Abgesehen von diesem allgemeinen Einwand gegen die Beschränkung von Forschung besteht jedoch mein Hauptproblem darin, daß jenes Argument, das gegen das Klonen – therapeutisch oder reproduktiv – verwendet wird, häufig religiös motiviert und damit in meinen Augen wertlos, weil nicht auf Belege, also in der Wirklichkeit begründet ist. Gerne wird da z.B. formuliert, der Mensch maße sich an, “Gott zu spielen” (die Ironie in dieser Idee geht vielen dabei nicht auf: gerade weil der jeweils angebetete Gott nie zuvor Querschnittslähmungen, Amputationen, Parkinson, ALS etc. geheilt hat, muß es der Mensch ja wohl selber richten und hat dank der Wissenschaft nun erstmalig die Chance dazu). Oder es wird auf irgendeine abenteuerliche Weise aus dem jeweils zur Hand befindlichen „heiligen“ Buch ein Verbot bestimmter Erkenntnisse oder Handlungen konstruiert. Was meines Erachtens aber, genau wie bei Verboten von Inzest (heute) und Homosexualität (früher), oft in Wirklichkeit dahinter steckt, sind durch idiosynkratisches Widernatürlichkeitsempfinden bedingte, persönliche emotionale Abneigungen, die natürlich durch die Verbrämung mit irgendwelchen religiösen Arabesken und Versatzstücken um keinen Deut überzeugender oder argumentwürdiger werden.
Das einzige, was in meinen Augen gegen irgendeine Form des Klonens vorgebracht werden könnte, wäre, wenn dadurch die Würde des Menschen oder grundlegende Menschenrechte verletzt oder in Frage gestellt würden. Zumindest beim therapeutischen Klonen kann davon aber, wenn man wissenschaftliche und rationale Kriterien bei der Beurteilung von Embryonen zugrunde legt, keine Rede sein. Im Gegenteil: die ganze Prozedur dient einzig und allein dem ultimaten Ziel, die Behandlung schwer(st)er Krankheiten zu ermöglichen und es ist nicht abwegig, ihre Erforschung und Anwendung daher sogar als ethisch geboten aufzufassen.
Aber selbst beim reproduktiven Klonen, mit dem ich aus verschiedenen Gründen eher nicht sympathisiere, tue ich mich mangels ideologischer Verblendung etwas schwer, so strikt dagegen zu sein, wie andere es sind, einfach, weil ich deren Argumente nicht recht überzeugend finde (und meine eigenen mir selbst etwas unscharf und indirekt erscheinen): Aus welchem Grund z.B. sollte es Eltern, die ein Kleinkind oder einen Säugling an einen Unfall oder eine Krankheit verloren haben, verboten sein, ein weiteres Kind zu bekommen, das erbgleich mit dem verstorbenen ist, wenn das ihr dringlicher Wunsch ist? Worin genau bestünde das ethische Problem, den Wunsch der Eltern zu erfüllen? (Ganz analog zur Argumentation zum Inzestverbot sollte man auch hier keinesfalls sein eigenes persönliches Empfinden oder das, was man selbst zufällig für “natürlich” hält, zur Grundlage seines Verbotsansinnens machen.) Welches Menschenrecht würde dadurch verletzt? Inwiefern würde, wie oft behauptet wird, ein Mensch dadurch auf eine Weise vom Zweck an sich selbst zum Mittel degradiert, die sich von derjenigen unterscheidet, die genauso der Zeugung eines “neuen” Kinds auf “natürlichem” Wege beizuordnen wäre?
Es kann jedenfalls nicht um eine etwa die Menschwürde bedingende genetische Einzigartigkeit eines jedes Menschen gehen, denn es gibt ja bereits haufenweise menschliche Klone: alle eineiigen Mehrlinge. Diese sind zwar genetisch identische Klone; dennoch würde wohl niemand Zugehörigen von Mehrlingsgeschwistergruppen ihre jeweilige Einzigartigkeit oder Menschenwürde absprechen oder sich außerstande sehen, sie als eigenständige Menschen wahrzunehmen. Warum wäre ein im Labor mit Absicht geklonter Mensch also anders zu bewerten, als ein in einer Gebärmutter durch Zufall geklonter Mensch? Denn die Auffassung, daß es ethisch geboten sei, nur durch Natur bzw. Zufall erzeugte Klone (= eineiige Mehrlinge) akzeptabel zu finden, halte ich für absurd und ein Paradebeispiel für den moralistischen Fehlschluss. Mit dem gleichen Argument wären jegliche „unnatürlichen“ Eingriffe in das menschliche Dasein abzulehnen, Empfängnisverhütung, Prothesen und künstliche Befruchtung nur als Beispiele. Hinzukommt, daß es schlicht falsch wäre, anzunehmen, daß die Persönlichkeit eines Menschen, sein Wesen, sein Charakter, das, was ihn also als Menschen aus-, erkennbar und von anderen unterscheidbar macht, durch seine Gene definiert und determiniert werde. Beeinflusst: ja, bestimmt: nein.
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