Es gibt natürlich auch einzelne Politiker, die besonders wertvolle Advokaten für die Globuli-Industrie sind. So ist zum Beispiel die (studierte Chemikerin) Barbara Steffens, ihres Zeichens Gesundheitsministerin in NRW, eine erklärte Homöopathie-Freundin. Sie spricht auf Kongressen und läßt sich vom DZVhÄ interviewen und wird auch sonst nicht müde, die Vorzüge der Homöopathie zu betonen und ihre Integration ins deutsche Gesundheitssystem vehement zu fordern. Unter anderem plädiert sie dafür, die Homöopathie „auf Bundesebene in die Bundespolitik zu bekommen“. Besonders verstörend: „Wir brauchen natürlich auch Studiengänge.“ Das ließ sie beim o.g. Interview verlautbaren.
Auf völligen Irrsinn verweist eine Anekdote aus dem Buch „Die Homöopathie-Lüge“: dort ist zu lesen, daß K.-H. Daehre, Verkehrsminister in Sachsen-Anhalt, in der Stadt Köthen die Zusammenarbeit von Städteplaner mit Homöopathen lobt, um den Verkehrsfluß zu ‚entstören’. Daß auch dieser Mann ein promovierter Chemiker ist, macht die Sache nur noch trauriger.
Die Homöopathie genießt also hohes Ansehen in Politikerkreisen und schafft mittels Lobbyarbeit Dinge, die in anderen Ländern nur Kopfschütteln auslösen würden. Um die genauen Mechanismen dahinter zu verstehen, suchte ich Kontakt zu einem Politiker, der auf höchster Ebene mit diesen Vorgängen zu tun hatte. Ich erhielt die Chance, mit einem ehemaligen Bundestagsabgeordneten im Gesundheitsausschuss zu sprechen.* Ich erhoffte mir klare Aussagen zum Thema Lobbytätigkeit, bekam aber nur phrasenweise Homöopathie-Apologien zu hören. Später erfuhr ich auch, warum – doch dazu gleich mehr.
Gleich zu Beginn des Gesprächs erzählte mir mein Gesprächspartner, daß die Lobbyarbeit der homöopathischen Industrie gar nicht so schlimm sei – oder zumindest auch nicht anders als bei Vertretern der konventionellen Pharmaindustrie. Insbesondere der BPI Baden-Württemberg habe die Interessenvertretung der größtenteils in diesem Bundesland angesiedelten Firmen wie die DHU, Weleda und WALA übernommen. Erinnern konnte er sich an einen Fall: „Es ging vor allem um die Umsetzung des Arzneimittelbuches“, genauer um die Umsetzung von EU-Vorschriften, die für die vergleichsweise kleinen deutschen Homöopathie-Unternehmen „problematisch“ geworden wäre in Bezug auf Dokumentationspflichten und ähnliches.
Nein, Lobbyarbeit empfinde er generell nicht als problematisch, Interessenvertretung gehöre ja zur Demokratie dazu, aber sie müsse transparent sein. Auf die Frage nach den Methoden der Globuli-Fabrikanten antwortete er, es gehörte „ganz klassisch“ dazu, daß „die Unternehmen mit den Berichterstattern aus den Fraktionen Kontakt aufgenommen haben […] und um Gespräch gebeten haben über diese Themen.“ Zudem sei zu Besuchen der Unternehmen, also Produktionsbesichtigungen, eingeladen worden, „was ich auch zwei mal gemacht habe. Damit man sich die Kräutergärten anschaut, das ist ja auch eine Besonderheit gegenüber anderen Pharmaunternehmen.“
Schließlich wollte ich wissen, ob der Herr meine Einschätzung teile, daß HAB und Gegenstandskatalog vornehmlich der Lobbyarbeit entsprungen seien. Daraufhin bekam ich mitgeteilt, daß „aus der Sicht der Politik“ der „Wirkzusammenhang quasi sekundär“ sei. Immerhin gebe es ja auch „ernstzunehmende Studien“, die den Nutzen der Psychotherapie bezweifeln. Und bei Arthrose hätten schulmedizinische Mittel (also auf Wirksamkeit hin geprüfte und für wirksam befundene NSAR, Anm. der Autorin) „eine ähnlich gute Wirkung“ wie Homöopathika, „nämlich jeweils eigentlich gar keine“ – im Gegenteil, sie verursachten schließlich Magendurchbrüche und dann müsse man noch zusätzlich medikamentieren. Da spare die Homöopathie ja Kosten. Denn „selbst, wenn nur der Placeboeffekt eintreten würde, wäre es aus Sicht der Kassen unter Umständen sinnvoll, sowas zu erstatten.“
Zum Schluß noch drei weitere Zitate aus dem Gespräch:
– Es sei wichtig, festzustellen, „daß Gesundheit insgesamt kein feststehender Begriff ist, was gesund bedeutet und was nicht.“
– „Es gibt ja eine ganze Reihe von Methoden, wo Sie auch in der Schulmedizin den Wirkungserfolg nicht diagnostizieren können.“
– „Ob Sie einen körperlichen Wirkmechanismus nachweisen können oder nicht, spielt nicht die entscheidende Rolle in der Frage: ist etwas abrechnungsfähig oder nicht.“
*) den Namen des Abgeordneten nenne ich nicht, weil ich sonst seine Zitate freigeben lassen müsste. Und ich bezweifle, daß das in diesem Zusammenhang geschieht.
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