Endlich mal gute Nachrichten: offenbar hat die Empörungswelle über die Schließung der Abteilung für forensische Genetik in der Rechtsmedizin der Charité und der dadurch ausgelöste politische Druck dazu geführt, daß die Schließung der Abteilung erst einmal ausgesetzt wurde. Im Tagesspiegel heißt es dazu:

Der Charité-Vorstand sprach mit allen Beteiligten, ein Sprecher teilte nun auf Anfrage mit, die Hochschulklinik habe die Schließung der DNA-Abteilung nun ausgesetzt und führe Gespräche mit der Senatsinnenverwaltung „über die mögliche weitere Zusammenarbeit“.

Über diese Entwicklung freue ich mich sehr und ich hoffe auch, daß das bewährte Team um Lutz Roewer wieder seinen Dienst antreten kann und will. Natürlich muß eine dauerhafte Lösung gefunden werden, z.B. wie vom Linkenpolitiker Sebastian Schlüsselburg vorgeschlagen die Direktvergabe von Aufträgen durch das LKA an die Charité ermöglichen und dafür im Zweifel die nötigen gesetzlichen Ausnahmen schaffen. Wenn das oder ähnliches nicht gelingt und somit den Bestand der forensischen Genetik an der Charité dauerhaft sichert, wird es doch so kommen, wie der Kollege Reinhard Szibor unlängst schrieb: dann können sich

Täter aus dem Bereich der Schwerstkriminalität […] sich auf Freisprüche freuen, weil das lückenlose und unanfechtbare System der Beweisführung zusammenbricht. Unklar ist, ob die riesigen Mengen von Asservaten und Daten, die im Institut vorhanden sind, rechtssicher in andere Speicher überführt werden können. Viele davon werden noch zur Aufklärung nicht abgeschlossener und künftig anfallender Fälle gebraucht.

Wenn das passiert, dann hat, so Szibor,

hier der Staat den Anspruch verspielt, sich als Rechtsstaat bezeichnen zu dürfen. Das ist nämlich der Fall, wenn er aus niederen Beweggründen (Sparen um jeden Preis) nicht alle Möglichkeiten der Verbrechensaufklärung nutzt und somit perspektivisch eine Verbrechensprophylaxe auf Kosten der Opfer, die überwiegend Frauen und Kinder sind, vernachlässigt. (Hervorhebung von CC)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Kommentare (15)

  1. #1 Primergy
    Berlin, Abgeordnetenhaus
    21/04/2021

    aus niederen Beweggründen (Sparen um jeden Preis)

    Diese Aussage ist maximal unfair. Das Problem war, dass ein privater Laborbetreiber gegen die Verträge, die zwischen Charite und dem LKA bestanden, vergaberechtlich geklagt hatte. Gerichte (!) haben dem privaten recht gegeben. Die Folge dieser Urteile war, dass das LKA in Zukunft Aufträge zur forensischen Untersuchung immer an die privaten hätte geben müssen, weil die günstiger sind. Die Berliner Regierung drängt die Unis und damit auf die Charité seit Jahren, gute bzw. bessere Bedingungen in der Wissenschaft zu schaffen und bezahlt dies auch. Durch die besseren Löhne/Bedingungen wäre die Charité in einem regulären Verfahren teurer gewesen als die privaten, die dann dann aufgrund der Vergaberichtlinien den Vorzug bekommen hätten. Niedere Beweggründe sehe ich hier nicht.

    Ob das Vergaberecht mit seiner Bevorzugung des günstigsten Preises an sich immer so sinnvoll ist, ist eine andere Frage, aber machte man es anders, würde einem der Rechnungshof aufs Dach steigen.

  2. #2 Cornelius Courts
    21/04/2021

    @Primergy: “dass das LKA in Zukunft Aufträge zur forensischen Untersuchung immer an die privaten hätte geben müssen, weil die günstiger sind.”

    Eben. Günstiger. Nicht besser. Das wichtigste Kriterium für die Vergabe ist also der Preis, nicht die Qualität. Und das ist in diesem Fall ein niederer Beweggrund.

    “Durch die besseren Löhne/Bedingungen”

    man darf noch hinzufügen: weil dort gelehrt und geforscht wird, wovon, einschließlich der Vorhaltung der YHRD-Datenbank, auch die Privaten profitieren, ohne einen Cent zu zahlen.

    “wäre die Charité in einem regulären Verfahren teurer gewesen als die privaten,”

    und wahrscheinlich auch besser. Was ja bei Untersuchungen, die u.a. zu lebenslangen Haftstrafen oder berechtigten Freisprüchen (bei Bedrohung durch erstere) beitragen können, eventuell anzustreben wäre.

    ” aufgrund der Vergaberichtlinien den Vorzug”

    Genau. Und diese Richtlinien sind offenbar mit Verlaub besch…eiden. Sie zu ändern ist möglich und Aufgabe der Politik. Daß man es erst soweit wie hier geschehen kommen lassen mußte, ist leider typisch für Deutschland.

  3. #3 Dr. Webbaer
    21/04/2021

    Hab auch an anderer Stelle gelesen, dass die ins Auge gefasste Schliessung als Minusleistung verstanden bzw. kommentiert wird, da gab es einige Zeitungsartikel, insofern sehr schön diese Aussetzung erst mal!

    MFG
    WB

  4. #4 RPGNo1
    21/04/2021

    Ich nehme für mich erstmal mit, dass öffentlicher begründeter Protest (Wink an die Leerdenker) und energisches Engagement doch zu etwas nütze ist und ein Umdenken einleiten kann.

  5. #5 zimtspinne
    21/04/2021

    @ Cornelius

    Ist das nur eine Vermutung, Fehlurteile werden durch euch vermieden oder gibt es solche Fälle tatsächlich?
    Kann das überhaupt eingeschätzt werden?

    Ich hatte dir in dem anderen Artikel auch noch was längeres dazu getextet, ich meine auch eine Frage gestellt, du hast aber leider nicht mehr geantwortet (es nicht gesehen).

  6. #6 schorsch
    21/04/2021

    Ich find’s gut, dass hier auch mal die ‘Achse des Guten’ zitiert wird. Wer sonst ausser Reinhard Szibor traut sich in Deutschland denn heutzutage sonst noch so offen zu sagen, dass es hauptsächlich die Genderforschung ist, derentwegen naturwissenschaftliche Institute kaputtgespart werden und derentwegen einst hochgerühmte deutsche Hochschulen im internationalen Ranking sogar hinter ######### und China abrutschen!
    ________

    Anm. CC: rassistischer Begriff von mir gelöscht

    • #7 Cornelius Courts
      22/04/2021

      Erste und letzte Warnung: ich dulde hier keine rassistischen Kommentare und Begriffe. Beim nächsten Kommentar/Begriff dieser Art erfolgt die sofortige Löschung und Sperrung!

  7. #8 noch'n Flo
    Schoggiland
    21/04/2021

    @ schorsch:

    Negerländer

    Dafuq?!?

    Ich glaube, hier hat gerade jemand seine Bewerbung für die erste Sperre seit laaanger, laaanger Zeit abgegeben.

    @ CC:

    Was meinst Du?

  8. #9 schorsch
    21/04/2021

    Hast du dir H. Szibors Artikel durchgelesen, Flo? Er hat’s vielleicht etwas anders formuliert – aber genau das gemeint, was ich geschrieben habe?

    Sperre dafür, dass man Rassismus kenntlich macht?

  9. #10 rolak
    21/04/2021

    Eine Geschichte aus jenen Tagen, als das Daumendrücken (ok·ok·ok, und das Gegen­argu­men­tieren) noch geholfen hat.

    Alles Gute!

  10. #11 Christian Mai
    Bonn
    22/04/2021

    “§ 97 Grundsätze der Vergabe

    […]

    (3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.”
    https://www.buzer.de/s1.htm?g=GWB&a=97 [22.4.2021]

    Das ist schon lange so im Vergaberecht, wird aber von den Verwaltungen allgemein eher nicht beachtet.

  11. #12 Cornelius Courts
    22/04/2021

    @Christian Mai: “Das ist schon lange so im Vergaberecht, wird aber von den Verwaltungen allgemein eher nicht beachtet.”

    Ja, den Eindruck gewinnt man. Ggf. könnte man mal DAgegen klagen.

  12. #13 RPGNo1
    22/04/2021

    @Christian Mai

    Der zitierte Paragraph spricht in diesem Fall eindeutig pro forensische Genetik Charite. Sie produziert bessere Qualität und ist innovativer als der private Wettbewerber, Stichwort Forschung. Der soziale Aspekt wird durch die besseren Löhne der Mitarbeiter gedeckt.

  13. #14 Cornelius Courts
    22/04/2021

    @zimtspinne: “Ist das nur eine Vermutung, Fehlurteile werden durch euch vermieden oder gibt es solche Fälle tatsächlich?”

    Naja, der DNA-Beweis ist ein extrem wichtiges Beweismittel in vielen Strafprozessen. Er darf nicht als einziges Mittel genutzt werden (Urteil des BGH), ist aber doch oft entscheidend. Deshalb ist die Qualität des untersuchenden Labors aber auch die Zeit und Sorgfalt (!) die es auf die Untersuchung von Spuren verwendet, so entscheidend.
    Bei uns z.B. stehen bis zu drei Wissenschaftler/Sachverständige im Labor, wenn wir uns eine Spur z.B. aus einem Tötungsdelikt oder Sexualdelikt ansehen. Wir nehmen uns bisweilen Stunden Zeit, um das Material genau zu studieren, abzuleuchten, die richtige Strategie zur Asservierung (Abreiben, Ausschneiden, Abkleben, komplett verwenden), für Vortests und zur Extraktion und ggf. DNA/RNA-Ko-Analyse zu wählen. Ob das kosteneffizient ist? Weiß ich nicht, womöglich nicht, interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht und darf in solchen Fällen meiner Meinung nach keine Rolle spielen. Wer sagt den Hinterbliebenen eines Mordopfers oder der Überlebenden nach einer Vergewaltigung ins Gesicht: wir haben nach 10 min aufgehört nach Spuren zu suchen – das rechnet sich ja alles nicht, sorry!
    Wenn man allerdings in einer riesigen Unternehmenslaborfabrik arbeitet, wo an allererster Stelle Rendite und maximaler Umsatz rangieren, überlegt man sich wahrsch., wieviele Wissenschaftlerarbeitsstunden für irgendeine anonyme Spur aus einem anderen Bundesland verwendet werden sollten, bis man sagt: “nix gefunden” bzw. “Spur nicht auswertbar”

    “Kann das überhaupt eingeschätzt werden?”

    Es gibt haufenweise Beispiele, wo Menschen fälschlich zu lebenslanger Haft oder sogar zum Tod verurteilt wurden, weil z.B. kein DNA-Beweis vorlag und sich im Nachhinein das Urteil als falsch herausstellte. Das ist der ganze SInn und Zweck von z.B. dem Innocence-Project: https://innocenceproject.org/

    Genau daran sehen wir auch, wie wichtig es ist, nicht auf menschliche Zeugenaussagen angewiesen zu sein. Über 70% der falschen Verurteilungen, die durch das Projekt korrigiert wurden, waren aufgrund von Zeugenaussagen erfolgt. Menschen sind besch…eidene Zeugen , Zellen und Nukleinsäuren sind viel viel besser!

  14. #15 Dr. Webbaer
    23/04/2021

    Sinn macht wie oben vorgenommene Übung nicht, sie ist aber wohl zwingend mittlerweile vorgegeben, bundesdeutsch.