Nach dieser stichhaltigen Darbietung trat der Allergologe Johannes Ring mit seinem aparten bayrischen Zungenschlag (“pumperlgsund“) auf, dem man seine Versiertheit aber auch den Spaß an der Sache anmerkte und hielt einen tollen, unterhaltsamen Vortrag über “Unkonventionelle Methoden in der Allergologie”. Nach einer geschmackvoll bebilderten kurzen Einführung in die Grundbegriffe der Allergie, stellte Ring die verschiedensten “unkonventionellen” Therapieansätze zur Behandlung von Allergie und verwandten Krankheiten wie Asthma und Neurodermitis sowie die Studienlage zu deren Wirksamkeit vor. Sein Fazit fiel erwartungsgemäß ernüchternd aus:
Unter den von 120 verschiedenen Prozeduren am häufigsten eingesetzten Praktiken befinden sich dabei viele übliche und einige sehr verrückte, wie Bach-Blüten und Homöopathie aber auch Geisterheilung, Pendeln und Bioresonanz. Einzig die Akupunktur habe in einer von ihm mit betreuten Studie einen signifikanten Effekt bei der Behandlung von Juckreiz gezeigt, so Ring (später meldete sich aber B. Matenaer aus dem Publikum zu Wort und kritisierte, daß die Studie möglicherweise nicht korrekt doppelt verblindet worden sei, was Ring auch nicht abstritt). Als Gründe für die Beliebtheit unkonventioneller Methoden, die sich durchaus und trotz ihrer Wertlosigkeit hohen Zuspruchs erfreuten, nannte Ring Gründe, die sich in meinen Augen auch vollständig zur Erklärung für die Hinwendung zu religiösen Konzepten anwenden ließen, nämlich Enttäuschung von der Wirklichkeit, Sehnsucht nach Wundern, gesellschaftliche Akzeptanz, deutscher Idealismus als Geisteshaltung, Verherrlichung von “Tiefe” und Verachtung von “Oberfläche” und fehlende Denkfähigkeit. Als Manifestation für den letzten Punkt nannte er den ebenso idiotischen wie häufig gehörten Satz “Wer heilt, hat recht”, der freilich sowohl inhaltlich als auch logisch unhaltbar und ähnlich schlüssig ist, wie der Satz “Wer gewinnt, ist schön”.
Dem häufig anzutreffenden Argument der Esoterikbefürworter, die wissenschaftliche Medizin und die Suche nach Wahrheit sei “intolerant” begegnete Ring indem er darauf hinwies, daß nicht die Wahrheit (diese Behauptung sei ein Katergorienfehler) sondern nur Menschen in ihrem Verhalten intolerant sein können. Toleranz aber, sei ledigilich die Duldung von etwas, das man für falsch halte. (Und wird, füge ich hinzu, von vielen mit “Respekt” verwechselt, was falsch und völlig irreführend ist). Ohne Überzeugung von Wahrheit aber, so Ring, könne es gar keine Toleranz geben, sondern nur “so a wischi waschi und is’ eh ois wurscht”. Wenn hingegen statt Duldung “Billigung” gefordert werde, bedeute dies, und ich könnte ihm nicht kräfiger zustimmen, das Ende der freien kritischen Auseinandersetzung.
Ring schloss mit einigen klugen wissenschaftsphilosophischen Betrachtungen, in denen er Wissenschaft als Basis der Erkenntnis darstellte und daran erinnerte, daß Wissenschaft durchaus mehr als Naturwissenschaft sei. Der Verlust der Wissenschaftlichkeit hingegen, so zitierte er K. Jaspers, führe am Ende zu Unmenschlichkeit.
Als nächster trat der Physiker Martin Lambeck auf, der bekannt dafür ist, daß er die Nobelpreise zusammenaddiert hat (inzwischen wären es nach seiner Rechnng 81), die es einzustreichen gölte, wenn sich die den Naturgesetzen zuwiderlaufenden Behauptungen diverser Esoteriker, insbesondere der Homöopathen, nachweisen ließen.
Den auf dem Bild gezeigten Artikel findet man besser leserlich auch hier. Lambeck warf einen Blick auf seine mehr als ein Jahrzehnt währenden Bemühungen im Kampf gegen die unwissenschaftlichen und teils haarsträubend absurden Behauptungen und Erklärungsmodelle der Esoterik. Einige besprach er im Detail, z.B. die für diese Leute neu entdeckte “Quantenwelt”, die sie als El Dorado für nun endlich und mühelos erhältliche Erklärungen (z.B. für das Wassergedächtnis) auszubeuten versuchen, obgleich sie keinen Schimmer von Quantenphysik haben, deren Aus- und Vorhersagen zwar schwer verständlich, aber nicht beliebig und noch dazu unglaublich exakt sind. Immer wieder beendete Lambeck seine Kapitel mit dem Satz “Wenn das stimmt, müssen Physik, Chemie und Medizin völlig umgeschrieben werden”. Lambeck wirkte auf mich ein wenig erschöpft und auch inzwischen etwas resigniert, was ihm angesichts der minimalen Erfolge bei seinem, unserem Bemühen, die Flut des Irrsinns einzudämmen, nicht zu verdenken ist. Die Esoterik, z.B. in Form der das Thema dieser Konferenz liefernden alternativen oder besser Pseudotherapien, blüht, das Angebot ist überwältigend und ein Ende ist nicht abzusehen. Ein erheblicher Teil des Problems sei, so Lambeck, das Ergebnis der unermüdlichen Lobbyarbeit dieser Szene, die zu einer Anerkennung durch und Verbrüderung mit der Politik (s. B. Steffens und Konsorten), entsprechende esoterikfreundliche Gesetze sowie die inerte Untätigkeit großer Berufs- und Interessenverbände wie der GDNÄ geführt habe, die immerhin so illustre Persönlichkeiten wie Einstein, Planck, Gauss, A. v. Humboldt und v. Helmhotz zu ihren Mitgliedern zählte.
Wenn Lambeck vorträgt, wird einem immer wieder klar oder noch klarer, wie absurd aber zugleich weitreichend die Annahmen sind, auf die sich gesamte Bereiche der Esoterik stützen und wie unglaublich es tatsächlich wäre, wenn diese Annahmen stimmen würden. Unsere Welt wäre eine gänzlich andere. Im gleichen Maße entsetzt es einen aber auch, wie hoch die Akzeptanz dieser Verfahren selbst bei Politikern und Fachleuten ist und wie wenig die Wahrheit und die Bemühung, sie zu finden, noch zu gelten scheint. Lambecks Vortrag war gut, aber so ernüchternd, daß ich geneigt war, mich einem Kommentator aus dem Publikum anzuschließen, der Lambeck nach einem guten Mittel gegen Depressionen fragte.
Der Vortrag von Holm Hümmler, noch einem Physiker, der danach kam, hieß “Nazis über uns? Von Flugscheiben und Neuschwabenländlern” und befasste sich mit der bizarren Verschwörungstheorie, derzufolge die Nazis sich mit Hilfe von Reichsflugscheiben in/unter die Antarktis zurückgezogen hätten und dort die Übernahme der Weltherrschaft vorbereiten. Oder so ähnlich. Der Vortrag war sicher gut, aber ich interessiere mich nicht sonderlich für solche Theorien und deren Widerlegung. Es wird niemanden überraschen, daß Hümmler akribisch aufzeigte, daß an dem ganzen Schwachsinn nichts dran ist.
Den letzten Vortrag über “Sex Mythen” von Jessica Bahr habe ich mir gespart. Ob er gut war, weiß ich nicht, würde mich aber über Rezensionen in den Kommentaren freuen, wo auch gerne andere Meinungen, Feedback, Kritik etc. zur GWUP-Konferenz hinterlassen werden können.
Fazit: Insgesamt fand ich die Konferenz gelungen. Neben den schon erwähnten ärgerlichen organisatorischen Unzulänglichkeiten gab es nämlich vor allem zalreiche sehr gute bis hervorragende Vorträge, viele nette und interessante Leute, einen angenehmen Konferenzort und eine tolle Stimmung. Also bitte (fast genau) weiter so!
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