Eine der häufiger gestellten Fragen, die einem begegnet, wenn man auf die Erkundigung, was man denn “so mache”, antwortet mit “Forensiker” oder “ich arbeite in der Rechtsmedizin”, lautet: “Echt? Wie bei CSI?”
Es besteht wirklich ein interessantes Mißverhältnis zwischen dem Ausmaß des allgemeinen Interesses an Forensik oder forensischen Ermittlern, unter anderem widergespiegelt durch zahllose einschlägige TV-Serien, Sachbücher, Forensik-Krimis etc., und dem eigentlichen Wissen über unsere tatsächliche Arbeitssituation, die natürlich nicht viel mit der noch dazu der Unterhaltungstauglichkeit dienlich aufgepimpten Darstellung der Tätigkeiten von vornehmlich im angelsächsischen Sprachraum operierenden Crime Scene Investigators (CSI) hat:
Unser “Styling” läßt daher zu Gunsten der Zweckdienlichkeit und Hygiene meist modische Verve vermissen (Lederjacken und Sonnenbrillen finden sich höchstens auf dem Asservatentisch), die Beziehungen zwischen unseren Teammitgliedern, von denen übrigens keines einen kraftstoffdurstigen wie prestigeträchtigen Sportwagen (meist zu schnell) fährt, sind langweiliger- und affairenfeindlicherweise rein beruflicher Natur. Es kommt zudem höchst selten vor, daß wir beruflich längere Strecken rennen, irgendwo hinunter- bzw. hinauf- springen bzw. klettern. Geschossen wird nur im Schießkeller (zum Zwecke der forensisch-ballistischen Forschung) und ein DNA-Profil zu erstellen, ist bei uns richtig Arbeit und es kommt nicht nach 10 Minuten samt Lösung des Falles aus einer Maschine heraus, an der man zuvor ein Haar des Tatverdächtigen vorbeigeschwenkt hat.
Trotzdem, und ich verkneife mir diese vermeintliche Plattitüde nicht, ist diese, unsere Realität mindestens genauso spannend wie CSI und Konsorten* und in diesem Blog werde ich unter anderem den Versuch unternehmen, genau das zu beweisen, in dem ich Einblicke in das Arbeitsfeld der Forensischen Genetik gebe und dazu gehört auch und neben der populärmedial völlig überrepräsentierten “Routine” der Verbrechensaufklärung besonders unsere Forschung.
Warum blooD’N’Acid? Also abgesehen davon, daß es natürlich ziemlich cool klingt und problemlos der Titel eines ordentlichen Death Metal Albums sein könnte, meinen Sie?
Blut ist zunächst mal eine der häufigsten und damit sehr wichtige biologische und forensisch relevante Spur an Tatorten von Verbrechen. Hinzukommt, daß das Blut der Hauptschauplatz der großen Immungefechte in unserem Körper ist: dort bewegen sich B- und T-Lymphozyten, wichtigste Agenten unserer adaptiven Immunkomponente und Teil des unglaublich faszinierenden Immunsystems. “Acid”, Säure also, steht einerseits für die “Nukleinsäure” aus der unser Erbgut (aber auch meine Liebling, die micro-RNA) besteht, andererseits aber auch für die voraussichtlich bisweilen “ätzend” geratende Kritik, die ich hier zu üben gedenke an Pseudowissenschaft (z.B. Astrologie und Intelligent Design), Quacksalberei (z.B. Homöopathie und Akupunktur), pseudowissenschaftlich getarnten Verbrechen (z.B. Verleugnung von HIV/AIDS und Vorenthaltung von Schutzimpfungen) und religiös motivierten Abklärungsversuchen (z.B. Kreationismus). Und warum das komische “A” in Acid? Darum 🙂
Außerdem werde ich mich immer mal wieder über Krebs (die Krankheit, nicht das biologisch auch nicht uninteressante Schalentier, zu dem ich, außer vielleicht einem Rezept “à la provence”, jedoch nur wenig beitragen kann) und aktuelle Ergebnisse aus der Krebsforschung auslassen. Ich möchte versuchen, diese unglaublich komplexe, genetische Krankheit, diesen “Krieg der Zellen”, der so verheerend und doch, das sage ich, nachdem ich selber mehrere Jahre daran geforscht habe, auch so ungeheuer spannend ist, für die Leser begreiflich zu machen.
Im Zentrum von blooD’N’Acid steht aber die DNA, dieses wunderschöne, ästhetische Riesenmolekül, das in (fast) jeder unserer Billionen Zellen als (fast) identische Kopie vorliegt und das doch (fast) jeden Menschen einzigartig macht. DNA ermöglicht der Forensischen Genetik die eindeutige Identifikation eines Menschen und die Klärung von Abstammungsfragen, DNA liegt der Fähigkeit unseres Immunsystems zugrunde, auf (fast) jeden Angriff durch Krankheitserreger eine maßgeschneiderte Antwort zu formulieren, DNA in allen Lebewesen belegt den gemeinsamen Ursprung allen Lebens (ja, auch von Kreationisten), DNA ist die Wiege einer jeden Krebserkrankung – kurz: ohne DNA gäbe es Sie und mich und auch dieses Blog nicht 🙂
Ach ja: wer bereits an dem mauen Krebs-Kalauer oben Anstoß nahm, sollte hier nicht weiterlesen, da bei mir “political correctness” und sonstige Appeasement-Gesten in der Prioritätenliste deutlich hinter intellektueller Redlichkeit, wissenschaftlich gebotener Schonungslosigkeit und von gewisserleuts Befindlichkeit unbeeindruckter Meinungsfreude rangieren.
So. Kann losgehen.
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*Literaturempfehlung: Ein Buch, das die rechtsmedizinische und forensisch-wissenschaftliche Arbeitsweise in Deutschland ohne Effektheischerei schildert und an echten Fallbeispielen beschreibt, wie solche Fälle mit modernen forensischen Methoden aufgeklärt werden können, ist “Von den Maden zum Mörder” von B. Madea im Militzke Verlag (ISBN-10: 9783861898337).
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