:
- Es ist natürlich besser, mit einem Elektroauto herumzufahren als mit einem Verbrenner. Es geht darum, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und ein Elektroauto verursacht weniger CO2 als ein Verbrenner. Es ist daher wichtig, diese Option nicht zu vernachlässigen und man sollte sie nutzen, wenn man die Gelegenheit dazu hat!
Das Problem der Klimakrise ist aber nicht gelöst, wenn wir alle Verbrenner durch Elektroautos ersetzen. Denn das Problem liegt nicht allein darin, mit was wir unsere Autos antreiben. Das Problem sind die Autos selbst. Diese Grafik stammt aus einer Informationsbroschüre des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit:
Man sieht darin sehr klar, dass Elektroautos weniger CO2 emittieren als Verbrenner. Aber in der Grafik ist nicht nur die Emission durch den Betrieb des Fahrzeugs (in blau) berücksichtigt, sondern auch die Emissionen, die durch die Produktion und Entsorgung der Autos (in rot). Und da sind Elektroautos nicht mehr ganz so gut. Klar, das kann sich ändern. Wenn immer mehr E-Autos gebaut werden, werden die Prozesse vielleicht effizienter als sie es jetzt sind. Aber die Tatsache bleibt: Um ein Auto zu bauen – egal ob Elektro oder nicht – braucht es Ressourcen und Rohstoffe. Die müsssen abgebaut und verarbeitet werden. Man muss sie transportieren. Und so weiter. All das verursacht Treibhausgase. Um so mehr, je weniger klimafreundlich unsere Energieproduktion ist. Mehr Elektroautos bedeutet mehr Stromverbrauch und wenn der Strom in konventionellen Kraftwerken aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird, ist niemandem geholfen. Aber auch wenn unsere Energie komplett klimafreundlich produziert wird, bleiben immer noch die Klimaeffekte durch den Abbau der Rohstoffe, die für die Herstellung eines Autos benötigt werden. Es bleiben die negativen Klimaeffekte, die durch die Versiegelung des Bodens mit Straßen und Parkplätzen erzeugt werden. Und so weiter.
Ob wir nun einen Zapfhahn für Benzin oder ein Ladekabel für Strom in unser Auto stecken, spielt in der Hinsicht keine Rolle. Das Problem ist das Fahrzeug selbst. Und es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten auch in Zukunft die Welt mit PKWs füllen, so wie jetzt. Um die Klimakrise nachhaltig zu lösen, braucht es keine saubereren Autos, es braucht weniger Autos! Oder, um es ein bisschen anders zu formulieren: Selbstverständlich braucht es jetzt vor allem einmal Autos, die klimafreundlicher sind als die, die derzeit auf unseren Straßen herumfahren. Aber das eigentliche Ziel muss es sein, die Anzahl der Autos insgesamt zu reduzieren! Darauf zu hoffen, dass jeder von uns auch in Zukunft sein eigenes 1,5 Tonnen schweres Trumm aus Metall und Plastik durch die Gegend steuern kann, ist absurd.
Womit wir jetzt bei dem wären, was wirklich komplex ist: Die Menschen davon zu überzeugen, dass eine Welt mit weniger Autos auch eine lebensfreundlichere Welt ist. Gerade in Deutschland und Österreich wird das eigene Auto ja als so eine Art unveräußerliches Grundrecht betrachtet. Kein Auto zu besitzen kann man sich kaum vorstellen. Es wird einem aber eben auch nicht leicht gemacht, entsprechende Erfahrungen zu machen, die der Vorstellung dienlich sind. Die Städte sind für Autos gebaut; die öffentliche Infrastruktur in den ländlichen Gebieten ist teilweise so nicht-existent, dass man kaum anders kann, als mit dem Auto zu fahren, wenn man sich fortbewegen will. Während die Preise für Zugtickets steigen, wird das Fliegen immer billiger und wer mit dem eigenen Auto fährt, darf sich immer noch an vielen Orten über kostenlose Parkplätze freuen; Straßen ohne Maut benutzen und CO2 in die Atmosphäre pusten, ohne sich an den dadurch verursachten Kosten zu beteiligen (das Thema “CO2-Steuer” werden ich jetzt aber nicht auch noch anreißen). Die Angebote und Verbindungen der öffentlichen Verkehrsmittel sind oft überlastet und unattraktiv. Es ist verständlich, dass Menschen keine Lust haben, auf ihr eigenes Auto zu verzichten. Aber das muss ja eigentlich nicht so sein. Es ist kein Naturgesetz, dass die S-Bahn überlastet oder eine Reise mit dem Zug komplizierter als mit dem eigenen Auto sein muss. Es ist nicht von Gott vorherbestimmt, dass man mit dem Fahrrad gefährliche und umständliche Radwege benutzen muss, die diesen Namen eigentlich gar nicht verdient haben. Das ließe sich ändern, wenn man nur will.
Man kann durchaus dafür sorgen, dass die Verkehrsmittel, die am klimafreundlichsten sind auch die sind, deren Benutzung am komfortabelsten, billigsten und einfachsten ist. Dass das derzeit nicht der Fall ist, ist vor allem eine politische Entscheidung. Es ist eben auch einfacher, den Leuten zu sagen, sie müssten nichts ändern, sondern in Zukunft halt einfach nur Strom statt Diesel in den Tank zu packen. Oder Wasserstoff.
Neben Strom gilt ja auch der Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Österreich soll ja laut Bundeskanzerl Kurz “Wasserstoffnation Nummer 1” werden. Aber alles, was ich vorhin über Elektroautos gesagt habe, gilt hier genau so und noch mehr. Denn auch wenn Wasserstoff das häufigste Element im Universum ist, ist er hier auf der Erde nicht so einfach zu kriegen. Man braucht Energie, um ihn in großen Mengen zu erzeugen und wenn diese Energie nicht klimafreundlich ist, nutzt das gar nichts. Noch weniger als gar nichts für das Klima nützt es, wenn wir den Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas produzieren. Unter dem Label “blauer Wasserstoff” ist aber genau das ein Plan, der durchaus ernsthaft verfolgt wird. Vor allem von den Leuten, die ihr bisheriges Geschäftsmodell gerne unverändert weiter nutzen wollen, wie diese lesenswerte Recherche von “Correctiv” zeigt.
Ich habe natürlich hier jetzt keine Lösung für das Problem. Wie denn auch? Das Thema “Mobilität” ist so enorm komplex, dass man es nicht im Vorbeigehen lösen kann. Es geht ja nicht nur um die Entscheidung zwischen Benzin und Strom. Oder zwischen Auto und Bahn. Nicht einmal nur um den Ausbau und die Förderung von Bahnstrecken und Radverkehr. Sondern auch um so grundlegende Fragen wie der Stadtplanung und Raumordnung (wo und wie wohnen wir in Zukunft und macht das “Wohnen im Grünen/Pendeln zur Arbeit” überhaupt noch Sinn). Es geht um Fragen der Arbeit (Wer im Home-Office arbeitet muss nicht jeden Tag lange Strecken zur Arbeit fahren), um Fragen der Gesundheit (was für Vorteile und Nachteile hat es, wenn vermehrt Menschen mit dem Rad fahren), und so weiter.
Mein Artikel hier ist also weder als umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema gedacht. Auch und schon gar nicht als Plädoyer gegen Elektromobilität! Auch wenn E-Autos nicht die letztgültige Lösung sein können, sind sie in der derzeitigen Situation auf jeden Fall die bessere Alternative zum Status Quo! Dass die Arbeit aber getan ist, wenn wir flächendeckend Stromtankstellen und alle ein E-Auto in der Garage stehen haben: Das ist einer der neuen Klimamythen, derer man sich bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema bewusst sein sollte! Die Klimakrise ist komplex und wir müssen alles nutzen, was uns helfen kann. Dazu gehören auch Elektroautos – aber wenn einem einfache Lösungen für so ein schwieriges Problem versprochen werden, sollte man skeptisch werden.
P.S. Wenn ihr mehr und sehr viel ausführlichere Texte zum Thema E-Mobilität lesen wollt, dann verweise ich auch sehr gerne auf den Blog von Jan Hegenberg (aka “Der Graslutscher”)
Die komplette Serie
- Teil 01: Einleitung
- Teil 02: Um die Klimakrise zu lösen, muss das Bevölkerungswachstum gestoppt werden (erscheint am 05.07.2021)
- Teil 03: Kernkraft ist nötig, um die Klimakrise zu bekämpfen (erscheint am 07.07.2021)
- Teil 04: Sternengeschichten Folge 450: Kippelemente im Klimasystem (erscheint am 09.07.2021)
- Teil 05: Die Kernfusion wird die Klimakrise für uns lösen (erscheint am 12.07.2021)
- Teil 06: Das Klima ist so komplex, dass man den Modellen der Forschung nicht vertrauen kann (erscheint am 14.07.2021)
- Teil 07: Sternengeschichten Folge 451: Der Treibhauseffekt auf anderen Himmelskörpern (erscheint am 16.07.2021)
- Teil 08: Elektro- und Wasserstoffautos sind die Lösung für die Klimakrise (erscheint am 19.07.2021)
- Teil 09: Solange wir das CO2 nicht aus der Atmosphäre entfernen können, brauchen wir mit dem Klimaschutz gar nicht anfangen (erscheint am 21.07.2021)
- Teil 10: Sternengeschichten Folge 452: Die Keeling-Kurve (erscheint am 23.07.2021)
- Teil 11: Was Deutschland (Österreich) tut, hat auf das globale Klima doch keinen Einfluss (erscheint am 26.07.2021)
- Teil 12: Es ist doch eh längst zu spät, etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen (erscheint am 28.07.2021)
- Teil 13: Fazit und Zusammenfassung(erscheint am 02.08.2021)
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