Im Bild sieht man eine stark vereinfachte Darstellung der beiden Hauptsignalwege (Pathways) für die Apoptose: den extrinischen (von außen einwirkenden) und den intrinsischen (von innen einwirkenden) und ich habe mit farbigen Ovalen markiert, an welchen Stellen die Krebszelle eingreifen kann. Natürlich ist die Wirklichkeit noch viel detailreicher und komplizierter aber man könnte vielleicht sagen, daß die Vielzahl der möglichen Wege, durch welche die Apoptose eingeleitet werden kann mit der Vielzahl der Tricks korrespondiert, die Krebszellen einsetzen, um die Apoptose zu umgehen. Wichtig ist auch, zu verstehen, daß Krebszellen niemals richtig immun gegen Apoptose werden, sondern nur verschiedene Auslöser und Mechanismen der Apoptose lahmlegen oder umgehen können.
Denn gerade weil sie nicht immun gegen Apoptose sind, nutzt man Chemotherapeutika, die mehr oder weniger brutal die Apoptose erzwingen. In den letzten Jahren hat man immer besser verstanden, wie die Apoptose reguliert wird und konnte Medikamente herstellen, die die körpereigenen Apoptoseauslöser exakt nachahmen. Vor kurzem erst berichtete Nature Medicine (Nature Medicine 19, 131–133 (2013)) von einem neuen und interessanten therapeutischen Ansatz, der darin besteht, daß der Wirkstoff ABT-199 die Apoptoseblockade von Krebszellen überwindet, indem er selektiv das antiapoptotische BCL-2-Protein bindet, welches verhindert, daß es zur Destabilisierung der Mitochondrien-Membran und damit zur intrinsisch ausgelösten Apoptose kommt. Besonders Blutkrebszellen verlassen sich häufig auf BCL-2 zur Verhinderung von Apoptose, weshalb ein großes Interesse an diesem Protein besteht. In gesunden Zellen reicht die Blockade von BCL-2 normalerweise nicht aus, um die Apoptose auszulösen, da es noch andere Sicherungssyteme gibt, die das verhindern können (im Apoptose-Artikel gehe ich darauf ein). Weil aber in vielen Krebszellen durch die ihrer Natur gemäßen Abnormalitäten die Tendenz zur Apoptose bereits sehr hoch ist, fällt genau diese Sicherung weg und die Apoptose wird nur noch durch BCL-2 verhindert. Wenn dann BCL-2 durch einen Wirkstoff wie ABT-199 spezifisch gehemmt wird, wird die Krebszelle sozusagen über die Klippe gestoßen. Das Tolle ist, daß dieser Wirkstoff, der bereits gute Ergebnisse in klinischen Studien zeigte, in anderen, normalen Zellen nicht die Apoptose auslöst und damit schwere Nebenwirkungen erzeugt, weil in diesen ja die BCL-2-Sicherung noch funktioniert.
(Die Erkenntnisse um ABT-199 sind übrigens auch für mich persönlich sehr spannend, da ich selber damals in meiner Zeit als Krebsforscher für „meinen“ Tumor, das primäre ZNS-Lymphom (PCNSL), eine starke Überexpression von BCL-2 und damit eine wahrscheinlich eingeschränkte Apoptose nachgewiesen habe. Vielleicht läßt sich ABT-199 auch bei der Behandlung von PCNSL nutzen?).
In der nächsten Folge beschreibe ich, wie Krebszellen die Unsterblichkeit erlangen.
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