denn tolerante Menschen haben keine Parasiten.
Ok, eine etwas holprige Adaption eines geflügelten Wortes, für die es jetzt aber wissenschaftliche Belege gibt 🙂
In einer aktuellen Studie in Evolutionary Psychological Science [1] untersuchten die Autoren, ob es einen Zusammenhang zwischen der Parasitenprävalenz in einer Gesellschaft und der Anzahl und Art von Metalbands in dieser Gesellschaft gibt. Ihrer Argumentation zugrunde liegt dabei die Parasiten-Stress-Theorie (PST) [2], die besagt, daß durch Pathogene (z.B. Parasiten) ausgelöste Krankheiten einen Selektionsdruck ausüben, der sich in verändertem Sozialverhalten in den betroffenen Populationen niederschlägt. Auch beim Menschen scheinen viele psychologische Phänomene der Pathogenabwehr zu dienen. Eine Implikation davon ist die Existenz von kulturübergreifenden Unterschieden in menschlicher Kognition und Verhalten, bedingt durch die relative Prävalenz von Pathogenen im lokalen Ökosystem.
Die PST wiederum beruht u.a. auf Befunden wie denen von Fincher et al. [3], die sich schon vor 10 Jahren mit den Unterschieden zwischen individualistischen und kollektivisitischen Wertvorstellungen befaßt hatten. Ihre Theorie war, daß spezifische kollektivistische Verhaltensweisen (z.B. Ethnozentrismus, Konformität) die Übertragungsrate von Pathogenen (z.B. Parasiten) vermindern kann. Darauf begründeten sie ihre Hypothese, daß Kollektivismus (im Vergleich zu Individualismus) häufiger Kulturen aus Regionen charakterisiert, die historisch eine höhere Pathogenprävalenz aufwiesen. Auf Grundlage epidemiologischer Daten und von Befunden weltweiter, nationenübergreifender Untersuchungen von Individualismus/Kollektivismus ließ sich bestätigen, daß die regionale Pathogenprävalenz stark positiv bzw. negativ mit den kulturellen Indikatoren des Kollektivismus bzw. Individualismus korreliert ist.
So erklärt sich, daß sich psychologische Mechanismen entwickelt haben, die eine Neigung bedingen, sich von Personen fernzuhalten, die den Anschein erwecken, daß von ihnen ein hohes Risiko für eine Übertragung von Pathogenen ausgeht, in wessen Folge sich interpersonale Vorurteile gegen solche Personen etablieren konnten [4]. Dadurch wiederum wurde die Ausformung sozialer Werte und Einstellungen beeinflußt, z.B. Individualismus, Xenophobie, Geschlechtergleichheit, Religiosität und Demokratisierung. Vor diesem Hintergrund und im Sinne der PST fand man, daß eine (an sich selbst wahrgenommene) Anfälligkeit für Krankheiten ethnozentrische Haltungen und die Eigengruppen-Präferenz bzw. das Meiden / Abstandhalten von Angehörigen von Fremdgruppen fördert. So wurde vor Kurzem auch argumentiert, daß Individuen sehr aufmerksam (man spricht hier von “Vigilanz”) für die physischen, kulturellen und das Verhalten betreffenden Unterschiede von Mitgliedern der Fremdgruppe sind und dazu tendieren, gesunde Fremdgruppenmitglieder wie kranke Eigengruppenmitglieder zu kategorisieren [5].
Die Autoren stellten nun die These auf, daß Exponenten des Heavy Metal, also die Musiker und die Bands, als generische Manifestation der Fremdgruppenheit (das wäre doch auch ein cooler Bandname, oder?) anzusehen seien und daß die Prävalenz von Metalbands in einem Land, die als Indikator für Offenheit gegenüber Nonkonformität und Transgression (i.S. von Überschreiten von Grenzen) sowie Toleranz gegenüber Fremdgruppen und deviantem Verhalten gesehen werden könne, mit ökologischer und biologischer Varianz, hier der Prävalenz infektiöser Krankheiten, assoziert ist. Dafür, daß Metal mit seinen z.T. eher klischeehaften bzw. ihm aus ideologischen Gründen zugeschriebenen Attributen wie gewaltbereitem oder asozialem Verhalten, Irreligiosität, Alkoholabusus, Promiskuität etc. deviant und trangressiv ist, bzw. zumindest so aufgefaßt wird, gibt es inzwischen zahlreiche Belege.
Daraus leiteten die Autoren die Vorhersage ab, daß extreme Musikformen wie Metal und seine Kultur, die eben mit den oben genannten Attributen assoziiert wahrgenommen wird, in Regionen mit höherer Parasitenlast weniger prävalent sein wird und vermuteten zudem, daß diese Korrelation sogar entlang der Achse der “Intensität” der jeweiligen Metalgenres verlaufe, die sie mit Hilfe von “Mohs Scale of Rock and Metal Hardness” [6, ja, das ist eine scherzhafte Anspielung hierauf] klassifiziert haben.
Wie haben sie ihre Hypothese geprüft?
In ihre Untersuchung schlossen sie alle europäischen Länder (auch Türkei und Russland) ein, in denen auch Metalbands existieren (also nicht Andorra, Vatikan etc.) und für die es Daten zur Parasitenlast gibt (also nicht Montenegro), insgesamt waren das 44.
Die Daten, die sie benötigten, um ihre Hypothese zu testen, bezogen sie aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie Publikationen zu Parasitenstress (z.B. [7]), dem Human Development Report (sie ermittelten den HDI als Wohlstandsindikator der untersuchten Länder) und Gallup (z.B. [8]); die Anzahl von Metalbands pro Land ermittelten sie durch Nutzung der Encyclopaedia Metallum [9], aus der sie mittels eines selbsterstellten Skripts insgesamt 19.784 Bands extrahierten, die in ihrer Analyse berücksichtigt wurden. Sie übernahmen von dort auch die Unterteilung in Genres und Subgenres und teilten die Bands mit dieser Information und anhand der “Mohs Scale of Rock and Metal Hardness” [6] und durch Kondensation der dort vorgehaltenen 11 Kategorien in 4 Intensitätskategorien wie folgt ein:
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