Die RNA-Analyseprozedur beruhte auf der Methode von Lindenbergh et al. [2], die jedoch noch etwas angepasst worden war. Die Methode ermöglicht es, aus einer RNA-Präparation gezielt in cDNA umgeschriebene, spezifische mRNA-Äquivalente für die Körperflüssigkeiten Blut, Speichel, Sperma, Vaginalsekret, Menstrualblut und Nasensekret zu detektieren (wenn sie denn vorhanden sind). Die folgende Tabelle zeigt, wieviele RNA-Transkripte welcher Gene für die einzelnen Körperflüssigkeiten hierfür betrachtet werden:
Und hier ist beispielhaft das Ergebnis der Analyse eines Abriebs vom rechten Mittelfinger des Verdächtigen:
Man sieht, neben sporadischen und damit inkonklusiven Ergebnissen für andere Körperflüssigkeiten wie Blut und Samenflüssigkeit, einen durchgängigen Nachweis zweier vaginalschleimhautspezifischer Marker in allen vier von vier Replikaten. Dies ist als positiver Befund zu werten, dem Finger haftete also Vaginalsekret an, das man aufgrund der DNA-Befunde dem Opfer zuordnen konnte. Somit konnte die Spur in ihren Enstehenskontext eingeordnet werden, der, wie das Opfer beschrieben hatte, darin bestand, daß der Verdächtige mit dem Finger vaginal in sie eingedrungen war.
Fazit: Durch eine schnelle Reaktion des Opfers und der Polizei, verbunden mit einer rasch erfolgten Spurensicherung, sowie der Rechtsmedizin konnte in diesem Fall ein umfangreiches, mehrdimensionales Spurenbild gesichert werden, anhand dessen sich die Tat und die davon umfassten Einzelstraftaten (schwere Körperverletzung, sexuelle Mißhandlung, orale Vergewaltigung) evidenzbasiert rekonstruieren ließen. Die Bearbeitung des Falles profitierte dabei natürlich erheblich von der transdiziplinären Vernetzung in der Rechtsmedizin (das Opfer wurde von Rechtsmedizinern untersucht, die von ihm sowie vom Verdächtigen und dessen Kleidung genommenen Proben analysierten die forensischen Molekularbiologen), die einer ihrer charakteristischen Vorteile ist.
Außerdem ist der Fall ein anschauliches und durchaus typisches Beispiel für den Nutzen und die Bedeutung von über die Standard-DNA-Analyse hinausweisende, kontextualisierende Untersuchungsformen wie die forensische RNA-Analyse. Hier wären zwar auch die DNA-Befunde allein schon sehr belastend für den Verdächtigen gewesen, es begegnen uns aber regelmäßig Fallkonstellationen, in denen für eine vollständige Tathergangsrekonstruktion die RNA-Analyse unabdingbar ist.
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Referenzen:
[1] Neis, M., Siegel, S., Banaschak, S., & Schneider, P. M. (2021). Schwere sexualisierte Gewalt–Aufklärung eines Falls durch Kombination aus DNA-und mRNA-Analyse. Rechtsmedizin, 1-6.
[2] Lindenbergh, A., de Pagter, M., Ramdayal, G., Visser, M., Zubakov, D., Kayser, M., & Sijen, T. (2012). A multiplex (m) RNA-profiling system for the forensic identification of body fluids and contact traces. Forensic Science International: Genetics, 6(5), 565-577.
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