Normalerweise erfolgt nach der Kollektion die DNA-Extraktion. Wie Louhelainen das gemacht hat, wurde nirgendwo beschrieben, ebensowenig, ob und wie er die DNA quantifiziert hat (vielleicht schreiben sie mal einen Case Report für ein forensisches Journal, da muß es dann stehen). Man hat aber wohl gar nicht erst versucht, genomische DNA zu extrahieren und STR-Profile anzufertigen. Warum, kann ich mir nicht ganz erklären, denn „zu alt“ kann kein Argument sein, schließlich kann man mit NGS (dessen forensische Anwendung angeblich zu Louhelainens Interessen zählt) auch erheblich ältere Urmenschen-DNA noch untersuchen und auch wir haben aus einem (zwar etwas jüngeren, dafür deutlich ungünstiger gelagerten) alten Knochen noch ein DNA-Profil herausbekommen.
Louhelainen hat sich jedenfalls gleich auf die mtDNA konzentriert. Mitochondrien haben ein eigenes, kleines, ringförmiges Genom, von dem sie mehrere Kopien enthalten.
Bei bis zu 1000 Mitochondrien pro Zelle kann eine einzige Zelle also mehrere Tausend Kopien des mt-Genoms enthalten, im Gegensatz zur einzigen Kopie der nukleären DNA im Kern. Das ist für forensische Genetiker sehr interessant, denn erstens ist die Chance groß, selbst in winzigen Spuren noch mtDNA zu finden und zweitens ist das mtGenom ringförmig (ohne offene Enden) und sehr kurz, was es recht stabil macht. In der Tat ist die mtDNA oft noch analysierbar, wenn die normale DNA schon zu zerstört ist, um noch untersucht werden zu können.
Das Problem ist, daß die mtDNA sehr kurz ist (wenig Information) und noch dazu keiner Rekombination unterzogen wird, worauf ja bei den DNA-Profilen auf STR-System-Basis die extreme Seltenheit beruht (kombinatorische Vielfalt). Das mt-Genom wird unverändert von der Mutter an ihre Kinder weitergegeben, es bildet einen sogenannten „Haplotypen“. Wir alle besitzen also mtDNAs, die identisch mit denen unserer Mütter, deren Mütter usw. sind, so daß die mtDNA auch sehr gut zur Nachverfolgung mütterlicher Erblinien dienen kann und genutzt wird. Allerdings werden bei der mtDNA keine STR-Systeme untersucht (die gibt’s da gar nicht), sondern es wird ein bestimmtes Stück, der sogenannte D-Loop, komplett ausgelesen (sequenziert) und dann mit einem Referenzgenom verglichen.
Im Ripper-Fall verglich nun Louhelainen die mtDNA aus den Blutflecken am Schal mit der DNA einer in direkter Linie mit Catherine Eddowes verwandten Frau namens Karen Miller und erhielt in allen untersuchten Proben eine vollständige Übereinstimmung. Dies bedeutet aber nicht, wie in den Berichten vorschnell behauptet wird, daß das Blut wirklich von Eddowes stammte. Man kann lediglich sagen, daß der Mensch, von dem das Blut stammt, dieselbe mtDNA besaß, wie Karen Miller. Da mtDNA-Haplotypen aber deutlich häufiger sind, als STR-Profile, kann es sich dabei also auch um eine (wenngleich nicht sehr wahrscheinliche) zufällige Übereinstimmung handeln.
Mit dem Zellen aus den Spermaspuren verfuhr Louhelainen auf dieselbe Weise. Spermien selbst enthalten in ihren Köpfen keine Mitochondrien aber in den Zellgemischen auf dem Schal fanden sich auch noch Epithelzellen, die vermutlich aus dem Samenleiter mit dem Ejakulat herausgeschleudert worden waren. Auch aus diesen Zellen wurde die mtDNA analysiert. Als Vergleichsmaterial diente die DNA einer Frau, die von der Schwester Kosminskis abstammte, die aber ungenannt bleiben will. Da Kosminski und seine Schwester Matilda von der selben Frau abstammten, müssen sie identische mtDNA gehabt haben, so daß ein Vergleich hier durchaus sinnvoll ist. Die Epithelzellen enthielten jedoch so wenig DNA, daß Louhelainen erst noch ein Verfahren einsetzen mußte, um die DNA zu vermehren, die sogenannte „whole genome amplification“ (WGA), bei der durch zahlreiche PCRs mit Zufallsprimern die meisten Bereiche einer genomischen DNA oder eben mtDNA vervielfältig werden. Die mit WGA angereicherte mtDNA ließ sich dann sequenzieren und mit der von der ungenannten Frau vergleichen: wieder fand sich eine Übereinstimmung. Zudem gehörte die mtDNA aus der Spermaspur zur Haplogruppe T1a1, die häufig bei russisch-jüdischer Ethnizität vorkommt. Das heißt also, analog zur Blutspur, daß die ungenannte Frau und der Mensch, dessen Sperma sich auf dem Schal befindet, dieselbe mtDNA haben, entweder durch einen (unwahrscheinlichen) Zufall, oder weil sie einen gemeinsamen Vorfahren mütterlicherseits haben.
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