Die Proben aus den spermaverdächtigen Antragungen wurden zunächst für eine mikroskopische Analyse aufbereitet. Unter dem Mikroskop wurden einzelne Zellen, die noch einen intakten Kern zu haben schienen, ausfindig gemacht und mittels LCM einzeln aus den Präparaten herausgeschnitten. Um die Chance für eine erfolgreiche genetische Analyse zu erhöhen, wurde dann die DNA der Einzelzellen mittels WGA (Repli-g, Qiagen) angereichert, der Erfolg der Anreicherung überprüft und dann erst erfolgte auch für diese Proben die Sequenzierung der mtDNA wie oben beschrieben.

Eine sehr interessante zusätzliche Analyse, die in diesem Artikel neu beschrieben wird, ist eine selbstgemachte FDP-Untersuchung, in die insgesamt 11 SNPs (z.B. in den Genen OCA2, MC1R und TUBB3) sowie ein SNP im Amelogenin-Locus zur Geschlechtsbestimmung einbezogen wurden. Louhelainen versprach sich davon offenbar einen Hinweis auf das Aussehen (Haut-, Augen- und Haarfarbe) des Täters bzw. des Spurenlegers. Die Konfiguration der FDP-SNPs wurde mittels quantitativer PCR (auch: Real Time PCR) abgefragt, leider sind die Primer-Sequenzen nicht aufgeführt, so daß man die Qualität der Primer nicht nachprüfen kann. Die Konfiguration des Amelogenin-SNP wurde stattdessen durch hochauflösende Schmelzkurvenanalyse ermittelt, hier waren auch die Primersequenzen angegeben.

Und wie sahen nun genau die Ergebnisse der mtDNA-Analyse aus? Zunächst einmal gab es Anzeichen, daß die alte DNA vom Schal schon stark degradiert, also fragmentiert war, was daran zu erkennen war, daß kaum eines der sequenzierten Fragmente länger als 100 bp war. Dennoch konnten die Sequenzen ausgewertet und mit der Referenzsequenz (RS) aligniert werden (zur Erklärung siehe hier). Aus, wie der Autor sagt, Datenschutzgründen, weil ja auch lebende Personen in die Analyse einbezogen waren, könne er aber nicht die uncodierten Daten der mtDNA-Sequenzierung preisgeben, stattdessen wird eine graphische Darstellung dieser Daten angeboten:

jedes Feld repräsentiert einen Teil der RS, eine Einfärbung stellt eine Abweichung von der RS dar. In blau: Opfer-DNA (oben) und Vergleichs-DNA der lebenden Verwandten von C. Eddowes (unten); in rot: lebende Verwandte von A. Kaminski (oben) und Sperma-DNA vom Schal (unten); in grün: Muster des Schaleigentümers, in grau: Muster des Laborpersonals; aus [1]

Man sieht sofort, daß Kontaminationen von Eigentümer und Laborpersonal in den Original-DNA-Proben ausgeschlossen sind, sowie daß die Opfer-DNA tatsächlich zu derjenigen der Verwandten von C. Eddowes paßt, was auf eine gemeinsame mütterliche Erblinie hindeuten kann. Zwischen Sperma-DNA und der Verwandten von Kominski hingegen gibt es Abweichungen an zwei Positionen, da die entsprechende Position laut Autor bei der Sperma-DNA nicht mit ausreichender Sicherheit bestimmt werden konnte. Eigentlich, wie Louhelainen auch selbst einräumt, ist eine Abweichung von der RS gem. den Vorgaben der SWGDAM in mehr als einer Position als Ausschluß einer gemeinsamen Herkunft zweier Proben zu werten. Es ist zwar nicht ganz klar, ob es wirklich zwei Sequenzunterschiede zwischen Sperma-DNA und Kominski-Erblinie gab oder ob wegen mangelnder Sequenzqualität das Ergebnis nicht sicher ist. Dennoch sollte hier eigentlich konservativerweise und vorbehaltlich weiterer Untersuchungen ein Ausschluß angenommen werden.

Diesmal sind auch die aus der EMPOP-Datenbank abgefragten Frequenzen der ermittelten mtDNA-Haplotypen angegeben: 0,019 für den Sperma-DNA-Haplotypen und 0,0013 für den Opfer-DNA-Haplotypen. Beides nicht besonders selten, ersteren weisen 1,9 %, letzteren 0,13 % der europäischen Population auf. Daß beide gleichzeitig zufällig zusammen auftreten, habe, so der Autor, eine Wahrscheinlichkeit von 0,00025. Wenn man allerdings annimmt, daß das Blut wirklich von Eddowes stammt, dann kommen als Urheber der Spermaspur wieder knapp 2% aller Männer in Frage.

Bleiben noch die SNP-Untersuchungen: die selbstgebastelte FDP-Analyse, deren Validierung leider nicht beschrieben zu sein scheint, ergab, daß der Urheber der Sperma-Spur braune Augen und braune Haare gehabt haben soll, über die Hautfarbe, die ja angeblich mitgetestet worden sei, gibt es jedoch keine Auskunft. Der Amelogenin-SNP deutete überdies auf männliches Geschlecht hin. Ein braunhaariger, braunäugiger Mann entspreche auch einer der ganz wenigen aktenkundigen Täterbeschreibungen von Zeugen, so Louhelainen.

flattr this!

1 / 2 / 3 / 4

Kommentare (5)

  1. #1 Kieler
    Kiel
    03/05/2020

    sehr interessant.
    Ziemlich viel Information, aber durch die Links gut nachvollziehbar, danke.

  2. #2 noch'n Flo
    Schoggiland
    03/05/2020

    Heisst der Mann nun Kosminski oder Kaminski?

    • #3 Cornelius Courts
      05/05/2020

      Kosminski natürlich, steht doch da 😉

  3. #4 Jolly
    05/05/2020

    Urheber der Sperma-Spur braune Augen und braune Haare gehabt haben soll, […]. Der Amelogenin-SNP deutete überdies auf männliches Geschlecht hin

    Die Untersuchung hat also ergeben, dass das Sperma von einem Mann stammt. Für mich wenig überraschend.

    PS. Wenig Kommentare hier, andere Threads laufen über.

  4. #5 Cornelius Courts
    24/09/2024

    es gibt einen kurzen Nachtrag zum oben besprochenen Artikel. Die Fachzeitschrift distanziert sich nun davon.