Ein großer Teil der hier besprochenen Analyse befaßt sich daher auch mit der genauen Erklärung der Voraussetzungen, Annahmen und Methoden, die ich hier nicht im Detail rekapitulieren will und bei Interesse a.a.O. nachgelesen werden kann. Ich gebe nur folgende wichtige Eckpunkte wieder:
Die Suche und Auswahl der Studien: die Suche erfolgte durch gezielte Abfragen in verschiedenen relevanten Datenbanken unter Verwendung entsprechender Suchbegriffe sowie durch Einbeziehungen von Arbeiten aus relevanten Fachzeitschriften, die noch nicht in die Datenbanken eingepflegt waren. Studien wurden in die Metaanalyse eingeschlossen, wenn sie den Zusammenhang zwischen Religiosität und Intelligenz auf Ebene von Individuen (also nicht Gruppen) untersuchten und wenn die Effektgröße (Pearsons R) des entdeckten Zusammenhangs angegeben wurde oder sich aus den berichteten Daten ermitteln ließ.
Kodierung: Es wurden die folgenden Attribute aus den verschiedenen Studien neu codiert: Geschlecht, Maß für Intelligenz, Maß für Religiosität, Studienziel, Religion und Ethnie (erfaßt wurden „Protestantisch“, „Katholisch“, „Christlich“, „Jüdisch“ oder „unspezifiziert“, sowie „haupts. kaukasisch“, „kaukasisch“, „afroamerikanisch“, „gemischt/nicht verfügbar), Veröffentlichungsstatus. Außerdem wurde die Art der Stichprobe codiert als „vor dem College“, „College“ und „nicht College“. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, da die Gruppe „College“ eine Einschränkung der Breite der Intelligenzverteilung darstellt und weil in der Gruppe „vor dem College“ der Einfluß der Intelligenz möglicherweise geringer ist.
Bias (Verzerrung): Studien wurden als verzerrt angesehen, wenn ihr methodisches Vorgehen das Verhältnis zwischen Religion und Intelligenz beeinflussen konnte. Dazu können besonders drei Effekte beitragen: die Einschränkung der Breite der Verteilung von Intelligenz oder Religion durch Auswahl einer entsprechenden Stichprobe (z.B. „College“ oder nur besonders religiöse Probanden), ein großes Zeitfenster zwischen den einzelnen Messungen (wenn z.B. die Intelligenz zeitlich lange vor der Religiosität gemessen wurde) und die Einbeziehung „extremer Gruppen“, wenn also sehr intelligente (oder religiöse) mit sehr wenig intelligenten (oder religiösen) Probanden verglichen wurden.
Die Übersicht über die eingschlossenen Studien sind zusammengefaßt in einer sehr umfangreichen und komplexen Tabelle ,die hier eingesehen werden kann: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.
Die Ergebnisse der Metaanalyse: Wie schon aus dem Titel ersichtlich, kommt sie zu dem eindeutigen und statistisch signifikanten Befund, daß Intelligenz und Religiosität negativ miteinander korreliert sind: je intelligenter, desto weniger religiös:
Die Tabelle zeigt die Korrelation zwischen Religiosität und Intelligenz („Unweighted M r“ und „Weighted M r“). Man sieht, daß sie deutlich und hochsignifikant negativ ist. Sowohl unter Berücksichtigung aller Studien, als auch nach Ausschluß von GPA („grade point average“) als Maß für Intelligenz und nach Ausschluß von Studien, die extreme Gruppen betrachtet hatten (k = 53).
Diese Tabelle zeigt die Korrelationen für die drei Gruppen „vor dem College“ (Precollege), „College“ und „Nicht College“ (Non-college). Einbezogen wurden die Studien ohne GPA und exteme Gruppen (k = 53). Man sieht, daß der Effekt für die Gruppe „vor dem College“ zwar noch vorhanden aber deutlich schwächer und in der Gruppe „College“ deutlich stärker und womöglich nach oben verzerrt ist.
In beiden Tabelle wird zudem zwischen zwei mathematischen Modellen unterschieden (Random-Effects– und Fixed-Effects-Model), die aber beide zu vergleichbaren Ergebnissen kamen.
Hier wird die Korrelation zwischen intrinsischer („Beliefs“) und extrinsischer („Behavior“) Religiosität mit Intelligenz zwischen den drei Gruppen verglichen und man erkennt, daß in allen drei Gruppen die Korrelation mit intrinsischer „eigentlicher“ Religiosität wesentlich stärker ist.
Weitere Details zu den Ergebnissen können der Originalarbeit entnommen werden (die ich auf Wunsch per E-Mail versenden kann).
Die Autoren diskutieren dann noch drei mögliche Ansätze für die Erklärung des Befunds, daß höhere Intelligenz niedrigere Religiosität bedingt.
I Atheismus als Nonkonformismus: dieser Ansatz beruht auf einer Einschätzung von Argyle (1958), daß intelligentere Menschen weniger wahrscheinlich konform mit religiöser Orthodoxie gehen. Diese Einschätzung beruht auf zwei Annahmen: 1., daß Atheismus in Gesellschaften mit religiöser Mehrheit als ein Form des Nonkonformismus zu werten ist und 2., daß intelligentere Menschen eher zum Nonkonformismus neigen. Für beide Annahmen gibt es starke Evidenz. Ein Atheist in einer mehrheitlich religiösen Gesellschaft wird demnach nicht nur deshalb zum Nonkonformisten, weil die meisten Leute religiös sind, sondern auch, weil diese Religiosität keineswegs nur im Privaten ausgeübt wird. Dafür ist es dann auch erforderlich, sich dem Eigengruppen-Dogma der Religiösen zu widersetzen. Intelligente Menschen wiederum werden in religiösen Gesellschaften wahrscheinlicher zu Atheisten, weil sie zum Nonkonformismus tendieren. 2007 entdeckten Millet und Dewitte eine positive Korrelation zwischen Intelligenz und selbst wahrgenommener Einzigartigkeit, woraus geschlossen werden mag, daß intelligentere Menschen eher nonkonform sind, weil sie die Fähigkeit besitzen, selbstgenügsam zu sein und selbst in der Isolation auf eigene Ressourcen zurückgreifen zu können. Wenn also intelligentere Menschen weniger zur Konformität neigen, lehnen sie wahrscheinlich auch vorherrschende religiöse Dogmen und Vorstellungen ab.
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