Es gibt Menschen, die behaupten, Homöopathie habe bei ihnen wunderbar geholfen. Zunächst aber sind das Einzelfälle, Anekdoten, die sich noch nie in einer kontrollierten Studie haben replizieren lassen, zum anderen ist das Wirksame an Homöopathika der Placeboeffekt (da die Verschreiber solcher “Medikamente” oft viel Zeit und ein offenes Ohr mitbringen).
Diese Rechtfertigung also wäre vom Tisch. Eine weitere wäre, daß die Nachfrage der Menschen so hoch ist. Wenn nun aber morgen die Nachfrage der Menschen der dem pulverisierten Horn eines Einhorns (oder irgendeinem anderen, wissenschaftlich in keiner Weise belegten Präparat) sehr hoch würde, müßte ich dann mit Examensfragen zu diesem Thema und einem Einhorn-Arzneibuch rechnen?
Es interessiert mich wirklich sehr, wie derlei Dinge zustande kommen und ich bin gespannt auf Ihre Antwort. Vielen Dank im Voraus für die Mühe.
Nach Wochen des Wartens erreichte mich schließlich eine Antwort. Leider fiel diese genauso wenig substanziell aus, wie ich es befürchtet hatte. Sie lautet:
Sehr geehrte Frau Graneis,
Vielen Dank für Ihre Email vom 2. Oktober 2012.
Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass es sich bei der Homöopathie um eine in Deutschland seit 1978 anerkannte Besondere Therapieform im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) handelt.
Der dem Apotheker vom Gesetzgeber erteilte Auftrag ist die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln (§1 Bundes-Apothekerordnung). Dieser Auftrag bedeutet u. a. die verantwortungsvolle Information und Beratung des Patienten/der Patientin über jedes von ihm abgegebene Arzneimittel und gehört zum Berufsbild des Apothekers.
Der Begriff Arzneimittel umfasst auch die im Register für homöopathische Arzneimittel des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM, Anm. d. Autorin] verzeichneten zugelassenen/registrierten homöopathischen Arzneimittel. Homöopathika sind ferner –worauf Sie ja auch hinweisen- im Homöopathischen Arzneibuch verzeichnet, das Teil des Arzneibuchs nach §55 Arzneimittelgesetz ist.
Das Homöopathische Arzneibuch als Sammlung von Regeln über die Qualität, Prüfung, Lagerung und Bezeichnung von homöopathischen Mitteln und die bei ihrer Herstellung und Prüfung verwendeten Stoffe, Materialien und Methoden ist Basis für das erforderliche Grundlagenwissen, um Patientinnen und Patienten sachgerecht beraten zu können. Auch die im allgemeinen Teil des HAB niedergelegten verschiedenen Verfahrenstechniken, die neben klassischen Herstellungsmethoden nach Hahnemann auch auf die Verfahren der Anthroposophie und Spagyrik eingehen, ergänzen pharmazeutische Kenntnisse und Fertigkeiten.
Über die Approbationsordnung für Apotheker ist sichergestellt, dass Apothekerinnen und Apotheker nach Beendigung der pharmazeutischen Ausbildung generell über die erforderliche Sachkenntnis bei Arzneimitteln, also u. a. auch bei Homöopathika, verfügen. Dies ist zur Sicherheit der Patientinnen und Patienten unerlässlich.
Selbstverständlich ist es der Inhaberin/dem Inhaber einer Apotheke unbenommen, homöopathische Arzneimittel nicht in ihr/sein Sortiment aufzunehmen. Das entbindet sie/ihn jedoch nicht von der Beratungspflicht und spielt daher bei der Berufsausbildung keine Rolle. Mit freundlichen Grüßen,
[…]
So weit, so unbefriedigend. Diese Antwort wirft weitere Fragen auf, und zwar diejenigen nach den Regelungen und Modalitäten in Deutschland in Bezug auf homöopathische Arzneien. Da wäre zunächst das bereits genannte SGB V. In diesem Buch, das sich mit den Regelungen der gesetzlichen Krankenkassen auseinandersetzt, wurde in einer Debatte um die Kostenübernahme für homöopathische Mittel erstmals der Begriff der Binnenanerkennung geprägt. Diese bezieht sich ausschließlich auf die sogenannten „Besonderen Therapierichtungen“ und legt fest, daß die Vertreter der jeweils betroffenen Behandlungsmethoden, in diesem Fall der Homöopathie (aber auch Anthroposophie, Spagyrik und Pflanzenheilkunde), selbst Beurteilungen zur Wirksamkeit und zur Güte der Methode an sich abgeben dürfen. Für ein konventionell-medizinisches Präparat wäre ein solches Vorgehen undenkbar.
Doch die Sonderregelungen für esoterische Heilmethoden ziehen sich auch durch das Arzneimittelgesetz (AMG). So müssen Hersteller homöopathischer Präparate keine Angaben zur Wirksamkeit, Nebenwirkungen und ggf. erfolgten analytischen und toxikologischen Prüfungen machen, während Medikamente aus der evidenzbasierten Medizin diese, völlig zu Recht und in Verbindung mit hohen Kosten, vorlegen müssen. Weiterhin sitzen in der Zulassungskommission für derlei Präparate u. a. „Sachverständige“ mit „wissenschaftliche[n] Kenntnisse[n]“ und „praktische[n] Erfahrungen“ auf dem Gebiet der Pseudowissenschaften. Das jedoch ist meist ohnehin nicht nötig, denn laut AMG §§38-39 muß ein homöopathisches Mittel nur registriert, nicht zugelassen werden.
Kommentare (70)