Trotz dieser theologisch-theoretischen Erlaubnis unter bestimmten Umständen seien die sozialen bzw. gesellschaftlichen Widerstände gegen die Durchführung von Autopsien jedoch unausgesetzt hoch, so die Autoren.
Im folgenden besprechen sie dann die Situation in den vier (von 22) arabischen Ländern, aus denen es überhaupt irgendwelche Publikationen gibt.
In Saudi-Arabien, wo sich die Rechtsprechung ausschließlich aus der Scharia ableite, während in anderen islamischen Ländern auch andere Grundlagen herangezogen würden, seien Autopsien unbeliebt und daher selten. Meist erfolge zunächst eine äußerliche Untersuchung (Leichenschau) und die Autopsie nur im Notfall. Der Leichenschauer könne sogar ohne weiteres eine Bestattung anordnen, wenn er die aus der Leichenschau gewonnenen Erkenntnisse ausreichend findet. Immerhin bestehe die Möglichkeit, im Verdachtsfall auch gegen den Willen von deren Familie eine verstorbene Person zu obduzieren. Die Rechtsmedizin sei dabei dem Gesundheitsministerium unterstellt. Einige Universitäten unterrichten Rechtsmedizin und es gebe auch einige saudi-arabische Publikationen.
In Ägypten existiere sei 1890 ein Abteilung für Rechtsmedizin in Kairo und sei 1932 dem Justizministerium zugeordnet worden. Rechtsmedizin werde in Ägypten als forensische und als klinische Pathologie betrieben, wobei letztere eine wichtige Rolle bei der Aufklärung von Kunstfehlern und medizinischem Fehlverhalten spiele. Alle Universitäten unterrichten Rechtsmedizin bis zum Abschlussniveau. Es gebe kaum Daten bzgl. forensischer Praxis in Ägypten, lediglich einige Publikationen zu u.a. Suizid, Kindstod, gewaltsamen Todesfällen lägen vor.
Auch Tunesien kenne eine nach Klinik und Forensik geteilte Rechtsmedizin, die dort seit den 60er Jahren unter der Autorität des Gesundheitsministeriums betrieben werde. Es gebe jedoch keine Daten zu Anzahl und Art der durchgeführten Autopsien.
Qatar, schließlich, habe islamisch geprägte Gesetze und Rechtsmedizin werde dort ausschließlich vom „Hamad General Hospital“ betrieben. Auch hier fehlen Daten zu Anzahl und Art der durchgeführten Autopsien.
In ihrer Schlußbemerkung stellen die Autoren noch einmal die vermuteten Gründe für die ablehnende Haltung vieler Moslems gegenüber Autopsien vor. Demnach seien dies vor allem die Entstellung der Leiche* und die mit der Autopsie verbundene Verzögerung der Bestattung. Sie sprechen sich daher für bessere Aufklärung moslemischer Gesellschaften darüber aus, was wirklich während einer Autopsie passiert und zur Abtragung falscher Vorstellungen.
Als mögliche Alternative sprechen sie noch die Anwendung der nicht-invasisen Virtopsy an, also einer virtuellen Autopsie, die das Aufschneiden und Herausnehmen von Organen ersetzt durch radiologische und bildgebende Verfahren wie Tomographie. Daß dieses Verfahren seine Grenzen hat, ist den Autoren bewußt und erwähnen sie auch. Dennoch empfehlen sie, autopsiewürdige Leichen in islamischen Ländern zunächst mittels Virtopsy zu untersuchen und die echte Autopsie nur in solchen Fällen anzuwenden, in denen die Virtopsy zu keinem Ergebnis kommt.
Wie erwähnt bin ich unzufrieden mit diesem Artikel und finde nicht, daß er in seiner Kürze und Oberflächlichkeit irgendwelche neuen Erkenntnisse oder Einsichten vermitteln kann. Er zeigt aber, wie unterentwickelt Rechtsmedizin und forensische Wissenschaften in arabisch-moslemischen Ländern sind und wie problematisch es ist, wenn religiöse Befindlichkeiten auf die Durchführung von Ermittlungen bei möglichen Tötungsdelikten und damit die Schaffung von Gerechtigkeit einwirken und diese beschränken können.
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*Anm.: eine Obduktion entstellt eine Leiche für gewöhnlich nicht. Selbst die Öffnung des Schädels geht nicht mit einer Zerstörung des Gesichts einher und der Einschnitt in die Kopfhaut verläuft auch nicht über die Stirn. Eine bekleidete Leiche kann nach einer sachgerecht durchgeführten Obduktion so aussehen, als wäre sie nie obduziert worden.
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Referenzen
[1] M Mohammed, MA Kharoshah. Autopsy in Islam and current practice in Arab Muslim countries. Journal of Forensic and Legal Medicine (23) 2014: 80–83
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