Wir haben kürzlich von der DFG die extrem erfreuliche Nachricht bekommen, daß der Antrag mit dem Titel „Grundlegung zur Rationalisierung der Erforschung des forensischen Nukleinsäure-Transfers“ (und ja, beim Titel hatte ich mir ein bißchen Inspiration geholt ;)), den wir letztes Jahr eingereicht hatten, zur Förderung angenommen wurde!

Wer selber schon einmal einen solchen Antrag ausgebrütet, geschrieben, eingereicht und monatelang auf eine Entscheidung gewartet hat, weiß, wieviel Arbeit das ist und wie großartig man sich nach einer solchen positiven Nachricht fühlt – da gibt es dann auch schonmal eine Runde Jubel und (alkoholfreier Kinder-)Sektkorkenknallen  :-)))

Im Herbst dieses Jahres werden wir mit der Bearbeitung des Projekts beginnen, das auf drei Jahre ausgelegt ist; wir, das sind nicht nur meine Mitarbeiterin Annica und ich, sondern auch eine neue Doktorandin, die sich hauptamtlich dieses Projekts annehmen wird und eine Gruppe von von mir sehr geschätzten und handverlesenen Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen der forensischen Genetik, d.h. aus anderen universitären Abteilungen (an Instituten für Rechtsmedizin) aus Deutschland und der Schweiz, zwei Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt und einem Privatlabor.

Und worum geht es nun in dem Projekt? Und was ist überhaupt „Nukleinsäuretransfer“?  Zu DNA-Transfer habe ich ja vor einiger Zeit schon einen Zweiteiler geschrieben (der gerne zum besseren Verständnis des Folgenden noch einmal nachgelesen werden mag). Für den Antrag habe ich aber  das Wort „Nukleinsäure“ verwendet, weil neben DNA- ausdrücklich auch der Transfer von RNA (ebenfalls eine Nukleinsäure) im Projekt betrachtet werden soll: die forensische Analyse von RNA ist ja, wie Stammleser wissen werden, seit vielen Jahren mein Forschungsschwerpunkt, zum Transfer von RNA im Kontext von Spurenentstehung ist im Gegensatz zu DNA jedoch noch sehr wenig bekannt.

Und warum Rationalisierung?  In unserem Artikel von 2019 [1], mit dem (übersetzten und bewußt etwas provokanten) Titel „Zum DNA-Transfer: der Mangel an und die Schwierigkeit von systematischer Forschung und wie man es besser machen könnte“    (, der bis heute übrigens schon >60 mal zitiert wurde,) hatten Annica und ich gewissermaßen beklagt, daß die zu DNA-Transfer verfügbaren Forschungsarbeiten sehr unsystematisch, häufig schlecht miteinander vergleichbar und zudem von sehr unterschiedlicher Qualität sind. Wenn wir eine Chance haben wollen, in der Zukunft Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Spurenbildern unter Einbeziehung von Nukleinsäure-Transfer durchführen zu können (, was ja immer wichtiger wird), brauchen wir eine Möglichkeit, Daten systematischer und standardisiert zu erzeugen zu erfassen, zu kuratieren und hinsichtlich ihrer Qualität zu prüfen, mit anderen Worten:  wir müssen die Forschung in diesem Bereich rationalisieren. Unser Projekt soll dieses Ziel verfolgen.

Und Grundlegung? Uns war schon zu Beginn des Antragschreibens völlig klar, daß wir dieses riesige Thema, das von weltweitem Interesse und rasant wachsender Relevanz ist, nicht innert 3 Jahren abschließend würden bearbeiten können. Wir wollten aber auch nicht bloß noch ein weiteres Projekt zur Aufklärung spezifischer Transfer-Mechanismen durchführen (das haben wir ja auch schon mal gemacht [2]). Ziel sollte stattdessen sein, eine Grundlage zu schaffen, um eine wie oben beschriebene standardisierte Datensammlung (sowohl für DNA als auch für RNA) überhaupt erst einmal zu ermöglichen, dann zu beginnen (zusammen mit unseren Kooperationspartnern) und parallel im ganzen Feld um Kenntnisnahme und Mitwirkung dabei zu werben, weil nur durch die Mitwirkung vieler, am besten aller Gruppen, die an diesem Thema arbeiten und forschen, die Chance besteht, eine Datensammlung hinreichender Größe und Qualität zu schaffen, auf die dann auch alle frei zugreifen können.

Also, drückt uns die Daumen, daß alles klappt und das Projekt ein Erfolg wird! Es könnte wirklich helfen, die Objektivität juristischer Beurteilungen und damit die Rechtssicherheit zu verbessern und davon würden viele Menschen profitieren! Im Herbst geht es los und ich halte Euch hier auf dem Laufenden!

_________

Referenzen:

[1] Gosch, A., & Courts, C. (2019). On DNA transfer: the lack and difficulty of systematic research and how to do it better. Forensic Science International: Genetics, 40, 24-36.

[2] Gosch, A., Euteneuer, J., Preuß-Wössner, J., & Courts, C. (2020). DNA transfer to firearms in alternative realistic handling scenarios. Forensic science international: genetics, 48, 102355.

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Kommentare (18)

  1. #1 rolak
    05/05/2023

    ^^gar nicht so einfach, mit gedrückten Daumen zu tippen… Viel Erfolg dabei, den sehr spezifischen Eigenauftrag per (zumindest nach der hier zu lesenden Beschreibung) eindeutigstem Titel adäquat mit schönen Ergebnissen zu füllen!

  2. #2 hto
    Holographische Konfusion
    05/05/2023

    C.C.: “Also, drückt uns die Daumen, daß alles klappt und das Projekt ein Erfolg wird! Es könnte wirklich helfen, die Objektivität juristischer Beurteilungen und damit die Rechtssicherheit zu verbessern und davon würden viele Menschen profitieren!”

    OBJEKTIV, durch den Krieg/Aggression gegen Russland, China und …, brauchen wir eine neue Weltordnung OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik von “gesundem” Konkurrenzdenken, wo ALLE Menschen, wirklich-wahrhaftig befreit, in einem globalen Gemeinschaftseigentum, vor allem in der dann UNKORRUMPIERBAREN Sicherheit des nicht nur organisatorisch ganzheitlichen Wesens Mensch, das Leben OHNE “Wer soll das bezahlen?” und heuchlerisch-verlogene/dümmliche “Ökonomie” von unternehmerischen Abwägungen zu “Arbeit macht frei” erfahren, sozusagen in geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein gestalten können. Wer dann noch kriminell/asozial ist, der kann nur krankhaft gestört sein, so wie es derzeit überall auf unserem Planeten mal wieder symptomatisch / systemrational stumpf-, blöd- und wahnsinnig eskaliert.

  3. #3 RPGNo1
    05/05/2023

    Immer wieder erheiternd, auch im Urlaub. Die B*llshitkommentare von hto.

  4. #4 hto
    05/05/2023

    @RPGNo1
    Ich kann Dich und Dein Unverständnis ja verstehen, deshalb: Genieße den Urlaub, vielleicht ist es der letzte, die Wahrscheinlichkeit ist hoch.

  5. #5 Kollege
    08/05/2023

    Mann, herzlichen Glückwunsch!
    Da habt Ihr echt die Chance, was zu bewegen, ich drücke alle Daumen!
    Es gab da doch auch eine EU-Ausschreibung zu, oder? Zumindest sowas ähnliches…
    Wäre das nichts gewesen?

  6. #6 Cornelius Courts
    08/05/2023

    @RPGNo1: “Die B*llshitkommentare von hto.”

    Ja. Und langsam nervig, weil immer schwachsinnig und OT.
    Werde die demnächst wahrscheinlich mal weghauen, wenn das so weitergeht. Hat der Dude schon mal irgendwo irgendwas vernünftiges beigetragen?

  7. #7 Cornelius Courts
    08/05/2023

    @Kollege: “Es gab da doch auch eine EU-Ausschreibung zu, oder? Zumindest sowas ähnliches…
    Wäre das nichts gewesen?”

    Doch, die gab es. Du meinst den HORIZON-CL3-2022-FCT-01. Da ist auch etwas zu Transfer drin, aber der Call ist so schlecht formuliert und da haben soviele Köche dran rumgemurkst, daß das viel zu unscharf ist und VOR ALLEM ist die Beantragung von EU-Mitteln ein derartiger administrativer Alptraum und so zeit- und arbeitsaufwendig, daß es sich in Anbetracht der geringen Förderwahrscheinlichkeit schlicht nicht lohnt. Wir haben uns damit beschäftigt und irgendwann die Reißleine gezogen.
    So, wie es jetzt ist, mit eigenen Mitteln von der DFG und einem extrem fokussierten Programm, das wirklich nur forensische Molekularbiologie betrifft, ist es mir viel lieber!

  8. #8 RPGNo1
    08/05/2023

    @CC

    Ich wüsste nicht, dass der Sofakommunist hto schon mal was vernünftiges auf SB beigetragen hätte. Da er bei Joseph nicht mehr genügend Aufmerksamkeit erhält, probiert er es jetzt über deinen Blog.

  9. #9 hto
    08/05/2023

    @C.C. Und RPGNo1
    Na immerhin “schwachsinnig”, nicht stumpf-, blöd- und/oder wahnsinnig 😉
    Aber eben weil mir dieser Schwachsinn angesichts der Zuspitzungen nun wirklich zu sinnlos wird, stelle ich meine Kommentare eh komplett ein – Was ihr so vernünftig nennt … 🙁

  10. #10 Dr. Webbaer
    09/05/2023

    *Daumendrück*

    Ischt aber problematisch – wenn derartige Herausforderung / Problematik in gute Händen bleibt, von Dr. Webbaer klar unterstützt.

    Dr. W ohnehin ein wenig fasziniert sein, von sog. forensischer Arbeit, vielleicht auch Looky hier machen :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Forensik#Geschichte

    Sherlock Holmes, Matlock und so.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  11. #12 zimtspinne
    09/05/2023

    Hm, mir war das nicht so wirklich bekannt und diesen Artikel aus 2017 hatte ich auch nicht nicht gesehen.
    Werde ich wohl zukünftig mit ganz anderen Augen sehen, den Sherlock, bzw mit ganz anderen Ohren hören.
    Bisher mache ich noch einen Bogen um Krimis und sowas in Hörspielform. Taugt das denn was, im Vergleich zu Lesen?

  12. #13 zimtspinne
    09/05/2023

    oh, und natürlich Gratulation zur Förderung!

    Kommst du eigentlich überhaupt noch dazu, Sport zu machen @Cornelius?

    Warum mir das jetzt grad einfällt….
    just diese Woche sah ich zwei Jungs zusammen beim Training und musste umgehend an Tobi und dich denken.
    Ganz in schwarz waren sie gekleidet, einer mit sehr dunkler Tarnhose (schick), der andere trug das Haar zu einem Zwirbel, wie du das auf frühen Fotos öfter mal hattest. Auch so vom Typ und Habitus her ähnlich…
    Ausschlaggebend war aber, der Zwirbelhaarmann trug ein T-shirt mit der Aufschrift “Metal is Religion” auf dem Rücken mit einem Andromedanebel unterlegt.
    Was kleines stand auch noch drunter, konnte ich aber nicht entziffern aus der Ferne.
    Die beiden unkten auch fast die ganze Zeit herum (Männer können sowas tatsächlich beim Training gut integrieren, während Frauen öfter alles um sich vergessen beim Schwätzen und nicht merken, wie sie alles blockieren)

    An Tobi denke ich ja auch manchmal spontan, zB jedesmal, wenn ich “Cyberknife” höre oder lese.

  13. #15 Cornelius Courts
    11/05/2023

    @zimtspinne: “Kommst du eigentlich überhaupt noch dazu, Sport zu machen @Cornelius?”

    ja, das kriege ich noch hin (brauch ich auch wirklich zum Ausgleich) und die Zeit nehme ich mir dann auch. Mache u.a. gerade das hier:
    https://www.instagram.com/tv/CZto2eAlaDv/?igshid=NTc4MTIwNjQ2YQ%3D%3D

    “umgehend an Tobi und dich denken.”

    ach jaa… der Tobi :’-(
    muß auch immer mal wieder an ihn denken…
    was trainierst Du denn eigentlich? Auch Kampfsport?

    “der Zwirbelhaarmann trug ein T-shirt mit der Aufschrift “Metal is Religion” auf dem Rücken”

    daran war zu erkennen, daß ich es nicht war ;D ich mag Metal viel zu sehr, um das mit sowas unappetitlichem wie Religion in Verbindung zu bringen 😉

  14. #16 Dr. Webbaer
    11/05/2023

    Jaja, lieber Herr Cornelius Courts, Arthur Conan Doyle war seiner Zeit voraus und bspw. hier : ‘Ein Klient ist für mich lediglich eine Einheit, ein Faktor in einem Problem. Emotionen stehen rationalem Denken antagonistisch gegenüber.’ war er “Sherlock Holmes” sprechen lassend, sehr sachnah, sich sehr an guter Sacharbeit interessiert zeigend.
    Ein kleiner Wunsch vielleicht noch : Berichten Sie vielleicht häufiger noch über Ihre kleinen Arbeiten, die dann an Ihrem Institut vorgenommen, bei der Aufklärung von Kriminalfällen geholfen haben.
    Weil Sie auch sprachlich stets in guter Form zu sein scheinen, müsste dies doch nicht so-o viel Arbeit bedeuten ?!
    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der als Jungbär “Sherlock Holmes”-Romane gelesen hat)

  15. #17 Dr. Webbaer
    15/05/2023

    Randbemerkung :
    Das sog. Gottesurteil ist lange Zeit, mittelalterlich und im christlichen Europa zur Urteilsfindung heran gezogen worden.
    Wenn die der Richterschaft vorliegende Situation sozusagen hinreichend unklar blieb.
    Dies von der bekannten Online-Enzyklopädie, Dr. W widerspricht hier nicht, als ‘praktische Anwendung einer Divination im Zuge eines Rechtsstreits’ bezeichnet, womöglich nicht : ohne Humor.
    Es ist sozusagen der Rechtssprechung oder “Rechtssprechung” (dann metaphorisch gemeint), eine Zufallskomponente hinzu gefügt worden, was was diesseitiger Sicht nicht unclever ist, aber sicherlich aus heutiger aufklärerischer Sicht ablehnenswert.
    Dennoch ist die Idee mit dem Zufall zu arbeiten auf anderen Feldern der Betätigung, selbst zeitgenössische AI nutzt sog. Monte Carlo-Methoden, nicht verkehrt, außer im Sittlichen und wie gemeint Juristischen.

  16. #18 Dr. Webbaer
    19/05/2023

    PD :
    Wobei Richter auch auf Grund von Wahrscheinlichkeiten, die ihnen Fachleute (manchmal) vorrechnen könnten, sofern sie nicht selbst so bei der sog. Wahrheitsfindung probabilistisch (das Fachwort an dieser Stelle) vorgehen, gar gewohnheitsgemäß, entscheiden.

    Ischt schwierig.

    Insbesondere in Zivilprozessen [1], in denen die werte Richterschaft sozusagen gewohnheitsgemäß den gesunden Menschenverstand zu Rate zieht.
    Was so-o (“Aussage gegen Aussage”, die werte Richterschaft bzw. die werte Jury “schmeißt” sich auf eine Seite, womöglich auch allgemein (antizipierten) sozialem Interesse folgend [2]) nicht enden muss bis aus sollte, abär, aus Sicht von Webbaeren eingeladen erscheint.

    Beweislastumkehr scheint ihm zunehmend “eingeladen” zu sein.
    Dr. Webbaer muss auch hier besser werden.


    [1]
    Dr. W hier, äh, “Opfer”, wie “Täter” gewesen sein.
    [2]
    Extra-Gag am Rande : ‘Ein neues New Yorker Gesetz hatte zuletzt die Erweiterung um den Vorwurf der – durch eine Vergewaltigung verursachten – Körperverletzung möglich gemacht.’