Die Autoren zeigten dann noch, daß die Gabe von Gabapentin die intensivierten Schmerzerscheinungen bei Mäusen mit miR-183-Cluster-Deletion reduzierten. Außerdem, im Bewußtsein, daß übermäßig berührungssensible Mechanorezeptoren eines der Hauptprobleme bei neuropathischem Schmerz sind, aktivierten Peng und Kollegen optogenetisch selektiv solche Neuronen in ihren Mäusen. In den Kontrolltieren erzeugte diese Aktivierung keinen Schmerz, in Neuropathie-Modellmäusen hingegen rief eine leichte Aktivierung bereits deutlich schmerzinduziertes Verhalten hervor, das wiederum durch Gabe von Gabapentin abgeschwächt werden konnte.

Die Studie von Peng et al. liefert so eine sehr detaillierte und spezifische molekulare Analyse von schmerzassoziierten Mechanismen in den HWG und vermittelt neue Erkenntnisse zu regulatorischen Veränderungen bei der Wahrnehmung äußerer Stimuli und deren Veränderungen in Folge von Läsionen peripherer Nerven.

Eine Frage für weiterführende Forschung ist jetzt natürlich, wie wiederum die Expression des miR-183-Clusters reguliert wird und was z.B. dessen Herabregulation in neuropathischen Schmerz-Szenarien bedingt. Darüber hinaus bietet sich die Korrelation der Expressionsniveaus relevanter mRNA-Transkripte in den MRs in HWGs mit genomweiten Polymorphismusanalysen an, wodurch Erkenntnisse zu gewinnen sein könnten, die die Grundlage neuer Behandlungsansätze für weltweit Millionen von chronischem Schmerz Betroffene sein können.

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Referenzen:

[1] Peng, C., Li, L., Zhang, M. D., Gonzales, C. B., Parisien, M., Belfer, I., … & Lallemend, F. (2017). miR-183 cluster scales mechanical pain sensitivity by regulating basal and neuropathic pain genes. Science, 356(6343), 1168-1171.

[2] Abraira, V. E., & Ginty, D. D. (2013). The sensory neurons of touch. Neuron, 79(4), 618-639.

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Kommentare (4)

  1. #1 tomW
    07/10/2017

    Moinsen Cornelius!

    In der Fischereibiologie streiten sich die Wissenschaftler ja schon lange, ob Fische in der Lage sind, Schmerz war zu nehmen. Diejenigen, die den Standpunkt vertreten, die Tiere wären dazu nicht fähig (Prof. Dr. Robert Arlinghaus), argumentieren neuerdings mit den nicht vorhandenen Nozizeptoren.

    Ich stehe dem allerdings skeptisch gegenüber, wäre es doch, wie Du sagst, evolutiv eher von Nachteil.
    Kannst Du vielleicht etwas dazu sagen?

    Danke und viele Grüße

    P.S. Ich finde Dein Blog wirklich großartig, bitte mach weiter so und lass Dich nicht unterkriegen!

  2. #2 Cornelius Courts
    07/10/2017

    @tomW: “Ich stehe dem allerdings skeptisch gegenüber, wäre es doch, wie Du sagst, evolutiv eher von Nachteil.
    Kannst Du vielleicht etwas dazu sagen?”

    Das ist eine sehr komplizierte Frage. Ich kenne mich mit Fischneurologie nicht aus und kann daher über ihr physiologisches Sensorium nicht viel sagen, stimme aber zu, daß es evolutiv sinnvoll wäre, wenn auch sie die Möglichkeit hätten, auf Reize, die in geringer Intensität “unangenehm”, in höhrerer aber gefährlich bis tödlich sind, zu reagieren, z.B. in dem sie sich aus der Umgebung dieses Reizes entfernen und ihn meiden (in wiefern Fische lernfähig sind, weiß ich nicht genau und ist sicher zwischen den Arten verschieden).
    Ob diese Reaktion aber durch einen bewußt wahrgenommenen und als solcher empfundenen Schmerz hervorgerufen wird als vielmehr durch ein “mechanisches” genetisches Programm (so wie diverse Balzrituale bei Fischen ja auch komplett genetisch fixiert sind und durch einen äußeren Reiz ausgelöst werden können), kann ich nicht sagen aber ich bezweifle, daß man das Konzept des menschlichen Leids, das nach meinem Verständnis einen komplexeren Kognitions- und Emotionsapparat erfordert, als Fische ihn haben und durch das Schmerz ja bei den meisten Menschen so negativ konnotiert (wobei Schmerz eben nicht gleich Leid ist), auf Fische übertragen kann.

    “Ich finde Dein Blog wirklich großartig, bitte mach weiter so und lass Dich nicht unterkriegen!”

    Hab vielen Dank, ich versuch’s 🙂

  3. #3 tomW
    07/10/2017

    Danke für die rasche Antwort!

    Nun, das ist die schwierige Frage, ab wann man einem Lebewesen ein Bewusstsein zugesteht.

    Natürlich muss man den Fehler vermeiden, “Tiere zu vermenschlichen”. Aber rational gesehen sind wir doch in gewisser Hinsicht alle Sklaven unserer DNS, oder? Wo setzt man die Grenze, ab der man entscheidet, ob ein Organismus nicht mehr ein genetischer Roboter ist, fest? Wenn man sich seiner “Programmierung” widersetzen kann, keine Kinder zeugt, Suizid begeht o.ä.? Es ist doch ein fließender Übergang.

    Ich habe eine Zeit lang in einer Aquakulturanlage gearbeitet und konnte es, ehrlich gesagt, irgendwann nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, jeden Tag tonnenweise Tiere zu töten. Deswegen die Frage am Dich.

    Danke übrigens für den Denkanstoß, Schmerz und Leid zu unterscheiden!

  4. #4 Cornelius Courts
    07/10/2017

    @tomW: “Nun, das ist die schwierige Frage, ab wann man einem Lebewesen ein Bewusstsein zugesteht.”

    Ich denke, noch viel schwieriger ist die Frage, was genau Bewußtsein eigentlich ist und wie, also anhand welcher Kennzeichen, die nicht auch anders interpretierbar sein könnten (ich denke da an eine künstliche Intelligenz, die eines Tages “behauptet”, sie habe ein Bewußtsein) wir es an anderen Lebewesen als Menschen erkennen könnten.
    Hier noch etwas zum Lesen und Denken:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Hard_problem_of_consciousness