Doch DHU, Weleda und Co. behelfen sich auch mit kleinen Tricks, um weiteren Fallen in der Gesetzgebung zu entgehen: so sind auf solchen Präparaten grundsätzlich keine Indikationen angegeben, da Arzneimittel gemäß AMG §8 keine falschen Angaben zur Wirksamkeit machen dürften. Zudem umgehen sie ihre Befreiung von der Apothekenpflicht (§44 AMG) mit dem simplen Trick, daß sie ihre Präparatsnamen schlichtweg nicht auf deutsch angeben. Stünde statt Natrium chloratum einfach „Kochsalz“ auf der Verpackung, dürfte das mit 1349 Anwendungsgebieten (laut Hahnemann) gepriesene Wundermittel auch im Supermarkt um die Ecke verkauft werden.
Es ist also ein munteres Ducken und Schleichen durch den Paragraphendschungel, der aber auf skandalöse Weise zugunsten der Homöopathischen Industrie modifiziert wurde. So etwas ist nicht möglich ohne gute Lobbyarbeit.
Die Pharmaunternehmen, welche Homöopathika herstellen, betreiben Lobbyarbeit „wie die Großen“ und unterscheiden sich in Methodik und Aufwand kaum von den „konventionellen“ Pharmafirmen. DHU, Heel, Weleda, WALA und Konsorten machen Aufwartungen im Gesundheitsausschuss des Bundestages, laden Abgeordnete auf ihr Produktionsgelände, versenden Werbungsprospekte und laden zu Veranstaltungen. Doch dazu gleich mehr. Ergänzend zum HAB gelten in Deutschland die Empfehlungen der „Kommission D“ zu Prüfvorschriften und ähnlichem; deren Vorsitzender, Michael Elies, ist gleichzeitig in der DHU engagiert.
Ein weiterer großer Name ist die „Carstens-Stiftung“, ein von Ex-Bundespräsident Carstens und seiner Frau ins Leben gerufenes Organ, welches tatkräftig die Verbreitung homöopathischer Lehrkonzepte fördert. So finanziert die Stiftung Professuren, Doktorarbeiten, Vorträge und weiteres zum Thema Homöopathie. Doch nicht nur diese Stiftung mischt an den Universitäten mit: Stiftungsprofessuren gibt es mittlerweile auch von der Firma Heel, und der Deutsche Zentralverband homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) entsendet mehrere Projektleiter, um mit den Universitäten das Gespräch zum Thema „Homöopathie in der Lehre“ (s. Interview mit C. Bajic) aufzunehmen. Lehrbeauftragte werden vermittelt, Camps initiiert, Arbeitskreise unterstützt.
Doch auch an anderer Stelle schreitet die Infiltration fort: bei den Apothekern, Ärzten und dem weiteren Gesundheitspersonal. So stellen die Pharmareferenten der o.g. Firmen bei den Apotheken bereitwillig kostenlose Kundenbroschüren zur Wirksamkeit der Zuckerkügelchen zur Verfügung, bieten bepunktete (!) Fortbildungen für Ärzte und Apotheker an und veranstalten Seminare, um ihre Produkte einzuführen.
Am dramatischsten ist der Einschlag dieser Maßnahmen vielleicht bei den Hebammen zu spüren: Eine Schwangerschaft ist eine empfindliche Phase im Leben einer Frau, in der sie höchst bedacht darauf ist, ihrem Kind keinen Schaden durch eventuell toxische Stoffe zuzufügen. Eine unerfahrende werdende Mutter benötigt in dieser ungewohnten Situation die Begleitung und Anleitung einer kompetenten und vertrauenswürdigen Bezugsperson. Dies ist in vielen Fällen eine Hebamme – leider ist in dieser Berufsgruppe die Affinität zu alternativmedizinsichen Verfahren wie Homöopathie und Akupunktur besonders verbreitet und die entsprechende Einflussnahme auf die Schwangeren massiv. In der Folge nehmen etwa 70% der Frauen während der Schwangerschaft Globuli ein – ein Start in eine homöopathische Selbstmedikationskarriere.
Hebammen fungieren somit als Multiplikatoren solcher esoterischen Behandlungskonzepte und sind folgerichtig ein Angriffsziel besonders aggressiver Marketingversuche der Homöopathischen Industrie. So bietet zum Beispiel die Firma Weleda ganze Seminare und Lehrgänge für Hebammen an, die laut Presseberichten rege in Anspruch genommen werden und auch von Berufsverbänden empfohlen werden.
Zuletzt sind die Hersteller solcher Arzneimittel natürlich auch in mächtigen Lobbyverbänden, zum Beispiel dem BPI , engagiert und haben dort eigene Ressorts, die für ihre Interessenvertretung auf allen Ebenen sorgen. Nun ist auch die „konventionelle“ Pharmaindustrie in Bezug auf unschöne Lobbymethoden nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt – aber die homöopathische Industrie steht ihr in nichts nach, auch wenn ironischerweise der Griff zu Alternativmedizin von vielen Kunden mit der Ablehnung der Machenschaften von „Big Pharma“ begründet wird.
BfArM, Apothekerkammer und andere Instanzen warten, wie das Gesundheitsministerium auch, mit Beschwichtigungsgesten und nur lauen Stellungnahmen auf. Wer sich dazu genauer informieren will, dem empfehle ich das in den Literaturangaben genannte Buch „Die Homöopathie-Lüge“.
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