Los ging es dann mit einem kontroversen Vortrag über Rolle und Ansehen der Genetik in der heutigen Welt und Gesellschaft, über Sinn und Unsinn der Gendertheorie, der zufolge das Gender überhaupt keine genetische Komponente habe und über das mangelnde Allgemeinwissen über Genetik, das dazu führt, daß viele Leute GVO und „Gene im Essen“ ablehnen.
Es folgten eine ganzen Reihe von Vorträgen zum Thema NGS, darunter auch einer über die „Evolution“ der Technik,
die inzwischen auch die Aufmerksamkeit der Abstammungsgutachter gewonnen hat und alsbald zur Bearbeitung besonders komplexer Fälle eingesetzt werden könnte, wenn es z.B. erforderlich ist, nicht nur die Länge sondern die exakte Sequenz bestimmter STR-Allele zu ermitteln. Genau diese Möglichkeit, also die Sequenz von STR-Allelen erfassen zu können, treibt derzeit eine Abordnung der ISFG um, die sich bemüht, Empfehlungen für eine zwar eindeutige aber noch in der täglichen Arbeit handhabbare Bezeichnung dieser Allele zu finden. Vom Zwischenstand dieser Bemühung handelte ein anderer Vortrag.
Nach der Mittagspause hörten wir die Schilderung einiger vertrackter Fälle aus der Routine. Wie verfährt man z.B., wenn auch die Mutter nicht zum Kind paßt? Man sollte, so die Lösung, grundsätzlich auch die Möglichkeit einer (in Deutschland verbotenen) Fremdeizellspende zur Erklärung in Erwägung ziehen. Aber nicht nur Menschen profitieren von den Möglichkeiten der Abstammungsbegutachtung, wie in einem weiteren Vortrag gezeigt, auch für die Untersuchung der Abstammung teurer Zuchthunde gibt es Methoden. Zum Schluß hörten wir noch etwas zur Berechnung von Abstammungswahrscheinlichkeiten, wenn es zwischen Elter und Kind eine oder mehrere Ausschlußkonstellationen gibt zu deren Erklärung man das Auftreten eines Mutationsereignisses (dessen Häufigkeit man natürlich kennen muß) heranziehen will. Und die Ergebnisse der Abstammungsringversuche der DGAB wurden vorgestellt und diskutiert, dann war Schluß.
Nach diesem ersten Tagungstag lief ich noch ein wenig durch Bielefeld, das gar nicht so schlimm ist, wie die oben schon angedeutete Jux-Verschwörungstheorie, die ihm die schiere Existenz abspricht, anzudeuten scheint. Man könnte es mit viel gutem Willen und Augenzwinkern fast schon für eine richtige kleine Stadt halten 😉 Viel los ist dort trotzdem nicht: so sah die Örtlichkeit für „public viewing“, oder wie es viel schöner auf Deutsch heißt: Rudelgucken, aus, anläßlich des Eröffnungsspiels der EM.
Am Morgen des nächsten Tags ging es weiter und nach einigen Firmenvorträgen zu neuen Produkten und Verfahren gab es noch einen Vortrag, der viel Diskussionbedarf weckte, denn es ging um Kontaminationen in forensischen DNA-Laboren, in denen eigentlich penibelst um nicht zu sagen paranoid auf Sauberkeit und Dekontamination geachtet wird. Eine mögliche Quelle von Kontamination ist demnach schon der Papierumschlag, der bspw. von der Polizei gebracht wird und die eigentlich zu suchenden Asservate enthält und der natürlich mit bloßen Händen gehandhabt wird. Diesen Umschlag muß man nicht einmal auf einem Asservatentisch ablegen, es reicht, ihn darüber zu halten, so daß unsichtbare Hautschuppen sich davon lösen und herunterfallen können. Aber auch auf dem Äußeren der Plastikhüllen, in denen die Abstrichwatteträger, die an Tatorten verwendet werden, um Spuren aufzunehmen, transportiert werden, kann sich die DNA externer Personen befinden und die Gefahr besteht, durch die Handhabung dieser Röhrchen diese DNA in den Analyseprozess einzutragen. Es ist also noch mehr Vorsicht, Umsicht und die Anpassung und stetige Verbesserung der schon bestehenden Maßnahmen geboten, um das Risiko einer Kontamination zu minimieren. Es folgten u.a. noch Vorträge über einen Fall mit einer unwahrscheinlichen Mutation und über die Verwendung der Direkt-PCR, also die PCR-Amplifikation von STR-Bereichen ohne vorherige Extraktion.
Insgesamt eine ganz interessante 12. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung, die naturgemäß nicht das wissenschaftliche Niveau haben kann, wie etwa die ISFG-Tagungen, aber ihren Zweck erfüllt hat, wozu natürlich auch gehört, nette Kollegen zu treffen und sich endgültig von der Existenz Bielefelds zu überzeugen 😉
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