Kürzlich erst habe ich über den Beitrag verschiedener traditioneller Pseudomedizinen zur Ausrottung bedrohter Arten berichtet. In diesem Bericht habe ich auch die Untersuchung von 26 OTC TCM-Präparaten erwähnt und deren nicht selten falsch angegebene, bedenkliche und potentiell gesundheitsgefährdende Zusammensetzung und, im Falle der Bufotenin-Injektion, tödliche Wirkung. Als Reaktion auf den Beitrag erhielt ich eine ganze Reihe von Zuschriften, manche besorgt, manche interessiert, zu der Frage, ob bekannt sei, welche Rolle TCM & Co. in der forensischen Medizin bzw. als mögliche Todesursachen spielen.
Diese Frage wurde schon vor einer Weile von R. Byard untersucht [1] und seine Ergebnisse will ich hier zusammenfassen.
In meinem Artikel schrieb ich, daß die WHO schätzt,
daß 80% der in Entwicklungsländern lebenden Menschen auf Mittel der traditionellen Medizinen zurückgreifen , wodurch also ein gewaltiger Bedarf belegbar und ein entsprechend großer Handel motiviert ist
Aber die Popularität solcher Mittel nimmt auch in den westlichen Industrieländern stetig zu und die Marktgröße in Europa wurde bereits 2003 auf ca. 340 Mio € geschätzt [2]. Hinzu kommt, daß der Zugang zu solchen Produkten meist schlecht bis gar nicht reguliert ist und in vielen Ländern auch gänzlich ohne Verschreibung ermöglicht wird. Um die Gründe für die (häufig heimliche, d.i. dem behandelnden Arzt verschwiegene) Einnahme solcher Produkte trotz verfügbarer echter Medikamente in Industrieländern mit guter Krankenversorgung, etwa das Bedürfnis, die eigene Therapie selbst zu kontrollieren, oder der Irrglaube, diese Produkte seien „natürlich“ und daher harmloser als die industrielle „Chemie“, soll es hier allerdings nicht gehen.
Wir betrachten stattdessen die nicht unerhebliche forensische Relevanz traditioneller Kräuterpräparate (TKP), die sich durch die extrem hohe Exposition bei nicht selten toxischen Inhaltsstoffen und mangelnder Regulation ergibt. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie bedenkliche und sogar gefährliche Inhaltsstoffe in TKPs gelangen können:
Zu den Schwermetallen, die bereits in TKPs, teils in potentiell letalen Konzentrationen, gefunden wurden, zählen Quecksilber, Blei, Thallium, Kadmium, Kupfer, Eisen, Mangan, Nickel, Zink und Arsen [2,3] und es existieren Berichte über durch Blei verursachte Enzephalopathien und akute Quecksilbervergiftungen [4]. Kinder sind wegen ihres geringen Körpergewichts und noch nicht voll ausgeprägter Entgiftungsfähigkeit der Leber stärker gefährdet durch TKPs als Erwachsene: so erlitt in einem Fall ein 5-jähriger, den man mit „Tibetanischen Kräutervitaminen“ mißbehandelt hatte, eine schwere Bleivergiftung, weil er über 5 Jahre hinweg insgesamt 63 g Blei aufgenommen hatte [5]. In einem anderen Fall hatten die Eltern ihrem 5-jährigen Sohn zur Therapie seines Retinoblastoms durch Verabreichung eines indischen TKPs eine Arsenvergiftung beigebracht [6].
Weitere Beispiele umfassen das TCM-Präparat Chan Su, das u.a. gegen Halsweh verabreicht wird, enthält das giftige Sekret verschiedener Kröten (u.a. Bufo melanosticus Schneider), worin sog. Bufadienolide enthalten sind, die das Herzkreislaufsystem stimulieren und potentiell tödliche Nebenwirkungen, wie Arrhythmien und Krampfanfälle haben können [7,8]. Fulminantes Leberversagen, wodurch der Patient transplantationspflichtig wird oder gleich stirbt, wurde verursacht durch „Kava“ (Piper methysticum), „Pennyroyal“ (Mentha pulegium), Jin bu huan und andere Präparate, von denen eines ironischerweise als „ewiges Leben“ bezeichnet wird [9,10].
Der in Skeptikerkreisen wohlbekannte Homöopathie-Kritiker Edzard Ernst faßte die Probleme, die in solchen Fällen auftreten können wie folgt zusammen: „medizinische unqualifizierte Heiler, fehlende Produktstandards, nicht deklarierte Ingredienzen, fehlende Information zur Anwendung und Langzeitverwendung“ [11].
Bei der Herstellung von TKPs kommt es regelmäßig vor, daß eigentlich für das Präparat vorgeschriebene Inhaltsstoffe durch andere ersetzt werden, entweder versehentlich, durch Verwechslung, oder absichtlich, etwa um Kosten zu sparen oder weil eine seltene Ingredienz nicht verfügbar ist. Solche Ersatzsubstanzen können dann unter Umständen anders wirken oder sogar giftig sein, wie in einem Fall aus Belgien, in dem in einem Mittel zum Abnehmen offenbar die Originalkomponente Stephania teranda durch Aristolochia fangchi ersetzt worden war, welche die nierentoxische Aristolochiasäure enthält, die terminales Nierenversagen verursachte. In einem Fall von Verwechslung von Gentiana sepcies mit Podophyllum emodi kam es zu Podophyllin-Vergiftung und Störungen von Leber, Niere und GI-Trakt sowie bleibenden neurologischen Schäden [4].
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