Und tatsächlich empfand ich damals eine Art irrsinnig verkehrtes Mitleid und die Pflicht, die Klappe zu halten, für Jahre. Auch in dem Glauben, ich wäre am Ende diejenige, die bestraft würde, wenn ich sprechen würde.”
Damit ist das Höchstmaß an Perversion erreicht: die Opfer dazu zu bringen, das victim blaiming selbst zu übernehmen.
Angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten (mir gehen langsam die Negativsuperlative aus) und weil ich meinem ursprünglichen Artikel in der Sache nichts hinzuzufügen habe, teile ich hier einen (von mir übersetzten) Auszug aus einem Artikel von Sam Harris, den er selbst als Reaktion auf einen Kinderschänderskandal in Irland, zusammengefaßt im Ryan-Bericht, geschrieben hatte und der seine (und meine) Fassungslosigkeit und Empörung kenntlich macht:
Die katholische Kirche hat zwei Jahrtausende damit verbracht, wie keine andere Institution die menschliche Sexualität zu dämonisieren, indem sie völlig normales, gesundes Verhalten reifer und einwilligender Personen zum Tabu erklärt hat. Diese Institutiton spricht sich tatsächlich immer noch gegen Verhütung aus und nimmt billigend in Kauf, daß die ärmsten Menschen der Erde mit den größten Familien und den kürzesten Leben “gesegnet” sind. Durch diese geheiligte und unheilbare Dummheit hat die Kirche so Generationen anständiger Leute zu Scham und Heuchelei verdammt – oder eben zu steinzeitmäßiger Fruchtbarkeit, Armut und zum Tod durch AIDS. Fügt man dieser Unmenschlichkeit noch die Einrichtung des Zölibats in Abgeschiedenheit hinzu, erhält man eine Institution – eine der reichsten der Erde – die vorzugsweise Päderasten, Pädophile und sexuelle Sadisten anzieht, in ihre Reihen aufnimmt und auf Posten mit Autorität installiert, wo sie privilegierten Zugang zu und Zugriff auf Kinder haben. Man führe sich, schließlich, noch vor Augen, daß sehr viele Kinder außerehelich geboren und ihre unverheirateten Mütter, überall dort, wohin der Einfluß der Kirche reicht, diffamiert und stigmatisiert werden; das führt dann dazu, daß Tausende Jungen und Mädchen in kirchlichen Waisenhäusern abgegeben werden, nur um dort von Angehörigen des Klerus vergewaltigt und eingeschüchtert zu werden. Hier, in dieser monströsen Maschinerie, die von den Sturmwinden aus Scham und Sadismus durch die Zeitalter getrieben wird, können wir Sterbliche wahrhaftig erblicken, wie seltsam perfekt doch die Wege des Herrn sind. […]
Hinter diesen Indiskretionen erstreckt sich ein Kontinuum des Mißbrauchs mit dem schieren Bösen am äußersten Ende. Der Skandal in der katholischen Kirche – man kann inzwischen auch einfach sagen der Skandal: Katholische Kirche – umfaßt die systematische Vergewaltigung und Folter von verwaisten und behinderten Kindern. Die Opfer geben an, mit Gürteln gepeitscht und so lange anal vergewaltigt worden zu sein, bis sie bluteten – manchmal von mehreren Tätern gleichzeitig – wonach sie wieder ausgepeitscht und mit dem Tod und ewigem Leid im Höllenfeuer beroht wurden, wenn sie auch nur ein Sterbenswörtchen über ihre Mishandlung verlören. Und ja, viele der Kinder, die verzweifelt oder mutig genug waren, diese Verbrechen anzuzeigen, wurden der Lüge bezichtigt und erneut ihren Peinigern ausgesetzt, die sie abermals folterten und vergewaltigten.
Die verfügbaren Belege weisen darauf hin, daß die Hierarchie der katholischen Kirche auf allen Ebenen bis hoch zum und einschließlich ihres präfrontalen Kortex’, dem jeweils aktuellen Papst, das Elend dieser Kinder ermöglichte und zu verbergen half. In seiner früheren Funktion als Kardinal Ratzinger beaufsichtigte Papst Benedikt persönlich die Reaktionen des Vatikans auf Berichte über sexuellen Mißbrauch in der Kirche. Und was tat dieser weise und mitfühlende Mann, als er erfuhr, daß seine Angestellten Kinder zu Tausenden vergewaltigen? Verständigte er unverzüglich die Polizei und trug Sorge, daß die Opfer vor weiteren Qualen geschützt wurden? Man mag immer noch wagen, sich vorzustellen, daß eine derartige Aufwallung ganz grundlegender Menschlichkeit hätte möglich sein können, sogar innerhalb der Kirche. Doch im Gegenteil: wiederholte und zunehmend verzweifelte Beschwerden über Mißbrauch wurden weggewischt, Zeugen zum Schweigen genötigt oder erpresst, Bischöfe wurden für ihr Trotzen wider die säkularen Autoritäten gelobt und tatschuldige Priester wurden an andere Orte versetzt, wo man sie noch nicht kannte und verdächtigte und wo es frische Leben zu zerstören gab. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, daß der Vatikan seit Jahrzehnten wenn nicht Jahrhunderten die formale Definition einer kriminellen Organisation erfüllt (s. auch Anhang 1, Anm. CC), die sich nicht dem Glücksspiel, der Prostiution, dem Drogenhandel oder anderen läßlichen Sünden verschrieben hat, sondern der sexuellen Versklavung von Kindern.
Voltaire sagte einmal sinngemäß:
Wer dich veranlassen kann, Absurditäten zu glauben, der kann dich auch veranlassen, Gräueltaten zu begehen.
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