Um die Methode relevanter für die Verwendung an realistischen Tatorten, wo immer die Einwirkung möglicher Umwelteinflüsse miteinbezogen werden muss, zu machen, untersuchten die Autoren außerdem die interindividuellen Unterschiede zwischen den Messungen an Blut von verschiedenen Personen, sowie die Einflüsse, die die eingesetzten Antikoagulantien, die Umgebungstemperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Lichteinstrahlung und die Farbe des Spurenträgers, auf dem sich der Blutfleck befindet, auf die Messung hatten. Die Effekte dieser Variablen waren erwartungsgemäß recht unterschiedlich: während die Quelle des Bluts (interindividuelle Unterschiede) keine und das verwendete Antikoagulans kaum eine Rolle zu spielen scheint, hatten Temperatur, Licht und besonders die Luftfeuchtigkeit einen erheblichen Einfluss, dem durch Anpassung der Berechnungsgrundlage Rechnung getragen werden muß.

Die größte Bedeutung kam aber dem Substrat zu: nur Magentawerte aus dem Blut auf hellen Substraten (Filterpapier, helles Leder, weiße Baumwolle) konnten mit der Zeit seit Abgabe korreliert werden, während andere Substrate (Jeansstoff, klares Glas, Graugips) dies verhinderten:

abb3

Einfluss des Substrates; v.o.l.n.u.r: blauer Jeansstoff, klares Glas, helles Leder, Filterpapier, Graugips, weiße Baumwolle
y-Achse: Magenta-Wert; x-Achse: Zeit seit Blutabgabe in Stunden (Tagen)

 

Insgesamt gelang unter Verwendung der Smartphone-Methode die korrekte Altersberechnung bis zu einem Spuralter von 42 Tagen mit einer Fehlerrate von ca. 12%.  Für 40 verblindete Testproben sowie 83% der eigens angefertigten realistischen Tatortspuren, die damit untersucht wurden, konnte das Alter jeweils richtig bestimmt werden. Das ist ziemlich gut!

Die vorliegende Arbeit ist nur eine Pilotstudie, aber sie zeigt damit bereits die generelle Möglichkeit auf, nur mit einfachsten Materialien und einer Smartphonekamera das Alter einer Blutspur zu bestimmen. Die Anwendung der Methode erfordert dabei keinerlei Kenntnisse oder Ausbildung und ist schnell, einfach und unter widrigen Umständen möglich. Das mathematische Modell und damit die Vorhersagegenauigkeit könnte durch umfangreichere Testreihen mit stärker unterteilten Variablen und mehr Proben noch verbessert werden. Die Autoren planen schon, eine App herzustellen und anzubieten, in die alle ihre Daten einfließen können und in der man für eine bestimmte Spur dann noch per Hand Variablen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc. einstellen kann.

Ich finde die Idee großartig und bin sehr angetan von der Kreativität und Gründlichkeit der Studie. Es ist immer toll, wenn es gelingt, mit so geringen Mitteln so gute Ergebnisse zu erzielen und selbst wenn das Smartphone wohl nie eine gründliche Laboranalyse ersetzen wird, kann man mit dieser Technik doch vielleicht schon in naher Zukunft schnell, einfach und günstig zu Ergebnissen kommen, die einer zügigen Ermittlung nach schweren Straftaten direkt ab Tatort sehr entgegen kommen werden.

Wenn diese App dann irgendwann erhältlich ist, kann also jede/r ein kleines bißchen CSI in der Hosentasche mit sich tragen.

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Referenzen

[1] Thanakiatkrai, P., Yaodam, A., & Kitpipit, T. (2013). Age estimation of bloodstains using smartphones and digital image analysis Forensic Science International, 233 (1-3), 288-297 DOI: 10.1016/j.forsciint.2013.09.027

[2] Bremmer, R. H., Nadort, A., Van Leeuwen, T. G., Van Gemert, M. J., & Aalders, M. C. (2011). Age estimation of blood stains by hemoglobin derivative determination using reflectance spectroscopy. Forensic science international, 206(1), 166-171.

[3] Edelman, G. J., Gaston, E., Van Leeuwen, T. G., Cullen, P. J., & Aalders, M. C. G. (2012). Hyperspectral imaging for non-contact analysis of forensic traces. Forensic science international, 223(1), 28-39.

[4] Li, B., Beveridge, P., O’Hare, W. T., & Islam, M. (2013). The age estimation of blood stains up to 30days old using visible wavelength hyperspectral image analysis and linear discriminant analysis. Science & Justice, 53(3), 270-277.

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Kommentare (4)

  1. #1 wereatheist
    31/10/2014

    Wenn diese App dann irgendwann erhältlich ist, kann also jede/r ein kleines bißchen CSI in der Hosentasche mit sich tragen.

    Wenn dann die Styroporbox, die Leuchtstoffröhre und die dazugehörige Stromquelle auch noch in die Hosentasche passen 🙂

  2. #2 wereatheist
    31/10/2014

    Man könnte natürlich per App das einfallende Licht spektral analysieren und dann aus verschiedenen Abständen, die über den Autofocus näherungsweise ermittelbar wären, Fotos vom Fleck machen.

  3. #3 wereatheist
    31/10/2014

    Oder noch einfacher: der Hobby-Forensiker legt einen Papierschnipsel mit wellenlängenunabhängiger Albedo dicht neben den Blutfleck… (passt garantiert in die Hosentasche)

  4. #4 CM
    01/11/2014

    Sehr interessant – bes. der statistische Aspekt und vielleicht lassen sich noch ein paar ggplot2-snippets abstauben (am Montag, wenn ich an das Paper kommen kann …).