Über traditionelle Medizin Herangehensweisen zur Linderung diverser Gebrechen habe ich mich hier ja schon des öfteren verbreitet und es ging dabei vornehmlich um TCM und deren Wirkung, die weniger in der Heilung Kranker als vor allem in der Bedrohung geschützter Arten und bisweilen erheblicher Toxizität besteht. Die indische Variante traditioneller Quacksalberei, Ayurveda, kam bisher weniger zur Sprache, obgleich auch sie mangelnde Wirkung durch bizarre Ingredienzen, phantastische Auffassungen von Krankheit und Gesundheit und ein gerüttelt Maß giftiger Schadstoffe zu kompensieren sucht.
Ein besonders anschauliches Beispiel ayurvedischen Denkens und Wirkens stellt Panchagavya dar, ein Konkokt, das nach jahrtausendealtem Rezept aus Kuhurin und –dung, Milch, Joghurt und geklärter Butter gebraut wird und dem erhebliche Heilkraft und allerhand andere wundersame Wirkungen etwa als Dünger zugeschrieben werden.
Die sehr überschaubare wissenschaftliche Literatur zur Heilwirkung dieses furchteinflößenden Exkrementen-Smoothies ist in eher obskuren Journals erschienen und zeugt mehr davon, wie wenig Ahnung die Autoren von wissenschaftlichem Arbeiten haben als davon, wie wirksam die Plörre ist.
Dennoch schickt sich nun das indische Wissenschaftsministerium an, diesen Kuh-Kacktail zu legitimieren, indem es ein Komitee gegründet hat, dem der indische Wissenschaftsminister vorsitzt und das die Forschung an und wissenschaftliche Validierung von Panchgavya sowie die “scientific validation of the uniqueness of Indian cows” (Ü: wissenschaftliche Validierung der Einzigartigkeit indischer Kühe) anleiten soll.
Der Hintergrund dieses Ansinnens könnte darin bestehen, daß Indiens nationalistisch-hinduistische Regierung bestrebt ist, sich der wissenschaftlichen Unterstützung des Landes für ihre Ideologie und Weltanschauung zu versichern. Das ist ist natürlich höchst bedenklich und erinnert in Grundzügen an den Lyssenkoismus oder an Schoten wie diese hier, also an Situationen, in denen ideologisch motivierte, statt kritisch-evidenzbasierte Wissenschaft politisch gefördert oder sogar verordnet wird. Diese Entwicklung, die zahlreiche seriöse indische Wissenschaftler z.B. Subhash Lakhotia und Suvrat Raju natürlich höchst problematisch finden, nahm ihren Beginn schon 2014, kurz nachdem die Bharatiya-Partei an die Macht gewählt wurde und der neue Premierminister Modi in einer Adresse an eine Gruppe von Ärzten auf mythologische Überlieferungen verwies, die angeblich die frühe wissenschaftliche Potenz Indiens belegen, etwa Babys, die schon vor Jahrhunderten außerhalb eines menschlichen Körpers empfangen worden seien, oder Ganesha, der indische Gott mit dem Elefantenkopf auf einem Menschenkörper als Beleg für die vorzeitliche Befähigung in plastischer Chirurgie. Modi schrieb auch über Rama, einen anderen Gott (nicht das Streichfett), der ein Flugzeug geflogen habe und behauptete, man habe schon in antiker Zeit über Stammzelltechnologie verfügt. Wahrscheinlich hat er seine Äußerungen mit der Hindi-Version von “muß man wissen” beschlossen 😉
2015 legte diese Regierung dann ein Programm, genannt “Satyam” (Science of Yoga and Meditation) auf und als nächstes soll also die mythologisch ja ohnehin bereits lange bekannte und gerühmte heilende Potenz des allseits beliebten Shit-Shakes bestätigt objektiv untersucht werden. Tja, schade um das Geld, die Zeit und die Opportunitätskosten die für diesen Unsinn aufgewendet werden, ich wüßte da einige Baustellen und zivilistorische Lapsi in Indien, die mehr davon profitieren könnten und meine: Ideologien und Wissenschaft haben nichts miteinander zu schaffen und bullshit bleibt
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