Kann das alles Zufall sein? Angeblich nicht und es kommt noch viel schlimmer. Im in der Verschwörungstheoretikerszene populären Blog des wegen Volksverhetzung verurteilten Ernst Köwing kann man noch viel wildere Dinge lesen: “CERN – Das Dimensionstor soll im September hochgefahren werden” (WebCite). Da kann man lesen:
“Im September soll CERN erstmals seit seiner Existenz auf volle Hochleistung gefahren werden. Was soll damit bezweckt werden? Der Versuch dunkle Materie zu erzeugen und Phänomene wie Raum-Zeit-Brüche zu erzeugen sind wohl nur die Oberfläche des ganzen. Es handelt sich bei dem ganzen Ausmass wohl um eine von den Illuminaten und dem Vatikan kontrollierten Raumhafenverstärker und Manipulationsanlage.”
Und es ist ja tatsächlich so, dass der LHC Anfang September abgeschaltet wurde, um Renovierungsarbeiten durchzuführen, wie das CERN selbst berichtet. Bereitet man sich also nun dort wirklich auf einen Neustart am 23. September 2015 mit nie geahnten Energie vor, bei dem man ein Portal in eine fremde Dimension öffnen will?
Nein. Natürlich nicht. An dieser ganzen Geschichte ist nichts dran, was man auch leicht erkennt, wenn man ein bisschen recherchiert.
Sergio Bertolucci existiert tatsächlich. Er ist derzeit dort “Director for Research and Computing”, gehört also zu den führenden Wissenschaftlern. Und als im Jahr 2009 der Beschleuniger gestartet wurde, hat er offensichtlich in einem Video über die zu erwartenden Forschungsergebnisse gesprochen (Ich habe bis jetzt nur diese Quelle dafür ausfindig machen können, die aber nicht die Primärquelle ist – vielleicht hat da ja noch jemand sachdienliche Hinweise). Darin sprach er wohl über die “Extradimensionen”, die tatsächlich zu den spektakulären Vorhersagen der modernen Physik gehören, die am LHC theoretisch bestätigt werden könnten.
Wer wissen will, worum es dabei geht, kann diesen Artikel lesen, den ich zu dem Thema geschrieben habe. Das Wort “Dimension” bedeutet in der Wissenschaft nicht unbedingt das, was es in der Alltagssprache bedeutet und vor allem nicht das, was es in der Science-Fiction-Literatur gerne bedeutet. Wenn die Physiker von “Extradimensionen” sprechen, dann meinen sie damit keine “fremden Universen” aus denen irgendwas zu uns kommen könnte. Hier geht es um subatomare Effekte, die zum Beispiel dafür sorgen könnten, dass sich die physikalischen Gesetze ein wenig anders verhalten als wir das bisher gewohnt sind, wenn man sie auf ganz kleinen Skalen betrachtet. So etwas könnte man bei den Experimenten am CERN messen und wenn das passiert, wäre das ein großartiger Fortschritt für die Physik.
Die Physiker am CERN machen also das, was Physiker eben so machen: Sie probieren das Universum zu verstehen und herauszufinden, nach welchen Naturgesetzen es funktioniert. Es geht definitiv nicht darum, irgendwelche “Portale in andere Welten” zu öffnen. Das mag in Science-Fiction-Geschichten funktionieren; die reale Wissenschaft ist dazu aber definitiv nicht in der Lage.
Auch Stephen Hawkings angebliche Vorhersage, dass die Experimente am CERN durch die Produktion von Higgs-Teilchen das Universum zerstören könnten, sind Unsinn. Da ich dieses Thema schon früher ausführlich in einem eigenen Artikel behandelt habe – “Warnung vor dem ‘Gottesteilchen’: Stephen Hawking befürchtet Kollaps des Universums” – möchte ich das hier nicht noch einmal erklären.
Aber wie ist das mit der Statue von Shiva? Warum stellt sich ein physikalisches Institut die Statue eines Gottes vor die Tür, der als “Zerstörer des Universums” bekannt ist? Nun, die Statute steht dort tatsächlich. Sie wurde am 18. Juni 2004 aufgestellt (siehe hier) und war ein Geschenk der indischen Regierung. Der indische Botschafter hat sie ganz offiziell überreicht um die lange Zusammenarbeit zwischen Indien und dem CERN zu würdigen. Sie trägt Plaketten auf der man folgendes lesen kann (hier ist der komplette Text zu finden):
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