Der plötzliche Tod durch koronare Herzkrankheit als Folge einer Episode akuten mentalen Stress’ wird nun gewöhnlich bei Menschen beobachtet, deren medizinische Vorgeschichte wie in den drei Fällen eine ischämische Herzerkrankung umfasst [5].

Die beste Erklärung der drei simultanen Todesfälle sind also für jeden Fall jeweils der natürliche Tod eines Ehepartners und der direkt darauf folgende Tod des anderen Partners mit einer vorbestehenden Herzerkrankung, ausgelöst durch eine stress-vermittelte Reaktion des autonomen Nervensystems.

 

Der Gott erhöret ihn, und will ihm auch vergönnen,
Nebst ihr noch einen Wunsch ohn’ Anstand thun zu können.
Falls, ruft Philemon aus, ein Flehen dir gefällt,
Das jetzt die Liebe wagt, die uns zuerst gesellt;
Wird mir und Baucis einst der Tod zugleich erscheinen,
Und keines je von uns des andern Grab beweinen!

(aus „Philemon und Baucis“ von F. v. Hagedorn)

 Musikempfehlung: ungern aber nicht ganz unpassenderweise jenes Stück. Oder doch lieber dieses hier?

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Referenzen:
[1] Delannoy Y, Tournel G, Dedouit F, Cornez R, Telmon N, Hedouin V, Rouge D, & Gosset D (2013). Philemon and Baucis syndrome: three additional cases of double deaths of married couples. Forensic science international, 226 (1-3) PMID: 23415164

[2] S.  Ciesiolka,  M.  Riße,  B.  Busch,  M.A.  Verhoff,  Philemon  and  Baucis  death:  two  cases of double deaths of married couples, Forensic. Sci. Int. 176 (2008) 7–10.

[3] R.  Stalnikowicz,  A.  Tsafrir,  Acute  psychological  stress  and  cardiovascular  events, Am. J. Emerg. Med. 20 (2002) 488–491.

[4]  P.  Taggart,  H.  Critchley,  P.D.  Lambiase,  Heart-brain  interactions  in  cardiac  arrhythmia, Heart 97 (2011) 698–708.

[5] D.  Lecomte,  P.  Fornes,  G.  Nicolas,  Stressful  events  as  a  trigger  of  sudden  death:  a study of 43 medico-legal autopsy cases, Forensic Sci. Int. 79 (1996) 1–10.

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Nachtrag vom 13.02.2014: 

Soeben fand ich eine weitere Arbeit zu diesem seltenen Phänomen [5]. In diesem Artikel werden zwei Fälle des Syndroms beschrieben. Einer betraf ein Ehepaar, der andere einen Vater und einen Sohn. Die postmortalen Untersuchungen umfassten auch Röntgen und biochemische Analysen und kamen zu dem Ergebnis, daß die Todesursachen in beiden Fällen natürliche waren.  Die Beteiligung Dritter konnte ausgeschlossen werden. Auch in diesem Artikel wird noch einmal auf die Schwierigkeit bei der Bewertung solcher Fälle hingewiesen und auf die Bedeutung, die die Zusammenführung mehrerer Befunde und Todesaspekte hat, um zu einem verlässlichen Ergebnis zu kommen.

[5] Christelle Lardi M.D., Gregory Schmit M.D., Sandra Burkhardt M.D.,Patrice Mangin M.D., Ph.D.,Cristian Palmiere M.D.*Philemon and Baucis Deaths: Case Reports and Postmortem Biochemistry Contribution. J For Sci (2014): DOI: 10.1111/1556-4029.12419

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Nachtrag am 12.01.2017: In Soulalex in der Schweiz waren vor einiger Zeit die Leichen eines älteren Ehepaars entdeckt worden. Auch dieser Fall hat sich kürzlich als Versterben durch Philemon-und-Baucis-Syndrom herausgestellt.

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Kommentare (9)

  1. #1 Intensivpfleger
    06/05/2013

    Zumindest für den Fall 1 würde ich vermuten, dass die Ehefrau eher an Dehydrierung mit nachfolgender ischämischer Herzschädigung verstarb, als spontan, infolge eines psychisch bedingten cardialen Geschehens. Die Auffindesituation (“Embryonalstellung” bei vorbekannter “Alzheimerscher Demenz”) spricht jedenfalls dafür. Der spontane Tod wird wohl eher selten in dieser Stellung enden, sondern eher irgendwie “unnormal liegend”?

    Danke für den Hinweis auf diese Geschichte (“Philemon und Baucis”), ist wirklich rührend.

    Schönen Gruß vom
    Intensivpfleger

  2. #2 Chemiker
    06/05/2013

    in den drei beschriebenen Fälle waren die toxikologischen Befunde sämtlich negativ

    So etwas liest man oft, aber was bedeutet das eigentlich?

    Ich nehme an, daß man Gifte chromatographisch (HPLC/MS) oder immunologisch (ELISA) nachweist. Nun gibt es aber Tausende toxischer Substanzen, de man in end­licher Zeit unmöglich alle durch­testen kann. Als Chemiker fallen mir viele Stoffe ein, die töten ohne daß sie allzu bekannt sind, und ich kann mir nicht vorstellen, daß für jeden davon ein Detektions­protokoll existiert.

    Wie kommt man also zu einem solchen Befund, der von Colchicin über Botulinus bis Barium und Phosphor-32 alles abdeckt?

    • #3 Cornelius Courts
      06/05/2013

      aber was bedeutet das eigentlich?

      Das bedeutet, daß die Befunde für Alkohol, die gängigsten Drogen, Medikamente und Gifte, die im standardmäßigen Tox-Screening abgefragt werden, negativ waren. Natürlich kann nicht auf jedes Gift getestet werden und es ist sicher möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß die Leute mit einem ultraseltenen Ninja-Gift o.ä. ermordet wurden, aber das zu vermuten/untersuchen ist wie immer eine Frage der Plausibilität und Verhältnismäßigkeit. Auffindesituation, Zeugenaussagen, Lebensumstände, medizinische Vorgeschichte und Obduktionsergebnisse erbrachten in allen drei Fällen keinerlei Hinweise auf einen Giftmord oder Gründe, daß ein solcher verübt worden sein könnte. Es ist also extrem unwahrscheinlich.
      Mit Wahrscheinlichkeiten (statt Sicherheiten) wird aber in der Forensik wegen der Natur forensischer Belege fast immer gearbeitet. Wie ich im Blog schon früher mal beschrieben habe, kann auch die Forens. Genetik keine 100%-Wahrscheinlichkeit bei Identifizierungen liefern, sondern “nur” solche im Bereich von 1:100.000.000.000 oder mehr.
      Das muß dann eben reichen….

  3. #4 BreitSide
    07/05/2013

    Schön schaurig.

  4. #5 miesepeter3
    16/05/2013

    Was eigentlich jeder Esoteriker weiß und sich nach und nach auch in der Medizin durchsetzt, ist die Erkenntnis, dass eine kranke Seele auch zu einem kranken Körper führen k a n n.
    Eine schwere seelische Erschütterung, wie z.B. der Tod eines sehr nahestehenden Menschen kann so schwerwiegend sein, dass der seelische Schock eine ebenso starke körperliche Fehlfunktion auslösen kann. Ist das z.B. eine Fehlfunktion des Herzens, geht dann nix mehr.
    Kennt man auch bei Rentnern, die eine Woche nach Renteneintritt aus unerklärlichen Gründen sterben, sehen. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, kann so stark sein, dass da irgenwas lebenswichtiges versagt.
    Bei alten Paaren kann man oft genug beobachten, dass der eine dem anderen in verhältnismäßig kurzer Zeit nachfolgt, sei es nach einer Woche oder nach einem Jahr. Der hier geschilderte gleichzeitige Tod ist da die seltenere Version, hat aber die gleichen Ursachen.

  5. #6 Johannes9126
    21/05/2013

    Ist während meiner (kurzen) Tätigkeit zum Glück noch nicht vorgekommen, aber ein Kollege von mir hat im Praktischen Jahr auch so einen Fall gehabt. Sehr alte Frau stirbt im Krankenhaus, dem Ehemann geht es sofort schlecht, er wird auch sofort stationär aufgenommen und stirbt einige Stunden später.

    @ miesepeter3: richtige Beobachtung, unzulässige eosterische Verallgemeinerung. Cornelius hat die physiologischen Zusammenhänge doch beschrieben.

  6. #7 miesepeter3
    21/05/2013

    @Johannes9126

    Klar hat C das beschrieben: die Zweitverstorbenen waren ebenfalls schwer krank und sind daran verstorben. Der Schock hat das kranke System überfordert, die entsprechenden Körperfunktionen konnten nicht mehr wie notwendig gesteigert werden –und pardauz.
    Diesen Kausalzusammenhang hat man auch schon vor der Einführung der wissenschaftlichen Medizin gekannt. Ich habe das nun als esoterische Erkenntnis bezeichnet und bin immer noch der Meinung, dass das nicht so ganz falsch ist.

  7. #8 Cornelius Courts
    12/01/2017

    Wieder ein Fall vom Philemon-und-Baucis-Syndrom. Diesmal in der Schweiz.