Joseph von nebenan hat mich auf die Zuspitzung einer bizarren Geschichte aufmerksam gemacht, die darin besteht, daß ein Gericht zur Klärung des im folgenden geschilderten Streits angerufen wurde: Der (beschämenderweise) Biologe, Impfskeptiker, AIDS-Leugner und Allroundspinner S. Lanka hatte ein Preisgeld von 100.000 € für die Person ausgelobt, die ihm die Existenz des Masernvirus beweisen und dessen Durchmesser bestimmen könne. Lanka kokettierte stets damit, daß niemand seine Herausforderung annehme und stellte dies als Beleg für seine These von der Nichtexistenz des Masernvirus dar, bis kürzlich der Mediziner David Bardens, nachdem er sich hatte bestätigen lassen, daß Lanka es auch wirklich ernst meine, die geforderten Beweise in Form etlicher Studien vorlegte und das Preisgeld einforderte. Man ist versucht zu sagen: natürlich erkannte Lanka diese Beweise nicht an und weigerte sich, zu zahlen, so daß Bardens Klage einreichte, die nun heute vom Landgericht Ravensburg verhandelt (und, so hoffe ich, zu Gunsten von Bardens entschieden) wird.
Natürlich ist diese Vorstellung Lankas, der u.a. mit der neuen germansichen Medizin in Verbindung steht, nämlich eine Welt, in der es angeblich keine krankmachenden Viren und Bakterien gibt, in höchstem Maße absurd und spätestens dann sogar gefährlich, wenn auch nur ein Mensch Lankas Aussagen glaubt und daraufhin auf Schutz vor Ansteckung in Form von Kondomen, Impfungen o.ä. verzichtet.
Ich habe selber mit adenoviralen Gentransfer-Vektoren gearbeitet, habe diese ursprünglich humanpathogenen Viren umprogrammiert zu „harmlosen“ Werkzeugen, die therapeutische Gene in Zellen schleusen können und ich habe die Wirkung mit eigenen Augen unter dem Mikroskop beobachtet. Mir persönlich ist deshalb völlig unbegreiflich, wie man als Biologe vor dem Hintergrund von mehr als einem Jahrhundert mikrobiologischer Forschung, Regalkilometern von Publikationen aus der ganzen Welt, Tausenden einschlägiger Patente auf Wirkstoffe und den mit Händen greifbaren Erfolgen des Impfens, welche die Existenz pathogener Mikroorganismen ja voraussetzt, Zweifel an selbiger haben kann. Diese Behauptung ist so lachhaft, ja so tolldreist, daß ich mich gar nicht länger damit aufhalten sondern einfach hoffen will, daß Lanka bald eine gute Therapie erhält.
Dennoch lohnt es sich, einmal zu betrachten, wie man Viren oder Bakterien denn überhaupt nachweisen kann, zumal viele Menschen nicht einmal den Unterschied zwischen diesen beiden Organismenformen kennen: während Bakterien Lebewesen sind, von einer Zellwand umgeben, ausgestattet mit eigenem Erbgut und Stoffwechsel, Möglichkeiten zur Reizwahrnehmung und manche gar mit Organen zur Fortbewegeung und/oder zum Austausch genetischen Materials mit anderen Bakterien, kann man sich bei Viren darüber streiten, ob sie überhaupt Lebewesen sind, da sie einige der klassischen Kriterien für Leben nicht erfüllen. Sie bestehen nur aus etwas Nukleinsäure in einer mehr oder weniger komplexen Proteinhülle, wachsen z.B. nicht und haben auch keinen eigenen Stoffwechsel und sind daher zur Fortpflanzung auf Parasitismus angewiesen: sie kapern eine Wirtszelle, indem sie ihr Erbgut, das aus DNA oder RNA bestehen kann, und häufig auch noch einige Proteine hineinschleusen und dann die Kontrolle über die infizierte Zelle übernehmen. Das Viruserbgut enthält alle Informationen, um sich selbst zu regulieren und Proteine herzustellen, die die befallene Zelle sozusagen zu einer Virenfabrik umzuprogrammieren. Diese stellt dann nur noch neue Virushüllen und –erbgutkopien her, die in der “versklavten” Zelle zusammengesetzt werden, bis sie platzt (dabei stirbt) und Tausende neuer Viren freisetzt, die dann wieder weitere Zellen befallen können. Bakterien hingegen sind keineswegs immer Parasiten und/oder krankheitserregend, können es aber sehr wohl sein, wie Mycoplasmen (Parasiten) oder z.B. Y. pestis (Pesterreger). Klar ist jedenfalls und ohne Zweifel: Sowohl Bakterien als auch Viren können bei Menschen, Tieren und Pflanzen zahlreiche verschiedene Krankheiten verursachen, einige Viren, z.B. T4-Phagen, können sogar Bakterien befallen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Viren und Bakterien nachzuweisen. Die am einfachsten zu verstehende ist: Anschauen! Bakterien und Viren sind durch ein (Elektronen)Mikroskop (z.B. ein TEM) direkt sichtbar und sehen zum Teil sehr interessant aus (hier ein Bild von T4-Phagen).
Auch vom Masernvirus gibt es bereits Bilder und man kann seine Größe von 120-140 nm recht genau angeben. Um ein Bild zu machen, kann man z.B. Zellen in einer Zellkultur infizieren (z.B. mit dem Rachenschleim einer erkrankten Person) und nach etwas Wartezeit die aus den geplatzten Zellen ausgetretenen Viren im Überstand finden. Hier ein Bild eines Masernvirus aus der Familie der Paramyxoviridae:
Es gibt noch etliche weitere Verfahren zum Virusnachweis und Bakteriennachweis, wie Plaque-Assays, Komplementbindungsreaktionen und verschiedene Kulturverfahren, auf die ich hier nicht näher eingehen werde, denn der derzeit beste und sicherste Nachweis aller Viren und Bakterien beruht auf der Detektion ihres Erbgutes mittels PCR. (Das ist bei Menschen nicht anders und der Grund, daß ich als Forensischer Genetiker einen Job habe). Die PCR ist zugleich sehr spezifisch und sehr sensitiv, d.h., wenn man es richtig macht, weist sie nur das nach, was sie nachweisen soll und das auch bei extrem geringen Mengen von Ausgangsmaterial.
Wie die PCR funktioniert, habe ich schon beschrieben: zwei Primer, die aus DNA-Bausteinen bestehen und deren Sequenz spezifisch für einen bestimmten Abschnitt des DNA-Abschnitts, den man anreichern möchte, sind, binden an den Enden dieses Abschnittes, z.B. eines Stücks des Masernvirusgenoms, und dienen als gezielte Startstellen für eine Polymerase, die eine komplementäre Kopie des Abschnitts anfertigt. Da dabei auch die Bindestelle für den jeweils anderen Primer mitkopiert wird, entsteht in jeder PCR-Runde an jeder bereits angefertigten Kopie des Abschnittes wieder eine neue, zusätzlich Bindestelle, so daß ein weiterer Primer binden kann und der Prozess letztlich zu einer exponentiellen Anreicherung genau dieses einen Abschnitts führt. Nach etwa 30 Runden (oder Zyklen) liegen dann genug Kopien des Abschnitts vor, um sie z.B. auf einem Agarosegel oder einem Southern-Blot nachweisen zu können.
Wenn das Erbgut des Virus aus RNA (statt DNA) besteht, wie es beim Masernvirus (aber auch z.B. HIV) der Fall ist, dann muß zuvor noch die RNA in DNA umgewandelt werden, in einem Verfahren, das Reverse Transkription genannt wird und an das dann erst die PCR (RT-PCR) angeschlossen wird. Noch besser funktioniert das mit quantitativer PCR (qPCR), die auch als „Real Time“ (Echtzeit)-PCR bezeichnet wird und ebenfalls mit Reverser Transkription gekoppelt werden kann, denn hier erfolgt der Nachweis in Form eines zunehmenden Fluoreszenzsignals schon während die PCR noch läuft, also in Echtzeit, und sobald die PCR fertig ist, kennt man das Ergebnis.Aus diesem Grund ist die qPCR eine sehr gute Methode für empfindliche Nachweise verschiedenster Viren und Bakterien, z.B. West-Nil-Virus, HIV und seit kurzem sogar HIV-Provirus [1]. Es gibt inzwischen natürlich auch längst solide qPCR-Verfahren, die mit hoher Sensitivität und Spezifität Masernviren in bis zu 100% der untersuchten bestätigten Masernfälle detektieren können [2].
Im Falle von Masern sollte man Proben aus dem Rachen oder Nasenraum von Patienten (oder Verdachtsfällen) entnehmen, aber auch Urinproben können das Virus enthalten und wenn möglich sollte man daher auch diese sammeln und zwar sobald wie möglich, nachdem der typische Masernausschlag auftritt, da der Nachweis 1-3 Tage nach Auftreten des Ausschlags am besten funktioniert. Gesammelte Proben müssen dann unbedingt kühl gehalten werden, da das Masernvirus hitzeempfindlich ist. Das ganze ist übrigens kein Geheimnis: die Protokolle für Standard- und qPCR-Verfahren für den Masernnachweis kann man u.a. durch Anfrage beim CDC erhalten, welches auch eine Sammlung von Masernvirus-Stämmen zu Forschungszwecken unterhält.
Falls Lanka und Konsorten angesichts eines qPCR-Nachweises nun argumentieren, daß für einen solchen Nachweis ja spezifische Primer benötigt würden, die bereits die Kenntnis einer kleinen Sequenz des nachzuweisenden Organismus und damit dessen Existenz voraussetzen und somit, da sie ja dessen Existenz als solche bezweifen, streng genommen nicht zu deren Nachweis verwendet werden können (petitio principii), dann können wir dem entgehen, indem wir auf NGS ausweichen. Dieses Sequenzierungsverfahren kann als „de novo“-Variante voraussetzungsfrei (also ohne spezifische Primer und Kenntnis von Sequenzdaten) betrieben werden. Man könnte also die gesamte DNA aus Rachenschleimproben von Gesunden und Kranken sequenzieren, die Daten vergleichen und prüfen, in welchen Proben sich Sequenzen befinden, die dem Genom des Masernvirus entsprechen. Findet man diese Sequenzen nur bei Erkrankten, müßte Lanka erklären, warum sich nur in Menschen mit Masernsymptomen die Genome von Organismen, die normale Wissenschaftler als Masernviren bezeichnen, vorkommen.
Ach ja, nur für die Akte, ich bin selbstverständlich gegen die Masern geimpft und bleibe bei meiner dringenden Empfehlung: laßt Euch impfen und impft Eure Kinder!
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Referenzen
[1] Jangam SR1, Agarwal AK, Sur K, Kelso DM. A point-of-care PCR test for HIV-1 detection in resource-limited settings. Biosens Bioelectron. 2013 Apr 15;42:69-75
[2] Hummel KB1, Lowe L, Bellini WJ, Rota PA. Development of quantitative gene-specific real-time RT-PCR assays for the detection of measles virus in clinical specimens. J Virol Methods. 2006 Mar;132(1-2):166-73.
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Bildquellen:
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[b] Agarose gel with UV illumination – Ethidium bromide stained DNA glows orange (close-up); School of Natural Resources from Ann Arbor; This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
[c] (c) Zuzanna K. Filutowska, SYBR Green fluorescence chart for five samples, each having three replicates, which is a result of quantitative PCR (qPCR).
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