Durch umfangreiche Studien mit vielen Probanden unterschiedlicher Lebensalter hat man herausgefunden, bei welchen CpG-Stellen im Genom der Methylierungsgrad mit dem Alter auf welche Weise korreliert:
Grundsätzlich kann man sagen, daß die Methode gut funktioniert und eine halbwegs robuste forensische Altersschätzung ermöglicht. Die typische Genauigkeit liegt hier bei +/- 3-5 Jahren und die Streuung ändert sich mit dem vorhergesagten Altersbereich. Bestimmt wird hier meist zur Beschreibung des Fehlerbereichs die „mean absolute deviation“ (MAD) oder der „mean absolute error“ (MAE) des geschätzten Alters. Die Methode eignet sich daher nicht, um das exakte Alter einer Person, z.B. bei der Frage, ob jemand noch 17 und minderjährig oder schon 18 ist, zu bestimmen, ist aber für die forensische Charakterisierung tatbeteiligter Personen dennoch sehr interessant.
Auch die mathematischen Methoden und Modelle, die verwendet werden, um aus den gemessenen Methylierungsdaten Schätzwerte für das Alter abzuleiten, sind zu vielfältig und zu kompliziert, als daß ich sie hier erklären könnte (bei einigen könnte ich es auch fachlich nicht, um ehrlich zu sein), aber wen es interessiert, möge gerne selber recherchieren zu multivariaten linearen und quadratischen Regressionsmodellen (MLRM bzw. MQRM), Support Vector Regressionsmodellen (SVRM), zu Maschinenlernalgorithmen wie Random Forest Regression (RFR; ich habe dazu mal laienhaft beschrieben, wie das in etwa funktioniert) und Generalisierten Regressions Neuronalen Netzwerken (GRNN).
In der Praxis funktioniert es dann so, daß wir z.B. aus einer getrockneten Blutprobe von einem Tatort, deren Urheber sich trotz zuvor bestimmten DNA-Profils nicht ermitteln läßt, das Alter und bei Bedarf die Ausprägungen äußerer Merkmale bestimmen und diese Information kann die Polizei dann in ihre Ermittlungsarbeit einfließen lassen.
Übrigens ist die Methylierungsanalyse nicht die einzige (aber im Moment eben die beste) Möglichkeit zur molekularen forensischen Altersschätzung: ich bin derzeit Kooperationspartner eines EU-geförderten Projekts namens “RNAgE” bei dem es um die Schätzung des Lebensalters anhand der Analyse differentiell exprimierter RNAs (#forensische RNA Analyse) geht. Im Moment sind wir noch mitten in der Datenauswertung, aber später werde ich hier im Blog sicher über die Ergebnisse des Projekts berichten.
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Referenzen:
[1] Fleckhaus J, Schneider PM. Novel multiplex strategy for DNA methylation-based age prediction from small amounts of DNA via Pyrosequencing. Forensic Sci Int Genet. 2020 Jan;44:102189. doi: 10.1016/j.fsigen.2019.102189
[2] Holländer, O., Schwender, K., Böhme, P. et al. Forensische DNA-Methylierungsanalyse. Erster, technischer Ringversuch der Arbeitsgruppe „Molekulare Altersschätzung“ der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin; Rechtsmedizin 31, 192–201 (2021). https://doi.org/10.1007/s00194-021-00492-7
[3] Naue, J., Pfeifer, M., Augustin, C., Becker, J., Fleckhaus, J., Grabmüller, M., … & Böhme, P. (2021). Forensische DNA-Methylierungsanalyse. Zweiter, technischer Ringversuch der Arbeitsgruppe „Molekulare Altersschätzung“ der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin; Rechtsmedizin, 31(3), 202-216.
[4] Lee HY, Jung SE, Oh YN, Choi A, Yang WI, Shin KJ. Epigenetic age signatures in the forensically relevant body fluid of semen: a preliminary study. Forensic Sci Int Genet. 2015 Nov;19:28-34. doi: 10.1016/j.fsigen.2015.05.014.
[5] Freire-Aradas, A., Phillips, C., & Lareu, M. V. (2017). Forensic individual age estimation with DNA: from initial approaches to methylation tests. Forensic science review, 29(2).
[6] Maulani, C., Auerkari, E.I. Age estimation using DNA methylation technique in forensics: a systematic review. Egypt J Forensic Sci 10, 38 (2020).
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