Als Wissenschaftler fühle ich mich der Wahrheit verpflichtet. Ich unternehme große Anstrengungen, um die Wahrheit zu finden oder mich ihr zumindest so weit wie möglich anzunähern, dabei objektiv zu sein und mich selber vor Mess- aber auch Denkfehlern zu bewahren.
Da ich mich bisweilen in skeptischen Kreisen bewege und auch immer wieder einschlägig dazu geschrieben habe, bin ich (virtuell und persönlich) schon vielen Menschen begegnet, die ein ganz anderes, sagen wir „pragmatischeres“ oder “elastischeres” Verhältnis zur Wahrheit haben und die in meinen und den Augen vieler Mitstreiter unglaublichen Schwachsinn glauben, erzählen, und/oder verkaufen wollen, an den sie nicht den Anspruch der Plausibilität, Nachweisbarkeit oder logischen Konsistenz stellen (lassen wollen). Sie sind dabei jeweils auf einem weiten Spektrum zwischen den Extremen „harmlose, amüsante Spinner“ und „hochgefährliche, einflussreiche Lobbyisten“ einzuordnen. Beispiele für erstere wären friedliche Wünschelrutengänger und Menschen, die glauben mit Baumgeistern sprechen zu können, während in letztere Kategorie etwa politisch einflussreiche Impf- und AIDS-Leugner oder ehrgeizige Scientologen einzuordnen wären. Dazwischen bewegen sich all die anderen, all die Homöopathen, Kreationisten, IDioten, Elfen- und Feengläubige, Druiden, “Klimaskeptiker“, Tarot-Orakel, Astrologen, Geisterheiler, -beschwörer und -jäger, Okkultisten, Anthroposophen, Theologen etc.
Ein anderes Feld, auf dem sich trefflich streiten läßt, ist die Ethik, also im weitesten Sinne die Frage danach, was wir tun, wie wir handeln sollen, um „gut“ oder “fair” zu handeln. Ethische Fragen sind natürlich nicht unverbunden mit Fragen nach der Wahrheit. Religiös motivierte Ethik stützt sich beispielsweise grundsätzlich auf die – entweder wahre oder (sehr wahrscheinlich) falsche -Grundbehauptung, daß es eine Gottheit gibt und diese einen Willen hat, der Menschen bekannt, von ihnen interpretierbar und durch konforme Handlung umsetzbar sein kann, woraus dann alle anderen Handlungsanweisungen abgeleitet werden. Wenn man, wie ich, bereits diese Grundbehauptung ablehnt, ist dann ersteinmal zu diskutieren, warum diese Grundbehauptung als wahr angenommen werden sollte.
Die Fragen danach, was wahr ist und was “gut”, gehören zu den ganz großen philosophischen Fragen, deren mehr oder weniger individuelle Beantwortung für die Orientierung in der Welt und der Gesellschaft unbedingt erforderlich ist. Darüber, was eine gute oder gar richtige Antwort auf diese Fragen ist und warum, wird ohne Unterlass gestritten.
Nach dieser langen Vorrede komme ich zum Kern meiner Überlegung und Anlass dieses Beitrags: auch wenn es mir in erster Linie um die Wahrheit und um die Suche nach einer guten und zugleich moralisch konsistenten Handlungsweise geht, will ich nicht verhehlen, daß es manchmal auch echt Spaß macht, sich mit den „Spinnern“ oder “Fundis” zu streiten, sie argumentativ zu zerlegen, sie lächerlich zu machen und sich im Kreise von Gleichgesinnten über sie zu amüsieren und sich stöhnend an den Kopf zu fassen, wenn man erzählt, welch haarsträubende Argumente der Kreationist/Homöopath/Klimawandelleugner der Woche einem mal wieder vorgetragen hat. Besonders einfache, lohnende Ziele sind dabei prominente “Hassfiguren”, die seit Jahren gleich intellektuellen Pinatas von den meisten Skeptikern, Atheisten, Humanisten o.ä. hingebungsvoll verbal verdroschen werden, sei es ein J.M. Bergoglio, ein Tom Cruise, ein Matthias Rath, ein Andrew Wakefield, ein Christian Anders, ein Johann Grander oder dergleichen. Ich habe ja auch schon anderswo argumentiert, daß solches ostentatives Lächerlichmachen eines Gegners eine gute Taktik sein kann, um am Streit Unbeteiligte von der Unhaltbarkeit einer Position zu überzeugen.
Bei all dem Spaß, den dieses „Bashen“ oder „Haten“ macht, frage ich mich manchmal, ob man dadurch Gefahr läuft, unempfänglich für möglicher- und ausnahmsweise sinnvolle, konstruktive Argumente der Gegenseite zu werden. So mußte ich einigermaßen widerwillig die Tatsache akzeptieren, daß manch einer, der einen anderen hasst, dadurch solches Vergnügen, ja Genuß gewinnt, daß es ihm unmöglich wird, seine Position und sei sie noch so falsch, zu verändern, da er dadurch gezwungen wäre, etwas vom “Hass-Genuß” aufzugeben. Wenn man ersteinmal vollständig davon überzeugt ist, daß eine bestimmte andere Person ein absolutes Riesenar…..ch ist, kann man leicht aus den Augen verlieren, daß man selbst ihr eigentlich die Gunst des Zweifels gewähren müsste. Schnell kann man dann einer kognitiven Verzerrung aufsitzen, wenn man grundsätzlich von der bösartigsten und verdammendsten Auslegung dessen ausgeht, was die Person äußert. Je mehr Beispiele und Instanzen, die diesen Eindruck erhärten, hinzukommen, desto fester wird die Überzeugung und desto weniger geneigt ist man, ggf. bis hin zur Unredlichkeit, über neuerliche Äußerungen der Person noch einmal nachzudenken oder gar zwischen den Zeilen zu lesen. Spätestens also , wenn der Hass hermetisch geworden ist und die Lust am Erhalt des Streits oder des Zerwürfnisses seinen ursprünglichen Anlass, nämlich Argumente auszutauschen, ersetzt hat, ist eine Kommunikation unmöglich geworden.
In Ansätzen beobachte ich das mitunter natürlich auch bei mir selbst und bin dann stets bemüht – trotz des Spaßes, den man zweifellos damit haben kann -, es umgehend abzustellen, da es der Wahrheitsfindung nicht dienlich und zudem eine überaus wenig schmeichelhafte Eigenschaft ist. Sehr gerne würde ich von den LeserInnen erfahren, wie sie das sehen? Kennt Ihr das auch? Wie geht Ihr damit um? Was macht Ihr, wenn Ihr es an anderen bemerkt? Wann brecht Ihr eine Diskussion ab?
Kommentare (37)