Daß es sich bei Homöopathie um bestenfalls nutzlose, schlimmstenfalls gefährliche Esoterik handelt, wurde u.v.a. auch hier immer wieder diskutiert und vorgeführt und darf getrost als Fakt betrachtet werden. In der Forensik hingegen hat man es recht selten mit Homöopathie zu tun: gegen den Tod hat die Homöopathie noch kein Mittel gefunden, Vergiftungen mit reinem Wasser bzw. Milchzuckerkügelchen kommen eher selten vor und um homöopathische Ethanolvergiftungen herbeizuführen, ist das Zeug einfach zu teuer.
Italienische Kollegen haben jetzt aber im Journal of Forensic Science berichtet [1], daß bei Delinquenten, die in Polizeikontrollen durch ein unzulässig hohes Ergebnis bei der Atemalkoholmessung auffielen, unlängst die Ausrede, sie hätten kurz zuvor homöopathische Urtinktur zu therapeutischen Zwecken zu sich genommen, zu größerer Beliebtheit gelangt war. In der Tat bestehen diese Urtinkturen zu unterschiedlich großen Anteilen aus Ethanol und leider wie bizarrerweise werden homöopathische Präparate in diversen europäischen Ländern als Arzneimittel angesehen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich dann auch der Sinn der Ausrede: der positiv auf Alkohol getestete Fahrer habe gar nicht gezecht und dann unverantwortlicherweise noch die Fahrt angetreten, er habe doch nur seinem argen Gebrechen mit der guten homöopathischen Medizin Linderung verschaffen wollen!
Um dieses angebliche Szenario auf seine Plausibilität zu prüfen, ließen Boatto und Kollegen je 10 gesunde Probanden eine Urtinktur mit 35 (Ananas Sativa) bzw. 60 (ValBiaPas) bzw. 90 (Propolis) Vol.Prozent Alkohol gemäß Packungsbeilage einnehmen (50 Tropfen auf 10 ml Wasser). Die Probanden hatten während 3 bzw. 24 Stunden vor Einnahme nicht gegessen bzw. keinen Alkohol getrunken und der Atemalkoholtest vor Einnahme des Präparats ergab bei allen Probanden den Wert 0,0 mg/L.
Das verwendete Gerät zur Messung der Atemalkoholkonzentration (AAK) war ein gerichtlich anerkanntes System der Fa. Dräger (Dräger Evidential). Diese Geräte sind wesentlich aufwendiger und genauer als die tragbaren, handlichen Geräten, die die Polizei bei Kontrollen verwendet und deren Ergebnisse vor Gericht keine Gültigkeit haben. Sie messen die AAK in Milligramm pro Liter Atemluftvolumen. Das Prozedere bei einem solchen Atemalkoholtest sieht vor, daß, wenn die zu testende Person angibt, kurz zuvor beispielsweise eine alkoholhaltige Mundspülung benutzt zu haben, 15 Minuten abgewartet werden muß, bevor der Test erfolgen darf. Außerdem muß bei einem positiven Ergebnis der Test 15 Minuten später noch einmal wiederholt und das Ergebnis bestätitgt werden. So kommt man der Behauptung Beschuldigter bei, man habe vergessen, anzugeben, daß man vorher eine alkoholische Mundspülung verwendet habe: Studien haben gezeigt, daß in Mundhöhle und -schleimhaut verbleibender Restalkohol, z.B. nach Verwendung ebensolcher alkoholischer Mundspülungen, 15 Minuten nach Gebrauch nicht mehr nachweisbar ist. (Der Verzehr der eigenen Unterwäsche, um eventuell vorhandenen Restalkohol aus der Mundhöhle zu absorbieren, darf übrigens als wirkungslos eingeschätzt werden und wird nicht empfohlen.)
Nach der Einnahme des Präparates wurde bei allen Probanden nach 1, 3, 5 und 15 min die AAK gemessen. Die folgende Tabelle fasst die Ergebnisse zusammen.
Die Ergebnisse für die Ananas Sativa Urtinktur waren für alle Probanden und zu allen Zeitpunkten negativ (0,0 mg/L), so daß sie in der Tabelle nicht aufgeführt wurden. Man sieht, daß vereinzelt sogar bis zu 5 min nach Einnahme durchaus noch positive Werte für die AAK gemessen werden können, daß aber der vorgeschriebene zeitliche “Sicherheitsabstand” von 15 min völlig ausreichend ist, um jeglichen Restalkohol aus der Mundhöhle verschwinden und ein korrektes, negatives Ergebnis messen zu lassen. Geschlecht, Größe, Alter, Gewicht und Raucherstatus spielen dabei offenbar keine Rolle.
Fazit: Homöopathische Präparate sind nicht nur therapeutisch wirkungs- und damit medizinisch wertlos: bei korrekt durchgeführtem AAK-Testprozedere kann man sich nicht einmal auf ihre Einnahme berufen, um sich rauszureden, nachdem man besoffen gefahren ist 🙂
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