Das ist das Titelblatt der aktuellen Ausgabe des Stern. Ich finde es sehr passend, denn die obszöne und völlig selbstvergessene Prasserei des derzeit nur im Zwangssabbatical befindlichen Herrn Tebartz-von-Elst ist in meinen Augen in hohem Maße exemplarisch für eine nachgerade weltferne Arroganz des Klerus, die offenbar nicht nur mich an das Imperium aus Star Wars erinnert. Dies ist Anlass genug, um einen sehr gut dazu passenden Text, den Pat Condell schon 2009 schrieb, in deutscher Übersetzung vorzulegen.
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Die Arroganz des Klerus
von Pat Condell*
(Übersetzung CC)
“Obwohl ich Atheist und Säkularist bin und so anti-religiös wie man nur sein kann, habe ich dennoch kein Problem damit, wenn jemand an Gott glaubt, wenn es so ist, wie er sein Leben leben will. Tatsächlich denke ich, daß der Glaube an einen falschen Gott (und er ist falsch, denn sie sind es alle) für einige Leute sogar einen therapeutischen Nutzen haben mag, so wie künstliches Tageslicht gegen den Winterblues helfen kann.
Persönlicher Glaube und öffentliche Religion sind allerdings zwei komplett verschiedene Dinge. Sobald Religion publik gemacht wird, hört sie auf, spirituell zu sein und wird politisch und geht dann gewöhnlich mit moralischer Heuchelei einher.
Und weil sie sich göttliche Autorität anmaßt und bedingungslose Unterwerfung und Gehorsam außerhalb der Grenzen jeder Vernunft verlangt, verachtet sie auch die Demokratie im gleichen Maße, in dem sie Frauen und Homosexuelle (also ziemlich viele) verachtet und strebt deshalb stets eine Theokratie und die Vergrößerung der Macht und des Status des Klerus an.
Die öffentliche Religion existiert einzig zum Nutzen des Klerus sowie der Klerus einzig zum Nutzen des Klerus existiert – das ist der entscheidende Punkt, den es zu verstehen gilt. Persönlicher Glaube, Spiritualität oder wie immer man es nennen will, bedarf keiner Verwaltung oder Regelung durch eine privilegierte Klasse klerikaler Faschisten, wohingegen die öffentliche Religion nicht nur vom Klerus abhängig ist, sondern auch umgekehrt: sie bedingen einander und können ohne einander nicht existieren und eigentlich ist keines von beiden notwendig. Und weil die Kleriker das natürlich wissen, geht es in ihrer armseligen Religion auch nur um Schuld, Unterwerfung und Gehorsam, nicht aber um Aufklärung oder gar Erleuchtung, das wäre ja gelacht! Das wäre das Letzte was sie wollen, denn aufgeklärte Menschen brauchen keinen Klerus.
Was denken Sie wohl, warum der Papst seinen Katholiken sagte: „Gehorsam gegen die Doktrin der Kirche ist die Grundfeste Eures Glaubens!“? Nicht die Bergpredigt, nicht ’liebe Deinen Nächsten’, nein, Gehorsam ist die Grundlage. Natürlich, es muß so sein, denn sonst würden sie am Ende noch in ihre eigenen Herzen blicken und das wollen diese Parasiten um jeden Preis verhindern, denn genau da befindet sich auch der Bullshit-Detektor.
Ich habe schon viele Bezeichnungen für den Klerus gehört, „Himmelspiloten“, Vampire mit Hundehalsband oder, eine meiner liebsten, Kopfläuse der Menschheit, aber ich finde, daß keine davon der wahren Frevelhaftigkeit seiner Profession gerecht wird, die in meinen Augen in der vorsätzlichen Irreführung der Menschen besteht. Wie Alchemisten, die sich darauf spezialisiert haben, Gold in Blei verwandeln, strebt der Klerus danach, so viel Kreativität und Vergnügen wie möglich zu eliminieren, um das menschliche Erleben effektiv zu neutralisieren und uns einzureden, daß dieses Leben, das wir haben, nicht gut genug sei.
Er maßt sich moralische Autorität an, obwohl die Geschichte seiner Taten zeigt, daß die Worte „Religion“ und „Moral“ ebensowenig im selben Satz zu suchen haben, wie die Worte „Schöpfung“ und „Wissenschaft“ oder „Islam“ und „Bildung“ oder „biblisch“ und „sinnvoll“. Tatsächlich ist die einzige Moral, die ein gesunder Mensch der Religion entnehmen kann, daß man nichts glauben sollte, das man in Büchern liest.
Und immer wenn ein älterer Kleriker in den Medien zitiert wird, gibt er sich die größte Mühe, säkulare Meinungen als eine Form von Extremismus darzustellen, wo sie, die Kleriker, doch die wahren Extremisten sind, die darauf bestehen, daß wir unseren eigenen Sinnen mißtrauen, um stattdessen einen Haufen unbeweisbarer Absurditäten nicht nur zu akzeptieren, sondern auch noch viele Aspekte unseres Lebens bestimmen lassen. Wie viel extremer kann es noch werden? Und dabei es gibt keine Tiefen, zu denen diese Leute nicht herabsinken würden um ihr beschissenes Dogma stützen.
Kondome zum Beispiel. Wir alle wissen, daß die katholische Kirche Geburtenkontrolle nicht besonders mag (was irgendwie seltsam ist, da sie ja sonst auf jede andere Form von Kontrolle abfährt), aber wissentlich falsche Informationen über lebenswichtige Zusammenhänge an Personen auszugeben, die eigentlich gehorchen müssen, so wie es der Papst vor ein paar Monaten getan hat und wie es der katholische Klerus regelmäßig in Afrika tut**, ist zynisch, unmenschlich und sollte wie versuchter Mord behandelt werden.
Jede öffentliche Äußerung eines erfahrenen Klerikers dient dazu, uns zu entmachten und weiter von dem Planeten, dem wir unser Leben verdanken, zu entfremden, weil sie nicht wollen, daß wir auf irgendeine Weise „geerdet“ sind. Also erzählen sie uns, daß wir nicht einmal in diese Welt gehören. Daß wir viel zu gut für diesen sündenvollen Ort wären, weil wir ach so heilig und besonders wären. Na klar! Wir sind so besonders, daß wir unser ganzes Leben damit verbringen sollen, uns auf Knien für etwas zu entschuldigen, womit wir rein gar nichts zu tun hatten.
Was glauben Sie, warum all das Gute, von dem die Religionen künden, in der Zukunft stattfinden soll und nicht in der Gegenwart? Also nicht zum Zeitpunkt, zu dem man tatsächlich in Kontakt mit der Wirklichkeit ist und zu dem man irgendetwas ausrichten kann. Nein, der ist reserviert für Gebet und Buße und für die Verachtung des menschlichen Daseins. Es wäre also viel besser, wenn man sich auf jene sagenhafte Zukunft konzentriert und während man darauf wartet, daß sie endlich anbricht (d.i. darauf wartet, daß das eigene Leben endet, damit sie endlich anbrechen kann), gibt es ja wohl keinen besseren Augenblick als die Gegenwart, um auf die Knie zu sinken und ein paar Gebete zu sprechen und Buße zu tun, oder? (Sie wissen ja, man kann das nie genug tun).
Aber wo Sie schon da unten knien und sich, wie üblich, für Ihre Existenz entschuldigen, können Sie sich doch einen Augenblick Zeit nehmen und mir eine Frage beantworten, die auf der Hand liegt: wer profitiert eigentlich von Ihrem Glauben im Hier und Jetzt, wo es wirklich zählt? Wer sahnt den irdischen Lohn dafür ab, im Gegensatz zum weniger greifbaren, himmlischen Lohn im Glücklich-und-zufrieden-bis-an-ihr-Ende-Land, das man Ihnen verheißen hat? Lassen Sie mich Ihnen dazu eine Frage stellen: Wie viele Menschen kennen Sie, die in einem Palast leben? Nur einige wenige, oder? Wie viele von denen sind christliche Kleriker und was zur Hölle glauben Sie, daß die dort zu suchen haben?
Kein Zweifel, jeder Kleriker der in einem Palast lebt, hat Jesus’ Absicht und Botschaft kilometerweit verfehlt und man braucht kein Theologe zu sein, um das zu verstehen, sogar ein Kind würde einsehen, daß ein solcher Mann die Botschaften, die er anderen predigt, zu verstehen nicht einmal begonnen hat. Er agiert nur in einer Rolle, gleich einem trainierten Affen. Er ist nicht im entferntesten qualifiziert, die Position, die er innehat, zu bekleiden und während er es dennoch tut, würdigt er sie bis zur Bedeutungslosigkeit herab.
Sie erinnern sich sicher an den Erzbischof von Canterbury, nicht wahr? Das ist der prinzipienlose Verräter, der die Einführung der Scharia in Teile des britischen Rechts forderte, weil die Scharia religiöses Recht ist und für ihn erst die Religion und dann die Menschen kommen. Hier in England sind wir ja inzwischen ziemlich gewöhnt daran, von diesem Typen über Selbstlosigkeit und Nonmaterialismus belehrt zu werden, während er behaglich in einem seiner zwei Paläste sitzt. Ja, Sie lesen richtig! Zwei Paläste, ganz bequem nur eine Autostunde voneinander entfernt. Ich habe das schon einmal erwähnt und muß es nochmal tun, weil ich es selber immer noch nicht ganz glauben kann.
Sein Kollege, der Erzbischof von York, ein anderer „Medienmoralist“, der auch ganz viel zu sagen zu haben meint, lebt – raten Sie wo –: in einem Palast. Selbstverständlich, wo denn auch sonst? Alles andere wäre eine Beleidigung für Jesus, oder nicht? Aber auch der Rest von denen, die Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle – keiner von diesen Arschgeigen würde sich die Füße in etwas geringerem als einer Prunkvilla beschmutzen. Und wir kennen ja auch alle den Papst und seinen gewaltigen Palazzo. Genau genommen residiert er ja über eine ganze Stadt, die gleichzeitig als „souveräner Staat“ geht, über den er der alleinige Herrscher ist. So gesehen kein schlechter Job!
Und wo sind Sie in der Zwischenzeit geblieben? Immer noch auf den Knien, um für die Erlösung zu beten? Wenn es so ist, dann machen Sie nur weiter, denn Ihr Lieblingsfernsehprediger muß sich unbedingt einen neuen Privatjet kaufen, von Ihrem Geld – in Jesu Namen versteht sich! Dieser Jesus wird ein wirklich wohlhabender junger Mann sein, falls er je zurückkommt, meinen Sie nicht auch? Bei all dem Zeug, das in seinem Namen schon gekauft wurde; all dieser krude, extravagante, überflüssige Luxus.
Ich frage mich, was er dächte, wenn er erkennen würde, daß das Symbol seines grausigen Todes am Kreuz zum weltweit lukrativsten Gelddruck-Logo in der Geschichte der Menschheit geworden ist und daß, 2000 Jahre später, damit immer noch bergeweise Zaster, das meiste davon von armen Leuten, eingefahren wird.
Ich frage mich, ob Jesus Gewissensbisse haben wird und er erwägt, daß vielleicht er derjenige ist, der Buße tun sollte und nicht wir. Und daß er uns um Vergebung bitten sollte, dafür daß sein Name von diesen zynischen, blutsaugenden Verbrechern gekapert und ausgenutzt worden ist. Ich schätze, wir müssen wohl abwarten und Tee trinken…
In der Zwischenzeit wenden Sie sich eben an die Religion, wenn sie Ihnen wirklich Trost gibt und wenn das alles ist, worauf Sie sich stützen können. Aber was immer Sie tun: wenden Sie sich niemals an die Religion um der Wahrheit willen. Die Religion kennt die Wahrheit nicht und die Kleriker sind dafür der lebende Beweis. Selbst wenn sie durch ein Wunder über die Wahrheit stolpern würden, würden sie sie verbergen, um so ihr stinkendes Dogma zu schützen, so wie es sie beschützt.
Wie könnte es offensichtlicher sein, daß jene keine Männer der Bescheidenheit und Weisheit (was ja dem Jesus-Vorbild entspräche und dem, wonach wir wirklich suchten) sondern karrieregeile Politiker sind. Engstirnige, kleingeistige, statusversessene, egoistische Männer. Welch beschämender Zustand für jeden, der sich einen spirituellen Lehrer nennt. Sie sind eben jene Pharisäer, denen Jesus höchstselbst sich widersetzt hat. Die, die besessen sind von ihrer eigenen Bedeutung, ihrem Prunk, dem Status-Quo um jeden Preis, die, denen ihr Dogma immer, immer, immer über Mitgefühl geht. Die, die sich aufführen, als existierten die Menschen nur zum Nutzen der Religion und nicht anders herum.
Ich habe neulich herausgefunden, daß das Wort „Häretiker“ vom griechischen hairetikos abgeleitet ist, was bedeutet, „die Wahl haben“ – das sagt doch alles, meinen Sie nicht?
Peace! Und Gott segne den Atheismus.“
**Im März 2009 behauptete der Papst, daß Kondome die AIDS-Krise in Afrika verschlimmern würden. Andere katholische Kleriker haben sogar die Ausbreitung der Krankheit auf die Kondombenutzung geschoben.
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*Pat Condell Disclaimer (08/2020): inzwischen ist es leider nötig, sich von der aktuellen Version von Pat Condell zu distanzieren. Ich stehe zwar nach wie vor zu seinen humanistischen, religionskritischen (v.a. Islam und Christentum) Beiträgen, wie den obigen von früher (aus der Zeit, aus der auch dieser Blogartikel stammt), heute jedoch tritt er als eher rechter, reaktionärer Trump-Fanboy (!) auf. Damit hat er sich für mich völlig disqualifiziert. Ich habe u.a. den Link zu seinem Blog/Podcast aus meiner Blogroll getilgt. Schade, aber geht echt nicht mehr.
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