Ich hatte ja schon vor einer Weile angekündigt, daß vom 9. bis 11. Mai im Mediapark in Köln die 22. GWUP Konferenz mit dem Titel „Pseudotherapien“ stattfindet.
Ich habe die Konferenz besucht und berichte hier ein wenig von meinen Eindrücken und den für mich besonders interessanten Vorträgen:
Donnerstag, 9.5. / Publikumstag
zu finden war der Tagungsort am ersten Tag der Konferenz nicht so leicht. Es gab zwar eine Wegbeschreibung, aber auf dem Gelände selbst fanden sich weder Plakate, Poster, Flaggen noch Aufsteller. Nur ein DinA4-großer Flyer, der verschämt hinter eine Glastür geklemmt war, verriet, wo man hinein mußte und man sah nicht wenige Teilnehmer ratlos auf Wegbeschreibungen und Smartphones starrend auf dem Gelände umherirren. Wir haben den Eingang aber glücklicherweise noch rechtzeitig zum ersten interessanten Vortrag gefunden, denn darin stellten die Hoaxillas, Alexa und Alexander, die ich schon letzte Woche in Hamburg getroffen hatte, “Düstere Legenden” vor: sie erklärten die Unterschiede zwischen Legenden, Mythen, Sagen, Märchen und Urban Myths und beschrieben, wie und warum düstere Legenden wie die von Bloody Mary entstehen und welche psychologischen Hintergründe sie haben könnten. Zum Schluß forderten sie das Publikum auf, bei einer Reihe von merkwürdigen Geschichten abzustimmen, ob es sie für wahr oder eine “düstere Legende” hielt. Wir schlugen uns ganz gut, aber beim kopflosen Fahrer auf dem Parkplatz wußten nur wenige die Lösung 🙂
Anschließend gab Sebastian Bartoschek einen sehr unterhaltsamen Vortrag über Geisterjäger in Deutschland. Er berichtete über ihre Methoden, Motive und bisherigen (überschaubaren) Erfolge und schloß mit einer skeptischen Kritik des ganzen Unterfangens ab. Wer mehr darüber wissen möchte, kann sich das demnächst erscheinende Buch, das er mit Alexa Waschkau darüber geschrieben hat, besorgen.
Danach trat Mark Benecke auf und unterhielt uns mit “Seltsamen Dingen” einem par-force Ritt in seinem eigenen, mitreißenden Stil durch eine Reihe von Themen wie z.B. dem Vorteil multidisziplinären Denkens, Blutspuren und Vampiren, Tod durch Kreuzigung und Pfählen, Vlad Tepes und seine ungustiösen Hobbies, psychologische Kriegsführung, was mit Leichen nach dem Tod passiert, tödlichen Brüsten, skeptischem Denken und was passiert, wenn man es nicht anwendet und dem schlechten Musikgeschmack von vermeintlichen Nazi-Satanisten, die nach Einnahme von Psychopharmaka auch wieder rote Klamotten tragen konnten.
Mark kehrte danach auch gleich auf die Bühne zurück, hinzu kamen noch die Hoaxillas und Sebastian Bartoschek und sie alle ließen sich zusammen mit dem Publikum von Bernd Harder Rätsel aufgeben, die gemeinsam unter Anstrengung des soeben trainierten skeptischen Verstands zu lösen waren. Z.B. wie es einer US-amerikanischen Wahrsagerin möglich war, das Todesjahr von Michael Jackson vorherzusehen und wie es sein konnte, daß ein Skeptiker und seine Frau nach langem Schweigen während einer Autofahrt exakt gleichzeitig an exakt dasselbe dachten.
Die Zaubervorstellung am Abend habe ich dann zugunsten geselliger (Malz-)Bierzufuhr in illustrer Runde mit Mark, Sebastian, den Hoaxillas, Claudia Graneis, Martin (von fnordwind), Sven (von Viva Britannia) und anderen netten Leuten entfallen lassen. Wer da war und erzählen mag, wie es war, kann das gerne in den Kommentaren tun.
Freitag 10.05.:
Am Freitag kam ich gegen 15.30 Uhr am Konferenzort an
und hörte mir als erstes den besorgniserregenden Vortrag von Heike Dierbach an, die unter dem Titel “Vorsicht, Seelenpfuscher! Wie alternative Psychotechniken Patienten schädigen” die Erkenntnisse ihres Buches zusammenfasste. Sie stellte die unüberschaubare Landschaft von unseriösen bis gefährlichen Therapieangeboten vor, die psychisch Erkrankten oder Hilfsbedürftigen feilgeboten werden.
Zwischen 20 bis 30 Tausend Praktizierende bieten, so Dierbach, rund 1000 Verfahren an, mit denen alle Probleme und Krankheiten zu behandeln seien. Die Anbieter seien mehrheitlich “Berufswechsler mit Heilpraktikerschein” aber auch manche ganz ohne Ausbildung sowie einige echte Psychotherapeuten und Ärzte.
Als typische TeilnehmerInnen stellte sie “Frau Sommer” (32, Lehrerin, in Trennung lebend mit Kind, früher depressiv mit Missbrauchserfahrung als Kind) und “Herrn Winter” (44, Ingenieur, alleinstehend, erkrankt an Leukämie mit reellen Heilungschancen) vor und beschrieb im folgenden einige Therapieformen näher. Einiges davon war so bizarr, daß das Publikum immer wieder ungläubig ächzte oder halb belustigt, halb entsetzt die Köpfe schüttelte.
Ein besonders arger Scharlatan scheint ein Herr Hellinger zu sein, der das Buch “Ordnungen der Liebe” verbrochen hat aus dem folgende fassungslos machende Aussagen stammen
Weitere Beispiele für nutzlose bis völlig irrsinnige Pseudotherapien waren Geistheilung, Fernheilung, Rebirthing, “The Work”, Hoffman-Quadrinity-Prozess, Festhaltetherapie und psychologische Anti-Krebs-Therapien. Aber auch “The Secret” durfte nicht fehlen:
Häufig seien die Folgen für ernstlich kranke oder hilfsbedürftige Patienten, die solche Pseudotherapien in Anspruch nähmen, sehr ernst. Nicht selten würden Betroffene von den meist intensiven Erfahrungen während solcher Sitzungen überschwemmt, blieben aber mit ihrer Not allein. Wenn die Therapie dann nicht anschlägt, würden die Patienten als Schuldige dargestellt und zusätzlich beschämt und somit abhängig und klein gemacht. Es komme oft zur Entfremdung von Familie und Freunden, zu Verlust von Zeit und Geld und vor allem unterbleibe echte Hilfe.
Dierbach nannte einige Anzeichen, an denen man Pseudotherapien erkennen könne:
- Hohe Kosten, kurze Dauer
- Heilungsversprechen und sensationelle Fallgeschichten
- Bei Misserfolgen wird der Patient verantwortlich gemacht
- Überschreitung von persönlichen Grenzen
- ganz wichtig: übersinnliches Element (z.B. Engel)
- Schulmedizin wird (subtil) schlecht oder verächtlich gemacht
- keine Sicherheit durch Vorliegen eines Heilpraktikerscheins
Ihr Fazit lautete, daß die Inanspruchnahme alternativer Psychotechniken gefährlich sei und schweren seelischen Schaden anrichten könne und diese Risiken für die Patienten aber kaum einschätzbar seien. Einer der Gründe für das Grassieren dieses Unwesens seien Passivität und Desinteresse von Berufsverbänden und Universitäten, dagegen vorzugehen. Dierbach fordert mehr Kontrolle unlauterer Werbung durch die Anbieter solcher “Therapien” und daß Heilpraktiker per Gesetz keine Psychotherapie mehr durchführen dürfen sollten. Dem kann man sich nur anschließen.
Nach einer Pause trat Christian Weymayr auf, Autor des Buches “Die Homöopathie-Lüge“, um die Frage zu beantworten “Wie wirksam ist ein Buch”?
Nach einem Ausflug in die Kundenrezensionen bei amazon, die die bei polarisierenden Büchern übliche “ungauss’sche” Verteilung (nämlich zweigipfelig mit sehr vielen 5- und 1- Stern-Bewertungen) und zum Teil uferlose Diskussionen aufwiesen,
berichtete Weymayr von den Reaktionen von Patienten, Ärzten, Medien, Apothekern und Wissenschaftlern auf sein Buch. Besonders Ärzte und Wissenschaftler hätten sich mit dem Buch auseinandergesetzt und bei einigen wenigen sei es zu einem Umdenken gekommen. Weymayr erklärte dann noch einmal ausführlich seine Forderung, nach einer Operationalisierung klinischer Studien, indem als weiteres Prüfkriterium die “Scientabilität” aufgenommen werden solle. Weymayrs Auffassung nach sollten klinische Studien, z.B. zur Wirksamkeit von Homöopathie, nicht (mehr) durchgeführt werden, wenn nicht zuvor in Grundlagenexperimenten gezeigt worden sei, daß sie mit gesicherten Erkenntnissen übereinstimme, oder, mit anderen Worten, wenn für die Annahme, daß ein Verfahren wirksam sein könne, die Naturgesetze verletzt/geändert werden müßten.
Weymayr sagt, daß klinische Studien zum Nachweis einer solchen Art von Evidenz ungeeignete Werkzeuge seien: man könne ja auch nicht, so verglich er, mit einer Lupe die molekulare Struktur eines Lebewesens untersuchen. Den Wortführern des ebm-Netzwerks, dem Weymayr angehört, sei das jedoch nicht zu vermitteln, diese seien mit ihren Methoden zufrieden, obwohl sie sehr wohl um ihre Schwächen wüßten. Dadurch, so Weymayr, werde weiterhin Zeit und Mühe für nutzlose Studien absurder Ideen vergeudet und Verfahren wie der Homöopathie durch signifikante Zufallsbefunde, die bei einer ausreichenden Zahl von Studien zu erwarten sind, falsche Glaubwürdigkeit verliehen.
Das habe zu einem nicht geringen Teil mit der hervorragenden und bis in die höchsten wissenschaftlichen Ebenen hineinreichenden Lobbyarbeit der Homöopathieszene zu tun. Die ernüchternde Antwort auf die Frage, wie wirksam sein Buch denn nun gewesen sein, lautete daher auch: kaum wirsam. Bislang.
Ein weiterer guter Konferenztag mit (für mich) zwei interessanten und aufschlussreichen Vorträgen. Enttäuschend und ärgerlich war hingegen, das muß hier auch erwähnt werden, das gemeinsame Abendessen in einem Kölner Brauhaus in Form eines Buffets, für das zusätzlich zur Kongressgebühr 30 ,- € berappt werden mußten. Wie sich herausstellte, waren in diesem Betrag jedoch nicht einmal Getränke inbegriffen, wodurch der Preis nur noch als krasser Nepp zu bezeichnen ist, da man dafür in dem Brauhaus ca. zweieinhalb Hauptgerichte bekommen könnte. Stattdessen gab es ein winziges, mediokres gutbürgerliches Buffet, um das sich auf viel zu engem Raum knapp hundert Gäste drängen mußten. Wir waren zum Glück recht früh am Buffet und konnten daher nach eiligem Verzehr unserer völlig überteuerten Mahlzeit die ungastliche Stätte rasch verlassen und so noch rechtzeitig zu einem Treffen der Hörer diverser Podcasts in einem anderen Kölner Restaurant kommen, wo wir die Hoaxillas und andere vom Vorabend wiedertrafen. Dort gelang es mir auch, mir einen Aluhut zu basteln, um mich gegen mögliche Versuche zur Gedankenkontrolle zu schützen.
Samstag 11.05.:
Samstag früh um 9.15 Ihr begann Claudia Graneis den Kongresstag. Zur Bekämpfung ihrer Nervosität nahm sie ersteinmal eine halbe Flasche Licht-Globuli auf ex ein und starete dann mit ihrem ausgezeichneten Vortrag “Globuli und Pharmazie – eine Liebesgeschichte” über das Ein- und Vordrängen der Homöopathielobby in die Pharmazie, sowohl über die universitäre Lehre, als auch über Arzneimittelpolitik und Beeinflussung von Apothekern, Hebammen und Ärzten. Wem das bekannt vorkommt, der/die liegt richtig, da Claudia Graneis die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Vortrag bereits hier im Blog und in einem Artikel im Skeptiker publiziert hat.
- Gastbeitrag: Homöopathie in der Pharmazie – eine Bestandsaufnahme; Teil 1
- Gastbeitrag: Homöopathie in der Pharmazie – eine Bestandsaufnahme; Teil 2
- Gastbeitrag: Heiße Luft für Hebammen – Das Training im esoterischen Denken beginnt schon vor der Geburt
Statt hier eine Zusammenfassung zu geben, empfehle ich daher einfach die Lektüre der Originalbeiträge. Teile des Vortrags werden übrigens auch im nächsten Skeptiker publizier werden.
Anschließend sprach der Anästhesist und Schmerztherapeut Benedikt Matenaer über die “bestechende Heilweise Akupunktur” und teilte deren Anwendungsweisen in the good,
the bad and the ugly ein. Als “good” geht bei ihm die zum Teil unstrittig bei Patienten beobachtbare Schmerzlinderung durch, die sich als zwar unspezifische, also nichts mit geheimnisvollen Chi-Meridianen zu tun habende, aber doch direkte Folge der Behandlung einstellen könne. “Bad und ugly” sind die esoterischen Verunerinigungen und Überhöhungen, die bis zu, so Matenaer, “ekelhaften” Auswüchsen, wie Heilungsversprechen bei Krebs oder anderen schwersten Erkrankungen reichten.
Jenes sollte aber nicht das einzige Filmzitat in seinem Vortrag bleiben, denn Matenaer verglich die Binnenkomplexität der Akupunkturszene mit derjenigen des Star Trek Universums, die beide so reichhaltig und mit inneren Widersprüchen ausgestattet seien, daß die Anhängerschaft sich untereinander trefflich über bestimmte Interna streiten könne.
Matenaer war früher selbst einmal empfänglich für esoterische Praktiken und gewann so einen Einblick in die “Szene”.
Er zeigte uns sogar seinen “Reiki-Führerschein” (oder wie das heißt), den er vor ca. 20 Jahren gemacht hatte, nachdem er von einer Kollegin bequatscht worden war. Später machte Matenaer auch eine Zusatzausbildung zum Akupunkteur und übte das Verfahren lange Zeit aus. Inzwischen sei er jedoch gründlich kuriert und abestoßen von Unwissenschaftlichkeit und den Auswüchsen, die der regelrechte Akupunktur-Kult getrieben habe und dessen intellektuelle Grundlagen er als “erbärmlich doof” bezeichnete. Er hat sogar seine Lizenz zum Nadeln wieder abgegeben, praktiziert keine Akupunktur mehr und empfiehlt auch niemandem, sich damit behandeln zu lassen. Allerdings rät er auch nicht davon ab, wenn man z.B. von sich wisse, daß man ggf. empfänglich für den durch das gewaltige Brimborium bei der Akupunktur (Rituahaftigkeit, Nadeln, Gerüche, Musik, intensive Zuwendung etc.) generierten Placeboeffekt sei, der zu den unspezifischen Effekten (s.o.) ja noch dazukomme. Zum Schluß gab er uns noch 5 Tips, wie so ziemlich jeder eine erfolgreiche Akupunktur durchführen könne:
- Man suche sich eine ideale Patientin (weiblich, nicht alleinstehend, gute Vorerfahrungen mit Alternativmedizin) und führe eine mind. 30 minütige Vorbesprechung durch
- Die Vorbesprechung solle man nutzen, um nach ungewöhnlichen Details ihrer Beschwerden zu fragen, für die sich zuvor noch kein Arzt interessiert hat.
- Für die Akupunktur keine unattraktiven Punkte (so wie Zahnfleisch, Damm, Zunge etc.) auswählen und nicht mehr als 10-15 Nadeln in ungefähr gleichviele Nah- und Fernpunkte stechen
- Das ganze in einem schönen, angenehm warmen Raum (mit Duftkerzen) durchführen und sich viel Zeit für die Lokalisation der Punkte lassen
- Nach 20 min. die Nadeln wieder abziehen und der Patientin eine Mobilnummer geben, wo sie sich melden könne, falls Beschwerden aufträten.
Mit diesen Tricks ist ziemlich wahrscheinlich nicht nur das Chi sondern auch ein massiver Placebo-Effekt mit einem.
Nach dieser stichhaltigen Darbietung trat der Allergologe Johannes Ring mit seinem aparten bayrischen Zungenschlag (“pumperlgsund“) auf, dem man seine Versiertheit aber auch den Spaß an der Sache anmerkte und hielt einen tollen, unterhaltsamen Vortrag über “Unkonventionelle Methoden in der Allergologie”. Nach einer geschmackvoll bebilderten kurzen Einführung in die Grundbegriffe der Allergie, stellte Ring die verschiedensten “unkonventionellen” Therapieansätze zur Behandlung von Allergie und verwandten Krankheiten wie Asthma und Neurodermitis sowie die Studienlage zu deren Wirksamkeit vor. Sein Fazit fiel erwartungsgemäß ernüchternd aus:
Unter den von 120 verschiedenen Prozeduren am häufigsten eingesetzten Praktiken befinden sich dabei viele übliche und einige sehr verrückte, wie Bach-Blüten und Homöopathie aber auch Geisterheilung, Pendeln und Bioresonanz. Einzig die Akupunktur habe in einer von ihm mit betreuten Studie einen signifikanten Effekt bei der Behandlung von Juckreiz gezeigt, so Ring (später meldete sich aber B. Matenaer aus dem Publikum zu Wort und kritisierte, daß die Studie möglicherweise nicht korrekt doppelt verblindet worden sei, was Ring auch nicht abstritt). Als Gründe für die Beliebtheit unkonventioneller Methoden, die sich durchaus und trotz ihrer Wertlosigkeit hohen Zuspruchs erfreuten, nannte Ring Gründe, die sich in meinen Augen auch vollständig zur Erklärung für die Hinwendung zu religiösen Konzepten anwenden ließen, nämlich Enttäuschung von der Wirklichkeit, Sehnsucht nach Wundern, gesellschaftliche Akzeptanz, deutscher Idealismus als Geisteshaltung, Verherrlichung von “Tiefe” und Verachtung von “Oberfläche” und fehlende Denkfähigkeit. Als Manifestation für den letzten Punkt nannte er den ebenso idiotischen wie häufig gehörten Satz “Wer heilt, hat recht”, der freilich sowohl inhaltlich als auch logisch unhaltbar und ähnlich schlüssig ist, wie der Satz “Wer gewinnt, ist schön”.
Dem häufig anzutreffenden Argument der Esoterikbefürworter, die wissenschaftliche Medizin und die Suche nach Wahrheit sei “intolerant” begegnete Ring indem er darauf hinwies, daß nicht die Wahrheit (diese Behauptung sei ein Katergorienfehler) sondern nur Menschen in ihrem Verhalten intolerant sein können. Toleranz aber, sei ledigilich die Duldung von etwas, das man für falsch halte. (Und wird, füge ich hinzu, von vielen mit “Respekt” verwechselt, was falsch und völlig irreführend ist). Ohne Überzeugung von Wahrheit aber, so Ring, könne es gar keine Toleranz geben, sondern nur “so a wischi waschi und is’ eh ois wurscht”. Wenn hingegen statt Duldung “Billigung” gefordert werde, bedeute dies, und ich könnte ihm nicht kräfiger zustimmen, das Ende der freien kritischen Auseinandersetzung.
Ring schloss mit einigen klugen wissenschaftsphilosophischen Betrachtungen, in denen er Wissenschaft als Basis der Erkenntnis darstellte und daran erinnerte, daß Wissenschaft durchaus mehr als Naturwissenschaft sei. Der Verlust der Wissenschaftlichkeit hingegen, so zitierte er K. Jaspers, führe am Ende zu Unmenschlichkeit.
Als nächster trat der Physiker Martin Lambeck auf, der bekannt dafür ist, daß er die Nobelpreise zusammenaddiert hat (inzwischen wären es nach seiner Rechnng 81), die es einzustreichen gölte, wenn sich die den Naturgesetzen zuwiderlaufenden Behauptungen diverser Esoteriker, insbesondere der Homöopathen, nachweisen ließen.
Den auf dem Bild gezeigten Artikel findet man besser leserlich auch hier. Lambeck warf einen Blick auf seine mehr als ein Jahrzehnt währenden Bemühungen im Kampf gegen die unwissenschaftlichen und teils haarsträubend absurden Behauptungen und Erklärungsmodelle der Esoterik. Einige besprach er im Detail, z.B. die für diese Leute neu entdeckte “Quantenwelt”, die sie als El Dorado für nun endlich und mühelos erhältliche Erklärungen (z.B. für das Wassergedächtnis) auszubeuten versuchen, obgleich sie keinen Schimmer von Quantenphysik haben, deren Aus- und Vorhersagen zwar schwer verständlich, aber nicht beliebig und noch dazu unglaublich exakt sind. Immer wieder beendete Lambeck seine Kapitel mit dem Satz “Wenn das stimmt, müssen Physik, Chemie und Medizin völlig umgeschrieben werden”. Lambeck wirkte auf mich ein wenig erschöpft und auch inzwischen etwas resigniert, was ihm angesichts der minimalen Erfolge bei seinem, unserem Bemühen, die Flut des Irrsinns einzudämmen, nicht zu verdenken ist. Die Esoterik, z.B. in Form der das Thema dieser Konferenz liefernden alternativen oder besser Pseudotherapien, blüht, das Angebot ist überwältigend und ein Ende ist nicht abzusehen. Ein erheblicher Teil des Problems sei, so Lambeck, das Ergebnis der unermüdlichen Lobbyarbeit dieser Szene, die zu einer Anerkennung durch und Verbrüderung mit der Politik (s. B. Steffens und Konsorten), entsprechende esoterikfreundliche Gesetze sowie die inerte Untätigkeit großer Berufs- und Interessenverbände wie der GDNÄ geführt habe, die immerhin so illustre Persönlichkeiten wie Einstein, Planck, Gauss, A. v. Humboldt und v. Helmhotz zu ihren Mitgliedern zählte.
Wenn Lambeck vorträgt, wird einem immer wieder klar oder noch klarer, wie absurd aber zugleich weitreichend die Annahmen sind, auf die sich gesamte Bereiche der Esoterik stützen und wie unglaublich es tatsächlich wäre, wenn diese Annahmen stimmen würden. Unsere Welt wäre eine gänzlich andere. Im gleichen Maße entsetzt es einen aber auch, wie hoch die Akzeptanz dieser Verfahren selbst bei Politikern und Fachleuten ist und wie wenig die Wahrheit und die Bemühung, sie zu finden, noch zu gelten scheint. Lambecks Vortrag war gut, aber so ernüchternd, daß ich geneigt war, mich einem Kommentator aus dem Publikum anzuschließen, der Lambeck nach einem guten Mittel gegen Depressionen fragte.
Der Vortrag von Holm Hümmler, noch einem Physiker, der danach kam, hieß “Nazis über uns? Von Flugscheiben und Neuschwabenländlern” und befasste sich mit der bizarren Verschwörungstheorie, derzufolge die Nazis sich mit Hilfe von Reichsflugscheiben in/unter die Antarktis zurückgezogen hätten und dort die Übernahme der Weltherrschaft vorbereiten. Oder so ähnlich. Der Vortrag war sicher gut, aber ich interessiere mich nicht sonderlich für solche Theorien und deren Widerlegung. Es wird niemanden überraschen, daß Hümmler akribisch aufzeigte, daß an dem ganzen Schwachsinn nichts dran ist.
Den letzten Vortrag über “Sex Mythen” von Jessica Bahr habe ich mir gespart. Ob er gut war, weiß ich nicht, würde mich aber über Rezensionen in den Kommentaren freuen, wo auch gerne andere Meinungen, Feedback, Kritik etc. zur GWUP-Konferenz hinterlassen werden können.
Fazit: Insgesamt fand ich die Konferenz gelungen. Neben den schon erwähnten ärgerlichen organisatorischen Unzulänglichkeiten gab es nämlich vor allem zalreiche sehr gute bis hervorragende Vorträge, viele nette und interessante Leute, einen angenehmen Konferenzort und eine tolle Stimmung. Also bitte (fast genau) weiter so!
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