Ende Februar findet jedes Jahr der Spurenworkshop der Spurenkommission der DGRM statt. Ich nahm jetzt schon zum 11. Mal teil.
Der historische und aktuelle Hauptzweck der Spurenworkshops ist dabei immer, die Ergebnisse der beiden jährlichen GEDNAP-Ringversuche für forensisch-molekularbiologische Labore vorzustellen und zu diskutieren. Inzwischen ist die Veranstaltung, die tatsächlich einmal als ganz kleiner Workshop ihren Anfang nahm, aber zu einer großen internationalen Tagung mit Hunderten Teilnehmern und zahlreichen Industrieausstellern geworden, auf der auch immer etliche wissenschaftliche Vorträge präsentiert werden und dieses Jahr hat die Veranstaltung 40. Jubiläum!
Letztes Jahr waren wir in Jena, wo mein Doktorand unser neues anatomisch-realistisches ballistisches Schädelmodell vorgestellt und ich mich zusammen mit meiner (inzwischen) Doktorandin über die Schwierigkeiten und mögliche Lösungen des Problems des DNA-Transfer ausgelassen hatte.
Dieses Jahr ging es nach München ins Holiday Inn Hotel nahe dem Gasteig. Ich war schon am Donnerstag vor Ort, um zwei Fortbildungsveranstaltungen für die Kollegen (mit) zu gestalten und am Freitag begann dann das normale Programm. Einen thematischen Schwerpunkt habe ich diesmal nicht ausmachen können. Wie immer hatten Vorträge zu forensischen Anwendungen von NGS und zu neuen biostatistischen Methoden und Algorithmen ihren Platz.
An dieser Stelle möchte ich mal lobend die Arbeit meines Kollegen Volker Weirich vom LKA in Mecklenburg-Vorpommern erwähnen, der seit vielen Jahren ehrenamtlich und unentgeltlich ungefähr die halbe Community mit seiner biostatistischen Software „Statistefix“ versorgt. Auf dem 40. Spurenworkshop hat er jetzt den großen Schritt gewagt, mit Statistefix 4.0 die erste deutsche und freie vollkontinuierliche, probabilistische Software und eine Möglichkeit zur vollautomatischen, extrem arbeitssparenden Interpretation von Elektropherogrammen vorzustellen. Freue mich schon darauf, es zu testen. Ein tolles Projekt, danke Volker!
Besonders interessant fand ich die Vorstellung einer massenspektrometrischen Methode von K. Barkovits aus der Ruhr-Uni Bochum, die alternativ zur forensischen RNA-Analyse eingesetzt werden kann, um Körperflüssigkeiten anhand ihres Proteoms zu identifizieren. Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, daß das schon recht gut funktioniert und ich werde die weitere Entwicklung dieser Methode mit Interesse verfolgen.
Auch zwei spannende Fallberichte waren dabei. W. Parson aus Innsbruck berichtete über „Caspar Hauser – Reloaded“. Kaspar Hauser, wurde damals vermutet, sei „der 1812 geborene Erbprinz von Baden, den man gegen einen sterbenden Säugling getauscht und beiseitegeschafft habe, um einer Nebenlinie des badischen Fürstenhauses die Thronfolge zu ermöglichen“ (Wikipedia), was aber inzwischen als widerlegt gilt, weil die mitochondriale DNA (mtDNA) aus Blutspuren der Unterwäsche, die Hauser bei seiner Ermordung 1833 getragen haben soll, nicht mit der mtDNA der badischen Linie übereinstimmte. Die Authentizität dieser Proben wurde aber in Frage gestellt und es wurden weitere moleku-largenetische Analysen angestrebt, die dann anhand verschiedener Haarproben durchgeführt wurden, die mutmaßlich von Kaspar Hauser noch zu dessen Lebzeiten und nach seinem Tode gesammelt wurden. Dabei kam heraus, daß die Verwandtschaft mit der badischen Linie nicht ausgeschlossen werden kann. Allerdings waren die Ergebnisse bruchstückhaft, was auf die minimale Menge und die starke Degradierung der mtDNA in den Haaren zurückgeführt wurde, die mit der damaligen Methodik (Sanger-Sequenzierung) analysiert wurde. Die Innsbrucker haben nun die Analysen mittels NGS an neu entnommenen Proben wiederholt und ihre Ergebnisse vorgestellt, wonach sich der Befund bestätigte.
Der zweite Fallbericht, der von U. Schleenbecker vom BKA vorgestellt wurde, zeigte, wie auch die forensische Botanik zur Aufklärung von Morden beitragen kann: in einem länger zurück liegenden Mordfall war es gelungen, ein Eichenblatt aus dem Kofferraum des Tatverdächtigen durch den Aufbau einer eigenen Methode zur STR-basierten Individualzuordnung von Eichen exakt einem bestimmten Baum zuzuordnen, der ganz in der Nähe des Fundorts (bei Venlo) der Leiche stand (und dort immer noch steht), wodurch die Aussage des Tatverdächtigen, der zufolge er nie in Venlo gewesen war, als Lüge entlarvt werden und er verurteilt werden konnte. Diese Methode wurde in einem aktuelleren Fall wieder eingesetzt, um Stieleichenblätter, die 2017 bei einer in einem See bei Ulm treibenden verpackten Leiche eines 18-Jährigen gefunden worden waren, einem bestimmten Baum zuzuordnen. Dies gelang und so konnte der der Verpackungsort der Leiche festgestellt werden. Der Tatverdächtige wurde 2019 zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen gemein-schaftlichen Mordes verurteilt.
Einen Vortrag aus Salzburg zur Identifizierung von stark fäulnisveränderten Leichen, bei dem es um die Vorhersage der zu erwartenden DNA-Profilqualität anhand eines von den Fäulnismerkmalen abgeleiteten Scores ging, fand ich nicht so spannend, denn etwas sehr Ähnliches hatten wir vor 5 Jahren an einem deutlich größeren Kollektiv selber schon gemacht und veröffentlicht [1] #mußmanwissen .
Aber auch meine eigene Abteilung war gut vertreten. Denn erst sprach mein Doktorand, der sich vornehmlich mit molekularer Ballistik befaßt, über die „Korrelation von Schussdistanz, Wundprofil und DNA-Ausbeute aus Spuren von Backspatter aus dem Waffeninneren“ (genaueres folgt hier im Blog) und direkt im Anschluß meine Doktorandin, die sich viel mit DNA-Transfer befaßt hat, über die „Variabilität der Spurenprofilzusammensetzung an Schusswaffen durch DNA-Transfer in realitätsnahen alternativen Handhabungsszenarien“ (genaueres folgt hier im Blog). Vor den beiden berichtete übrigens mein alter Kollege C. Schyma, wie schwierig es ist, neben der DNA, die sich mit den richtigen Methoden zuverlässig und rückstandsfrei aus dem Waffeninneren entfernen läßt, auch die RNA dort herauszubekommen. Eine Methode, die zwar funktioniert, ist offenbar so aggressiv, daß die Waffen, an denen er es probiert hatte nun „reif für den Hochofen“ sind. Gut zu wissen, bevor wir wieder selber Schußversuche machen, bei denen auch die RNA untersucht wird.
Das Konferenz-Abendessen fand diesmal übrigens im Paulaner am Nockherberg statt, wo neben reichlich bayrischen Biers „zünftige“ bayrisches „Schmankerln“ gereicht, ein Bierfaß von einem Laien „o’zapft“ und hernach, wie üblich, zum Tanz aufgespielt wurde. Wer immer schon einmal einen Haufen forensische GenetikerInnen in Tracht und Dirndl hat sehen wollen, hätte dort die ideale Gelegenheit gehabt 😉
Samstag „in der Früh“ ging es weiter mit den Vorträgen und pünktlich um 11 gab es die unvermeidliche Weißwurst
Und nach der Tagung hatte ich noch Gelegenheit, in München spazieren zu gehen und nicht nur kurz an einer Stelle, wo mal ein Haus stand, in dem Mozart seinen Idomeneo komponiert hat, zu verweilen,
sondern auch, um bei bestem Wetter noch den ein oder anderen Anblick zu genießen.
So endete eine schöne und interessante aber für mich recht anstrengende Jubiläums-Tagung, die wie immer viel Gelegenheit bot, Neues zu lernen, Bekanntes zu vertiefen und neue Ideen zum Ausprobieren zu entwickeln. Außerdem habe ich natürlich wieder viele nette Menschen, bekannte und neue, getroffen, was mich stets besonders freut. Nächstes Jahr geht es – angeblich – nach Bielefeld (d.h. „sie“ haben jetzt noch ein Jahr Zeit, es zu bauen ;)). Wir werden sehen…
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[1] Courts, C., Sauer, E., Hofmann, Y., Madea, B., & Schyma, C. (2015). Assessment of STR typing success rate in soft tissues from putrefied bodies based on a quantitative grading system for putrefaction. Journal of forensic sciences, 60(4), 1016-1021.
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