Ich bin zurück aus Hamburg vom Deutschen Humanistentag. Es waren schöne und anstrengende zwei (von insgesamt vier) Tage, die ich dort zugebracht habe.
Das Ganze fand in den Fliegenden Bauten ganz in der Nähe der Reeperbahn statt, einem Theater, dessen Name den in den Begriffen der Landesbauordnungen Firmen bereits andeutet, daß es in einer Art Zirkuszelt untergebracht ist. Ein schöner und etwas varietéartiger Veranstaltungsort mit einer ganz besonderen Atmosphäre. Ich werde hier nicht im Detail auf die einzelnen Vorträge eingehen, denn soweit ich weiß, haben die Veranstalter alle Vorträge mitgefilmt und beabsichtigen, diese demnächst online verfügbar zu machen. Wenn dieser Fall eintritt, werde ich hier noch den enstprechenden Link nachlegen. Geboten wurde jedenfalls ein vielseitiges Programm mit Beiträgen zu vielen Aspekten des Humanismus im weitesten Sinne, dazu zählen unter anderem auch die atheistische Weltanschauung, Religions- und Medienkritik, humanistische Pädagogik und die Möglichkeiten und leider noch vorhandenen Begrenzungen für ein selbstbestimmtes Leben und auch Sterben in Würde.
Am meisten berührt haben mich die Vorträge von Joachim Kahl, einem humanistischen Philosophen, der zunächst am Donnerstag anhand des Vorwortes der Autobiographie von Bertrand Russell “What I have lived for” sehr eindringlich und bewegend und in einer wunderschönen Sprache den Atheisten und Humanisten im Saal aufzeigte “Wofür es sich zu leben lohnt”. Am Freitag sprach er noch einmal, ebenso gut und tiefgründig und diesmal über “Religionsfreie Spiritualität”, wobei er seinen Vortrag auf das Gedicht “Kein Gott” von H. Kahlau und seine Interpretation desselben gründete.
Ein weiteres Highlight war sicher die Podiumsdiskussion mit M. Schmidt-Salomon und R. Meister, bei der sich die beiden eigentlich ja Kontrahenten über weite Strecken so einig waren, daß Schmidt-Salomon fast händeringend nach Themen zum Streiten suchte 🙂 Sehr gut gefallen hat mir dabei auch Angelika Kallwass als Moderatorin, die mir zuvor nur vom Hörensagen als Ringrichterin in so einer Anschreisendung bei einem dieser Krawallsender bekannt war. Tatsächlich ist sie aber Atheistin und Humanistin und hat sich freundlicherweise bereiterklärt, die anstrengende weil sehr lange Moderation des gesamten Freitagsprogramms zu übernehmen. Dafür gebühren ihr Dank und Respekt. Und damit auch noch zu zwei Kritikpunkten: es gab viel zu wenig weibliche Referentinnen, leider nach wie vor ein Problem in Deutschland. Außerdem war die Organisation verbesserungsfähig: es gab keine offiziellen Pausen und das bei einem langen und anstrengenden Programm über mehrere Tage. Wie sollten die Besucher ins Gespräch kommen, das Gehörte diskutieren, wenn sie dabei immer in Kauf nehmen mußten, einen anderen Vortrag zu verpassen? Auch die Verpflegung war sehr unzureichend, da es am Veranstaltungsort nichts Vernünftiges zu essen gab, was bei einer ganztägigen Veranstaltung sicher nicht klug ist. Man mußte den Ort verlassen und sich in der Umgebung etwas suchen, wobei einem wieder die ununterbrochen laufenden Vorträge entgingen.
Unser Scienceslam am Donnerstagabend lief gut und wies mit einem Paläontologen, einem Philosophen, einem Soziologen und insgesamt drei Biologen (davon eine Frau) ein vielseitiges und interessantes Line-Up auf. Gewonnen hat verdient der andere Biologe mit seinem Slam über “Unordentliche Proteine”. Das Publikum war etwas untypisch und zunächst reserviert, da mit dem Konzept des Scienceslams größtenteils unvertraut, aber zum Ende hat es dann seine Zurückhaltung aufgegeben und, so hoffe ich, Spaß und neue Erkenntnisse aus unseren Vorträgen.
Hier ist mein Slam:
Auf dem Nachbargelände fanden übrigens Veranstaltungen des zeitgleich in Hamburg sich vollziehenden Kirchentags statt, dessen akustischen Hervorbringungen in Gestalt z.B. dessen, was eine Waldhorngruppe Beatles’ Yesterday anzutun imstande ist, immer mal wieder auf unser Gelände wehten und zusammen mit den überall in der Stadt mit ihren “Soviel Du brauchst”-T-Shirts und/oder Tüchern herumstolpernden Gestalten für Heiterkeit sorgten.
Aber auch einer der in meinem Augen größten Vorzüge solcher Tagungen hat sich hier wieder einmal eingestellt: man knüpft Kontakte und lernt neue, ähnlich gesinnte Menschen kennen. Besonders gefreut habe ich mich, hier die “Hoaxillas”, also die überaus sympathischen Macher des sehr empfehlenswerten skeptischen “Hoaxilla“-Podcasts kennenzulernen und, ganz stilecht, mit ihnen ein Fischbrötchen an der Waterkant zu verdrücken.
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