Toxikologisch waren beide Verstorbenen ohne Befund.

 

Fall 3

Vor zwei Tagen hatte der Sohn zuletzt von seinen alten Eltern (beide über 80) gehört, ein Nachbar hatte den alten Mann 48 Stunden zuvor aber noch vor dem Haus sitzen sehen. Die vom Sohn alarmierten Behörden brachen die Tür auf und fanden die beiden Alten tot auf dem Boden liegend vor. Es gab keine Anzeichen für ein vorheriges gewaltsames Eindringen in die Wohnung.

Der Mann lag rücklings auf dem Boden, mit dem Kopf unter dem Fernsehtisch, wo er vermutlich eine Reparatur vornehmen wollte, da laut Aussage des Nachbars kurz zuvor eine Umstellung der Sendeanstalten dies notwendig gemacht habe. Am Hinterkopf hatte er eine Platzwunde, die jedoch schon auf den ersten Blick nicht todesursächlich zu sein schien. Seine Frau lag schräg neben ihm in Bauchlage, daneben ein umgestürzter Sessel.

Bei der Obduktion des Mannes, der gegen Bluthochdruck und ischämische Herzerkrankung behandelt worden war, bestätigte sich, daß die Kopfwunde oberflächlich und ungefährlich war und konnten Belege für überstandene ischämische Herzschädigungen, sowie stark verkalkte Herzkranzgefäße gefunden werden. Histologisch wurden die Befunde bestätigt, ein Lungenödem festgestellt und der Tod durch einen Herzinfarkt belegt.

Die Obduktion der Ehefrau erbrachte, daß diese unter einer erheblichen dilatierten Kardiomyopathie sowie unter verkalkten Herzkranzgefäßen, die jedoch noch gut durchlässig waren, litt. Sie war gegen die durch das Herzleiden erzeugten Arrhythmien sowie wegen einer depressiven Erkrankung mit Medikamenten behandelt worden. Die histologische Untersuchung bestätigte die Befunde und konnte ebenfalls keine eindeutigen Anhaltspunkte für die Todesursache aufzeigen.

Toxikologisch waren beide Verstorbenen ohne Befund.

 

Die wahrscheinlichsten Szenarien für die drei Simultantodesfälle

Der gleichzeitige Tod mehrerer Personen geht immer mit erhöhter Wahrscheinlichkeit einher, daß dabei ein mehrfaches Tötungsdelikt vorliegt. Wenn sich für ein solches keine Indizien finden lassen, müssen andere Szenarien in Betracht gezogen werden:

  • Mord + Selbstmord / Massenselbstmord; häufig assoziiert mit persönlichen Tragödien und depressiven Erkrankungen. In keinem der drei beschriebenen Fällen gab es dafür Anhaltspunkte.
  • Kollektive Vergiftung (z.B. durch Essen oder Kohlenmonoxid); um darauf schließen zu können, muß jedoch eine toxische Substanz nachgewiesen werden und in den drei beschriebenen Fälle waren die toxikologischen Befunde sämtlich negativ
  •  Unfall (z.B. im Verkehr, durch Feuer, Unglück etc.); in den drei beschriebenen Fällen deutete nichts auf ein unfallhaftes Geschehen hin

Im ersten Fall erlitt der Ehemann offenbar einen Herzinfarkt, stürzte, brach sich den Oberschenkel und verstarb. Die Todesursache seiner Frau blieb ungeklärt, es deutete jedoch alles auf eine kardiale Ursache hin. Beide Toten waren in einem identischen Fäulniszustand, was, zusammen mit weiteren Indizien für einen nahezu gleichzeitigen Tod spricht.

Im zweiten Fall litten beide Ehepartner unter einer Erkrankung des Herzens und der Herzgefäße. Die Frau verstarb durch ein durch vollständige Stenosierung der Koronarien ausgelöstes Herzversagen. Beim Mann blieb die Todesursache unklar, dennoch kann aufgrund seiner Vorgeschichte und der histologischen Befunde eine tödliche Herzrhythmusstörung angenommen werden. Da die Leichen so eng beieinanderlagen, daß sie einander noch im Tod berührten, ist ein simultanes Versterben sehr wahrscheinlich.

Im dritten Fall dürfte sich der Mann zuvor bei einem Sturz den Hinterkopf ungefährlich angeschlagen haben. Dann legte er sich auf den Rücken unter den Fernsehtisch, um das Gerät zu reparieren und starb dabei an einem Herzinfarkt. Die Todesursache seiner Frau konnte nicht eindeutig bestimmt werden, vieles spricht angesichts ihrer Vorerkrankungen jedoch für eine tödlich verlaufene Herzrhythmusstörung. Aufgrund der Bedingungen am Sterbeort erscheint ein plötzlicher und gleichzeitiger Tod beider Partner sehr wahrscheinlich.

Es konnte also in allen Fällen der Tod einer der Partner durch natürliche Ursachen erklärt werden; in allen Fällen war dies ein Herztod. Die Tode der jeweils anderen Partner konnten nicht eindeutig erkannt werden, sie wiesen aber einige gemeinsame Merkmale auf:

  • Gleichzeitigkeit mit Tod des Partners
  • eine vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung
  • ein gewisses Maß an altersbedingter Hinfälligkeit und Abhängigkeit vom Partner, wodurch durch den Tod des Partners jeweils akuter psychischer Stress ausgelöst worden sein dürfte.

Nun ist bekannt [3], daß schwere psychische Belastungen akute Herzprobleme z.B. Rhythmusstörungen auslösen können. Aus Studien des Nervensystems mit funktioneller Bildgebung weiß man inzwischen, wie arrhythmogene Mechanismen über das autonome Nervensystem mit mentalem Stress in Verbindung stehen [4]. Mentaler Stress und Emotionen werden in einem Netzwerk aus Hirnregionen verarbeitet, die auch bei der Prozessierung autonomer Nervensignale beteiligt sind, wodurch es zu einem sympathischen und parasympathischen neuronalen „Überfluss“ bis zum Herzen kommen kann.

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Kommentare (9)

  1. #1 Intensivpfleger
    06/05/2013

    Zumindest für den Fall 1 würde ich vermuten, dass die Ehefrau eher an Dehydrierung mit nachfolgender ischämischer Herzschädigung verstarb, als spontan, infolge eines psychisch bedingten cardialen Geschehens. Die Auffindesituation (“Embryonalstellung” bei vorbekannter “Alzheimerscher Demenz”) spricht jedenfalls dafür. Der spontane Tod wird wohl eher selten in dieser Stellung enden, sondern eher irgendwie “unnormal liegend”?

    Danke für den Hinweis auf diese Geschichte (“Philemon und Baucis”), ist wirklich rührend.

    Schönen Gruß vom
    Intensivpfleger

  2. #2 Chemiker
    06/05/2013

    in den drei beschriebenen Fälle waren die toxikologischen Befunde sämtlich negativ

    So etwas liest man oft, aber was bedeutet das eigentlich?

    Ich nehme an, daß man Gifte chromatographisch (HPLC/MS) oder immunologisch (ELISA) nachweist. Nun gibt es aber Tausende toxischer Substanzen, de man in end­licher Zeit unmöglich alle durch­testen kann. Als Chemiker fallen mir viele Stoffe ein, die töten ohne daß sie allzu bekannt sind, und ich kann mir nicht vorstellen, daß für jeden davon ein Detektions­protokoll existiert.

    Wie kommt man also zu einem solchen Befund, der von Colchicin über Botulinus bis Barium und Phosphor-32 alles abdeckt?

    • #3 Cornelius Courts
      06/05/2013

      aber was bedeutet das eigentlich?

      Das bedeutet, daß die Befunde für Alkohol, die gängigsten Drogen, Medikamente und Gifte, die im standardmäßigen Tox-Screening abgefragt werden, negativ waren. Natürlich kann nicht auf jedes Gift getestet werden und es ist sicher möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß die Leute mit einem ultraseltenen Ninja-Gift o.ä. ermordet wurden, aber das zu vermuten/untersuchen ist wie immer eine Frage der Plausibilität und Verhältnismäßigkeit. Auffindesituation, Zeugenaussagen, Lebensumstände, medizinische Vorgeschichte und Obduktionsergebnisse erbrachten in allen drei Fällen keinerlei Hinweise auf einen Giftmord oder Gründe, daß ein solcher verübt worden sein könnte. Es ist also extrem unwahrscheinlich.
      Mit Wahrscheinlichkeiten (statt Sicherheiten) wird aber in der Forensik wegen der Natur forensischer Belege fast immer gearbeitet. Wie ich im Blog schon früher mal beschrieben habe, kann auch die Forens. Genetik keine 100%-Wahrscheinlichkeit bei Identifizierungen liefern, sondern “nur” solche im Bereich von 1:100.000.000.000 oder mehr.
      Das muß dann eben reichen….

  3. #4 BreitSide
    07/05/2013

    Schön schaurig.

  4. #5 miesepeter3
    16/05/2013

    Was eigentlich jeder Esoteriker weiß und sich nach und nach auch in der Medizin durchsetzt, ist die Erkenntnis, dass eine kranke Seele auch zu einem kranken Körper führen k a n n.
    Eine schwere seelische Erschütterung, wie z.B. der Tod eines sehr nahestehenden Menschen kann so schwerwiegend sein, dass der seelische Schock eine ebenso starke körperliche Fehlfunktion auslösen kann. Ist das z.B. eine Fehlfunktion des Herzens, geht dann nix mehr.
    Kennt man auch bei Rentnern, die eine Woche nach Renteneintritt aus unerklärlichen Gründen sterben, sehen. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, kann so stark sein, dass da irgenwas lebenswichtiges versagt.
    Bei alten Paaren kann man oft genug beobachten, dass der eine dem anderen in verhältnismäßig kurzer Zeit nachfolgt, sei es nach einer Woche oder nach einem Jahr. Der hier geschilderte gleichzeitige Tod ist da die seltenere Version, hat aber die gleichen Ursachen.

  5. #6 Johannes9126
    21/05/2013

    Ist während meiner (kurzen) Tätigkeit zum Glück noch nicht vorgekommen, aber ein Kollege von mir hat im Praktischen Jahr auch so einen Fall gehabt. Sehr alte Frau stirbt im Krankenhaus, dem Ehemann geht es sofort schlecht, er wird auch sofort stationär aufgenommen und stirbt einige Stunden später.

    @ miesepeter3: richtige Beobachtung, unzulässige eosterische Verallgemeinerung. Cornelius hat die physiologischen Zusammenhänge doch beschrieben.

  6. #7 miesepeter3
    21/05/2013

    @Johannes9126

    Klar hat C das beschrieben: die Zweitverstorbenen waren ebenfalls schwer krank und sind daran verstorben. Der Schock hat das kranke System überfordert, die entsprechenden Körperfunktionen konnten nicht mehr wie notwendig gesteigert werden –und pardauz.
    Diesen Kausalzusammenhang hat man auch schon vor der Einführung der wissenschaftlichen Medizin gekannt. Ich habe das nun als esoterische Erkenntnis bezeichnet und bin immer noch der Meinung, dass das nicht so ganz falsch ist.

  7. #8 Cornelius Courts
    12/01/2017

    Wieder ein Fall vom Philemon-und-Baucis-Syndrom. Diesmal in der Schweiz.