Bis jetzt ist das alles noch nicht so spannend, zugegeben. Wir haben also einen Strang mit ewig gleichem Phosphat-Zucker-Phosphat-Zucker-Aufbau, einem 5′- und einem 3′-Ende und an jedem Zucker klebt eine von vier Stickstoffbasen. Interessant wird es aber, wenn wir uns daran erinnern, daß die DNA ja eigentlich ein Doppelstrang ist und so die berühmte Struktur der Doppelhelix ausbildet. Es „fehlt” uns also noch ein Strang. Der zweite Strang eines DNA-Moleküls ist strukturell genauso aufgebaut, wie der andere Strang, also mit Phosphat-Zucker-Phosphat-Zucker-Rückgrat, Stickstoffbasen an den Zuckermolekülen, einem 5′- und einem 3′-Ende, aber – und das ist nicht selbstverständlich – damit die Stränge „zusammenpassen”, muß die Basenabfolge des zweiten Strangs anders sein, als die des ersten.
Und jetzt kommt eines der wichtigsten Merkmale der DNA: die beiden Stränge eines DNA-Moleküls sind komplementär, d.h., sie sind nicht gleich, aber sie entsprechen einander: d.h., man kann die Information eines Stranges vollständig aus dem anderen Strang ableiten und umgekehrt (hier habe ich dafür die Englisch/Deutsch-Analogie benutzt). Um einen Doppelstrang bilden zu können, müssen sich die beiden Einzelstränge zusammenlagern. Das funktioniert aber nur, wenn sie so angeordnet sind, daß es „passt”, daß es also keine physikalisch/energetisch ungünstigen elektrostatischen Abstossungen zwischen den Strängen gibt. Der Schlüssel hierfür liegt in den Basenpaarungen, denn von den 4 Stickstoffbasen der DNA kann jede einzelne nur mit genau einer der drei anderen eine stabile also „passende” Paarung eingehen:
Das bedeutet, daß wenn im einen Strang an einer Stelle ein A steht, im anderen Strang an der entsprechenden Stelle ein T stehen muß. Für unseren Beispielstrang oben ergibt sich also für den Gegenstrang die Basenabfolge TCATG (v.o.n.u.). Ein Strang mit dieser Basensequenz würde sich stabil an den AGTAC-Strang anlagern:
Die Abbildung zeigt, wie sich durch Basenpaarung ein Doppelstrang ergibt. Die Basen „paaren” sich aber nicht, indem sie chemisch miteinander reagieren und stabile Verbindungen eingehen, sondern, indem sie sogenannte “Wasserstoffbrücken” bilden (dargestellt durch die gestrichelten Linien), das sind über extrem kurze Entfernungen wirksame elektrostatische Anziehungskräfte zwischen polaren Teilchen, im Fall der DNA zwischen Stickstoff und Wasserstoff bzw. zwischen Sauerstoff und Wasserstoff. Sie sind viel schwächer als „echte” Atombindungen, aber wenn, wie in einem langen DNA-Strang, genug davon gleichzeitig auftreten, reichen sie aus, um die beiden Stränge eines Doppelstranges stabil aneinander zu binden. Diese nicht kovalente Bindung zwischen den Strängen ist sogar so stabil, daß man, um einen langen DNA-Doppelstrang zu trennen (denaturieren), erhebliche thermische Energie (ca. 95°C) aufbringen muß und sie ist energetisch so günstig, daß sich zwei komplementäre Stränge bei nicht denaturierenden Temperaturen „von selbst” richtig aneinanderlagern (das ist auch der Schlüssel für das Funktionieren der PCR, bei der kurze, künstlich hergestellte DNA-Moleküle, die Primer, zum Einsatz kommen).
Man sieht in der Abbildung auch, daß sich zwischen A und T zwei und zwischen G und C drei Wasserstoffbrücken ausbilden, dadurch ist die Bindung zwischen G und C um 50% stärker als die Bindung zwischen A und T. Und noch eine weitere Besonderheit findet sich in der Abbildung: der Gegenstrang eines DNA-Stranges paart sich mit diesem aus stereochemischen Gründen immer in der umgekehrten Orientierung, so daß am Ende eines DNA-Doppelstrangs immer ein 5′- (linker Strang) und ein 3′-Ende (rechter Strang) nebeneinander liegen.
Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, weil viele biologische Moleküle DNA- oder allgemein Nukleinsäurestränge nur in eine bestimmte Richtung (meist 5′ -> 3′) ablesen bzw. herstellen können. Ein Beispiel dafür, das ich hier beschrieben habe, ist die DNA-abhängige DNA-Polymerase, die, ausgehend von der Vorlage eines DNA-Einzelstrangs, einen komplementären Gegenstrang nur in 5′->3′-Richtung herstellen kann, wofür sie den Vorlagen-Strang in 3′->5′-Richtung ablesen muß. Bei der Darstellung von DNA-Sequenzen ist es also essentiell, immer die Leserichtung mit anzugeben.
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