Besonders interessant und erforderlich für eine echte transgenerationale Vererbung wären aber Veränderungen, die sich auch noch in der vierten Generation, also nicht nur in den Kindern und Enkeln sondern auch den Urenkeln nachweisen lassen. M. Skinner behauptet, einen solchen Effekt in einem Mausmodell beobachtet zu haben und sieht bereits „einen der größten Paradigmenwechsel in der Wissenschaft in den letzten Jahren“ heraufziehen.
Allerdings gab es Probleme bei der Replikation seiner Daten und eine Arbeit seiner Gruppe mußte wegen Datenfälschung zurückgezogen werden. Viele Wissenschaftler sind und bleiben daher skeptisch hinsichtlich der Vererbung epigenetischer Markierungen auf nachfolgende Generationen. Wir haben jedenfalls bis heute keine gute Idee, wie genau ein solcher Übergang stattfinden könnte, wie z.B. solche Markierungen die große Auslöschung in der Zygote (s.o.) überstehen sollen. Das heißt aber keineswegs, daß es nicht möglich ist und das Forschungsfeld ist und bleibt daher ungeheuer spannend.
Eine andere wichtige Form der epigenetischen Regulation stellt die Histon-Modifikation dar. Histone sind Proteine, die an die DNA binden und eine Organisation und bei Bedarf Verpackung des Erbgutes ermöglichen. Es sind fünf Haupt-Histon-Proteine bekannt H1, H2A, H2B, H3 und H4. Je 2 H2A und H2B bilden mit je 2 H3 und H4 achtfache Proteinkomplexe, um die sich die DNA in ca. zwei großen linksgängigen Windungen legen kann. Das H1 fungiert als eine Art Gerüst für den DNA-Doppelstrang und spielt eine Rolle bei der Transkription. Zusammen mit der DNA bilden die Histone das sogenannte Nukleosom:
Die gesamte DNA ist in regelmäßigen Abständen (beim Menschen ca. 50 – 60 bp) in Nukleosomen organisiert. Diesen Zustand, diesen Komplex aus DNA und Proteinen bezeichnet man als Chromatin. Das Chromatin kann bei Bedarf, z.B. wenn die DNA für die Zellteilung/Mitose verpackt werden muß, extrem stark bis zur höchsten Stufe des Metaphasenchromosoms kondensiert werden:
Die DNA muß aber, wenn sich die Zelle nicht gerade teilt, jederzeit für verschiedene Vorgänge wie Transkription und Replikation zugänglich für die ausführenden Enzyme sein, da unter anderem der Doppelstrang aufgetrennt und die Einzelstränge abgelesen werden müssen. Dieser Zugang kann nun durch die Histonproteine, um die die DNA gewunden ist, modifziert werden: die Enden oder Schwänze der Histonproteine ragen aus den Histonkomplexen heraus und können mit chemischen Modifikationen versehen werden. Das können, ganz ähnlich wie schon für die DNA beschrieben, Methylierungen sein, häufiger aber sind es Acetylierungen (= Anbringen einer Acetylgruppe) und seltener Phosphorylierungen (= Anbringen einer Phosphatgruppe) und noch einige weitere (s. Abbildung).
Die Modifikationen haben, abhängig von der Stelle (= der Aminosäure in der Histonsequenz), an der sie angebracht werden, unterschiedliche Auswirkungen. Acetylierungen etwa können von den Histon-Acetyltransferasen (HAT) nur an Lysin-Aminosäuren angebracht werden. Dort verringern sie die Wechselwirkung des Lysins mit der DNA wodurch letztlich die Chromatinstruktur aufgelockert und die DNA zugänglich für Transkription etc. wird. Histon-Methylierungen hingegen können neben Lysin auch an Arginin angefügt werden und zwar nicht nur einzeln, sondern bis zu drei Stück und können so ganz verschiedene Auwirkungen haben, von der Aktivierung bis zur Stillegung eines Gens.
Eine andere Theorie besagt, daß die Histon-Modifikationen nicht die Wechselwirkung zwischen Histon und DNA beeinflussen, sondern statt dessen als Bindestellen für Proteine dienen, die wiederum die Chromatinstruktur beeinflussen können.
Verschiedene Histon-Modifikationen wirken jedenfalls auf verschiedene Weisen; eine Acetylierung an der einen Stelle hat wahrscheinlich andere Auswirkungen als eine Acetylierung an einer anderen Stelle. Zudem können mehrere Modifikationen zur gleichen Zeit auftreten und dann zusammen wirken und das Verhalten des Nucleosoms verändern. Das noch unbestätigte Konzept, demzufolge mehrere dynamische Histon-Modifikationen die Genexpression auf systematische und reproduzierbare Weise regulieren, z.B. durch „Ablesen“ der Modifikationen durch entsprechende Proteine, wird daher auch als „Histon-Code“ bezeichnet.
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