Es ist zehn Jahre her und war bereits in den Gründerzeiten dieses Blogs, daß ich meine Position zur Abtreibung erklärt habe, nämlich daß aus meiner Sicht (an der sich nichts geändert hat)
ethische Bedenken gegen eine Abtreibung erst dann sinnvoll [sind], wenn sich ein Bewußtsein entwickelt hat,
da wir so sicher wie möglich gehen sollten, daß der Abbruch beim Embryo bzw. Fötus keinen Schmerz und damit kein Leid verursacht. Somit ist der Zeitraum von 3 Monaten nach Empfängnis, in dem in halbwegs zivilisierten und Frauenrechte achtenden Ländern Abtreibungen legal bzw. straffrei durchgeführt werden können, gut und sehr vorsichtig gewählt.
Deutschland zählt zwar zu diesen Ländern, doch beschämender- und religiös motiviertem Betreiben zuzuschreibenderweise findet sich der Abtreibungsparagraph noch immer im Strafrecht, gleich neben den Tötungsdelikten wie Mord und Totschlag. Damit ist Abtreibung eine Straftat im Ruch eines Tötungsdelikts, das unter bestimmten Voraussetzungen eben bloß nicht bestraft wird. Daß das (und auch das gerade erst nach einem Eklat angepasste „Werbeverbot“ nach §219a) schändlich, beleidigend und belastend für Betroffene, rückständig und dringend reformbedürftig ist, liegt auf der Hand und das wird inzwischen auch vehement eingefordert, z.B. am jährlichen International Safe Abortion Day.
Aber wenigstens ist es in Deutschland noch möglich, straffrei eine sichere Abtreibung durch einen Arzt vornehmen zu lassen und es gibt es auch soweit ich weiß keine ernstzunehmenden politischen Bestrebungen, das zu ändern, nicht mal in der rechten Ecke (CDU/AfD) scheint das anzustreben. Ich hoffe ferner, daß wir mit dem ersten konfessionsfreien und keine religiöse Formel bei der Vereidigung gesprochen habenden Bundeskanzler auch zukünftig gegen als Politik getarnten religiösen Fanatismus gefeit sind. Leider gibt es besorgniserregenderweise vielerorts und auf der Welt wieder erstarkende Tendenzen zur Regression ins Mittelalter, zum Sturmlauf auf Grundrechte und zur Abwicklung von Frauenrechten und zwar nicht nur in katholisch dominierten Ländern wie etwa Peru oder Paraguay, wo nicht einmal nach einer Vergewaltigung eine Abtreibung erlaubt ist, oder Polen (was wollen/sollen die nochmal in der EU?), sondern auch wieder/immer noch in den USA, wo es durch Einführung neuer gesetzlicher Regelungen religiösen Fundamentalisten in einigen Bundesstaaten gelungen ist, Abtreibungen praktisch fast unmöglich zu machen. Die Folgen vorenthaltener Abtreibungen und unerwünschter Elternschaft werden indes durch viele Studien belegt und umfassen häufig Angststörungen, Gewalt in der Partnerschaft, Hindernisse bei Ausbildung und dem Erreichen beruflicher Ziele sowie ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Komplikationen bis hin zum Tod.
Wie schlimm diese Regelungen sind, möchte ich kurz anhand des sog. „Heartbeat bill“ („Herzschlag-Gesetz“) des Texas Senate illustrieren, das auf die „National Association of Christian Lawmakers“ (muß man noch mehr wissen?) zurückzuführen ist: Dieses verbietet Abtreibung nach 5-6 Wochen nach Einsetzen der letzten Menstruation, lange vor der eigenständigen Lebensfähigkeit und oft bevor die Frau überhaupt weiß, daß sie schwanger ist. Und zwar auch nach Vergewaltigung und auch bei Gefährdung des Lebens der Frau. Durch dieses Gesetz sind somit ca. 80% der zuvor legalen Abtreibungen verboten. Besonders verwerflich, pervers geradezu ist, daß Bürger aufgerufen sind, an Abtreibungen beteiligte Personen anzuschwärzen: Jeder Privatbürger in Texas kann Anzeige erstatten gegen jeden, der Abtreibungen, die gegen dieses Gesetz verstoßen würden, durchführt, dabei unterstützt oder diese ermöglicht und erhält auch noch 10.000 $ für jede auf diese Weise verhinderte Abtreibung! Ok…. ich warte kurz, bis alle den Mund wieder zugeklappt und die hochgekommende Kotze runtergeschluckt haben… Und auch Mississippi hat ein neues Gesetz erlassen, das Abtreibung bereits nach der 15. Schwangerschaftswoche verbietet.
In den USA hat dieser Wahnsinn allerdings Methode, denn solche Gesetze wie in Texas oder Mississippi wurden von konservativen Republikanern natürlich absichtlich so streng formuliert, daß sie notwendig mit einer Art Grundrecht auf Abtreibung kollidieren, das in den USA aus einer Entscheidung des SCOTUS aus dem Jahr 1973 abgeleitet wird: „Roe v. Wade“. Man erwartet, daß die neuen Gesetze von „Pro-Choice“-Vertretern vor eben jenem SCOTUS angefochten werden und daß dieser, der von Trump in seiner Amtszeit mit gleich drei neuen erzkonservativen und ausdrücklich gegen das Recht auf Abtreibung eingestellten Richtern besetzt wurde (,was übrigens der Grund war, daß Fundamentalchristen und Evangelikale ihn gewählt haben), daraufhin das Urteil zu Roe v. Wade revidieren oder doch so stark abwandeln wird, daß es kaum noch effektiv Verbote von Abtreibung abwehren kann.
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