Die erste Serie (Forensische Genetik) ist noch gar nicht abgeschlossen, da beginne ich schon die zweite. Sie heißt „Basics” und ich werde darin immer mal wieder ganz wichtige methodische oder biologische Grundlagen erklären, die wir in Forschung und Anwendung benötigen.
Die erste Folge beginnt mit einer absolut fundamentalen Technik, die die Molekularbiologie revolutioniert hat, wie nichts zuvor: die Polymerase-Kettenreaktion (PCR).
Erfunden hat sie, angeblich bei einer nächtlichen Autofahrt und angeblich mit einem gerüttelt Maß an Lysergsäurediethylamid (LSD) im Blut, Kary Mullis, der dafür absolut verdientermaßen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde (was ihn offenkundig nicht davor bewahrt hat, daß Teile seines Hirns durchgeschmort sind, woraufhin er heutezutage rumläuft und schlimmen Unsinn erzählt). Aber der Reihe nach. Hier eine kurze Timeline:
- 1970: Kjell Kleppe kommt auf die Idee, DNA mit flankierenden Primern zu vervielfältigen („Studies on polynucleotides. XCVI. Repair replications of short synthetic DNA’s as catalyzed by DNA polymerases” Kleppe et al.; J.Mol.Biol. 1971); damit stammt die zentrale Idee der PCR gar nicht von Mullis
- 1983: K. Mullis „erfindet” die PCR („Specific synthesis of DNA in vitro via a polymerase-catalyzed chain reaction” Mullis; Methods in Enzymology, 1987)
- Mullis erhält 10.000$ Prämie für seine Erfindung, deren Patent später für 300.000.000$ verkauft wird (ja, so gehen sie mit uns Naturwissenschaftlern um 😉
- 1992: Mullis erhält den Nobelpreis in Chemie für die Erfindung der PCR
- 2011: Datenbanksuche ergibt: Hunderttausende Arbeiten, für die an/mit PCR geforscht wurde (und ich behaupte mal, daß in jedem molekularbiologischen Labor dieser Welt mindestens ein „PCR-Gerät” steht)
Aber was tut denn nun die PCR und was ist so toll daran?
Die PCR ist eine Methode zur gezielten Amplifikation (Vervielfachung) von DNA-Abschnitten. Fertig. So einfach und so grandios. Toll daran ist, daß man seit der PCR keine „Materialmangelprobleme” mehr hat. Man kann einen beliebigen DNA-Abschnitt nahezu beliebig oft kopieren und muß sich nach der Amplifikation weder mit der sperrigen Gesamt-DNA einer Zelle, noch mit der Einschränkung, daß „zu wenig” DNA vorhanden ist, herumschlagen. Der Name „Kettenreaktion” ist dabei durchaus angebracht, denn es findet tatsächlich eine exponentielle Anreicherung statt, bei der in jeder neuen „Kopierunde” die soeben gemachten Kopien als Matrizen für neue Kopien fungieren. Als Illustration für exponentielle Vermehrung benutze ich gerne die „Schachlegende”:
Der indische Herrscher Shihram tyrannisierte seine Untertanen und stürzte sein Land in Not und Elend. Um die Aufmerksamkeit des Königs, ohne seinen Zorn zu entfachen, auf seine Fehler zu lenken, schuf der weise Brahmane Sissa, Dahers Sohn, ein Spiel, in dem die wichtigste Figur, der König, ohne Hilfe anderer Figuren und Bauern nichts ausrichten kann. Der Unterricht im Schachspiel hat auf Shihram einen starken Eindruck gemacht. Er wurde milder und ließ das Schachspiel verbreiten, damit alle davon Kenntnis nähmen
Um sich für die anschauliche Lehre von Lebensweisheit und zugleich Unterhaltung zu bedanken, gewährte er dem Brahmanen einen freien Wunsch. Dieser wünschte sich Weizenkörner: Auf das erste Feld eines Schachbretts wollte er ein Korn, auf das zweite Feld die doppelte Menge, also zwei, auf das dritte wiederum doppelt so viele, also vier und so weiter. Der König lachte und war gleichzeitig erbost ob der vermeintlichen Bescheidenheit des Brahmanen. Als sich Shihram einige Tage später erkundigte, ob Sissa seine Belohnung in Empfang genommen habe, musste er hören, dass die Rechenmeister die Menge der Weizenkörner noch nicht berechnet hatten. Nach mehreren Tagen ununterbrochener Arbeit meldete der Vorsteher der Kornkammer, dass er die Menge Getreidekörner im ganzen Reich nicht aufbringen könne. Auf allen Feldern zusammen wären es 2 hoch 64 oder 18.446.744.073.709.551.616 Weizenkörner.
aus Wikipedia
Hier gibt es also einen exponentiellen Zuwachs an Weizenkörnern und man sieht, zu welch astronomischen Werten ein solcher Zuwachs nach überschaubar kurzer Zeit (hier 63 „Kopierrunden” oder Zyklen) führt.
(Übrigens: astronomisch in der Tat, denn, aneinandergelegt würden die Weizenkörner eine Länge von ca. 9,7 Lichtjahren haben).
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