Im ersten Teil zum DNA-Transfer hatte ich eine kurze Bestandsaufnahme des Themas gepaart mit einer Kritik des Status Quo versucht. Kurz zusammengefaßt kann man sagen, daß DNA-Transfer sehr kompliziert und komplizierter ist, als viele denken und berücksichtigen und daß das in der bestehenden Forschungsliteratur häufig nicht ausreichend beachtet wird. DNA-Transfer wird aber immer wichtiger und relevanter als Thema vor Gericht und wir brauchen daher dringend Richtlinien für mehr und bessere Forschung, angefangen mit einem Überblick über das, was wir schon wissen.
Hinweis: im folgenden Artikel werden diverse Schritte und Prozeduren der forensischen DNA-Analyse erwähnt bzw. deren Kenntnis vorausgesetzt. Wer diese noch einmal auffrischen möchte, kann das hier tun.
Da wir unsere Kritik aber konstruktiv gestalten wollten, haben wir in unserer Arbeit [1] nicht nur gemeckert, sondern auch Lösungsvorschläge unterbreitet, die unserer Auffassung nach dazu beitragen können, die Lage zu verbessern: bessere (informierte) Studienplanung, bessere (transparente) Berichterstattung, bessere (strengere) Begutachtung von zur Veröffentlichung eingereichten Manuskripten und ein Bekenntnis der Fachzeitschriften zu diesen Ansprüchen, das sich in höheren Auflagen, zum Beispiel der Einhaltung allgemein anerkannter Richtlinien für die Veröffentlichung von DNA-Transfer-Studien manifestiert.
Wie könnte man das erreichen? Indem man Richtlinien formuliert, an die sich dann alle halten :). Gemäß solchen von uns vorgeschlagenen Richtlinien müßten DNA-Transfer-Studien (DTS) zunächst ‘mal viel besser vergleichbar werden. Das Vokabular müßte vereinheitlicht und alle experimentellen Bedingungen, also der Aufbau der Studie müßte immer genau und vollständig beschrieben werden. Im Prinzip hieße das, alle in dieser Tabelle aufgelisteten Variablen zu berücksichtigen und wo nötig zu kommentieren und ja, da bedeutet, daß die Manuskripte dadurch deutlich länger und ggf. auch etwas trockner zu lesen sein würden (bestimmte Details kann man natürlich auch in den Bereich des Supplementary Materials verfrachten). Wünschenswert wäre auch eine Vereinheitlichung der verwendeten Methoden mit möglichst hohem Automatisierungsanteil (z.B. Exktraktionsroboter), um die nicht-transferentielle Variabilität zwischen den Laboren zumindest vergleichbar zu machen, auch wenn das sicher schwierig durchzusetzen wäre.
Eine wichtige Errungenschaft wäre in diesem Zusammenhang übrigens auch die Erfindung von Experimenten oder Standardprozeduren zur Ermittlung bestimmter Variablen, etwa des „shedder status“ (die individuelle Neigung einer Person, durch physischen Kontakt DNA-haltiges Material abzuscheiden), die jedes Labor unter gleichen Bedingungen durchführen kann, um sicherzustellen, daß alle etwa unter „shedder staus“ das gleiche verstehen.
Wenn dann alle Experimente und Untersuchungen durchgeführt sind, müßten die erhaltenen Ergebnisse mit gleicher Sorgfalt und Vollständigkeit berichtet werden und jede DTS müßte Angaben zu folgenden Punkten enthalten:
Ich kann hier, um nicht den Rahmen zu sprengen, nicht auf alle o.g. Punkte eingehen aber es wird, denke ich, ersichtlich, daß sehr viele Details und Einzelheiten zu berücksichtigen sind, darunter, bei der genauen Charakterisierung der Spur auch, ob und wie die zelluläre Zusammensetzung, also die körperliche Herkunft der Spur geprüft wurde, z.B. mittels der forensischen RNA-Analyse. Auf der Ebene des DNA-Profils reicht es mithin auch nicht, nur die Allelwerte anzugeben, sondern es muß eine tiefgehende, auch die Peakmorphologie mit einbeziehende Analyse erfolgen, die auch vorzugsweise probabilistische Berechnungen etwa zur Anzahl der Mitverursacher sowie zu den „Likelihood Ratios“ bestimmter Hypothesen zur Entstehung des betrachteten DNA-Profils umfassen sollte.
Auf Seiten der Gutachter, die von den Fachzeitschriften gebeten werden, zur Publikation eingereichte Manuskripte zu begutachten, wäre zu wünschen, daß diese DTS strenger beurteilen und keine Empfehlung zur Publikation aussprechen, wenn die DTS nicht den oben ausgeführten Qualitätskriterien genügt. Wenn dann noch Fachzeitschriften wie Forensic Science International: Genetics (die wichtigste Zeitschrift für forensische Genetik) die Auflage machen würden, daß für die Publikation von DTS grundsätzlich bestimmte Richtlinien einzuhalten sind (wie es übrigens für die Publikation von populationsgenetischen Studien, in denen neue Frequenzen für STR-Allele in bestimmten Populationen berichtet werden, schon längst der Fall ist) würde das die Qualität der Daten in Zukunft deutlich verbessern.
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