hateuAls Wissenschaftler fühle ich mich der Wahrheit verpflichtet. Ich unternehme große Anstrengungen, um die Wahrheit zu finden oder mich ihr zumindest so weit wie möglich anzunähern, dabei objektiv zu sein und mich selber vor Mess- aber auch Denkfehlern zu bewahren.

Da ich mich bisweilen in skeptischen Kreisen bewege und auch immer wieder einschlägig dazu geschrieben habe, bin ich (virtuell und persönlich) schon vielen Menschen begegnet, die ein ganz anderes, sagen wir „pragmatischeres“ oder “elastischeres” Verhältnis zur Wahrheit haben und die in meinen und den Augen vieler Mitstreiter unglaublichen Schwachsinn glauben, erzählen, und/oder verkaufen wollen, an den sie nicht den Anspruch der Plausibilität, Nachweisbarkeit oder logischen Konsistenz stellen (lassen wollen). Sie sind dabei jeweils auf einem weiten Spektrum zwischen den Extremen „harmlose, amüsante Spinner“ und „hochgefährliche, einflussreiche Lobbyisten“ einzuordnen. Beispiele für erstere wären friedliche Wünschelrutengänger und Menschen, die glauben mit Baumgeistern sprechen zu können, während in letztere Kategorie etwa politisch einflussreiche Impf- und AIDS-Leugner oder ehrgeizige Scientologen einzuordnen wären. Dazwischen bewegen sich all die anderen, all die Homöopathen, Kreationisten, IDioten, Elfen- und Feengläubige, Druiden, “Klimaskeptiker“, Tarot-Orakel, Astrologen, Geisterheiler, -beschwörer und -jäger, Okkultisten, Anthroposophen, Theologen etc.

Ein anderes Feld, auf dem sich trefflich streiten läßt, ist die Ethik, also im weitesten Sinne die Frage danach, was wir tun, wie wir handeln sollen, um „gut“ oder “fair” zu handeln. Ethische Fragen sind natürlich nicht unverbunden mit Fragen nach der Wahrheit. Religiös motivierte Ethik stützt sich beispielsweise grundsätzlich auf die – entweder wahre oder (sehr wahrscheinlich) falsche -Grundbehauptung, daß es eine Gottheit gibt und diese einen Willen hat, der Menschen bekannt, von ihnen interpretierbar und durch konforme Handlung umsetzbar sein kann, woraus dann alle anderen Handlungsanweisungen abgeleitet werden. Wenn man, wie ich, bereits diese Grundbehauptung ablehnt, ist dann ersteinmal zu diskutieren, warum diese Grundbehauptung als wahr angenommen werden sollte.

Die Fragen danach, was wahr ist und was “gut”, gehören zu den ganz großen philosophischen Fragen, deren mehr oder weniger individuelle Beantwortung für die Orientierung in der Welt und der Gesellschaft unbedingt erforderlich ist. Darüber, was eine gute oder gar richtige Antwort auf diese Fragen ist und warum, wird ohne Unterlass gestritten.

Nach dieser langen Vorrede komme ich zum Kern meiner Überlegung und Anlass dieses Beitrags: auch wenn es mir in erster Linie um die Wahrheit und um die Suche nach einer guten und zugleich moralisch konsistenten Handlungsweise geht, will ich nicht verhehlen, daß es manchmal auch echt Spaß macht, sich mit den „Spinnern“ oder “Fundis” zu streiten, sie argumentativ zu zerlegen, sie lächerlich zu machen und sich im Kreise von Gleichgesinnten über sie zu amüsieren und sich stöhnend an den Kopf zu fassen, wenn man erzählt, welch haarsträubende Argumente der Kreationist/Homöopath/Klimawandelleugner der Woche einem mal wieder vorgetragen hat. Besonders einfache, lohnende Ziele sind dabei prominente “Hassfiguren”, die seit Jahren gleich intellektuellen Pinatas von den meisten Skeptikern, Atheisten, Humanisten o.ä. hingebungsvoll verbal verdroschen werden, sei es ein J.M. Bergoglio, ein Tom Cruise, ein Matthias Rath, ein Andrew Wakefield, ein Christian Anders, ein Johann Grander oder dergleichen. Ich habe ja auch schon anderswo argumentiert, daß solches ostentatives Lächerlichmachen eines Gegners eine gute Taktik sein kann, um am Streit Unbeteiligte von der Unhaltbarkeit einer Position zu überzeugen.

Bei all dem Spaß, den dieses „Bashen“ oder „Haten“ macht, frage ich mich manchmal, ob man dadurch Gefahr läuft, unempfänglich für möglicher- und ausnahmsweise sinnvolle, konstruktive Argumente der Gegenseite zu werden.  So mußte ich einigermaßen widerwillig die Tatsache akzeptieren, daß manch einer, der einen anderen hasst, dadurch solches Vergnügen, ja Genuß gewinnt, daß es ihm unmöglich wird, seine Position und sei sie noch so falsch, zu verändern, da er dadurch gezwungen wäre, etwas vom “Hass-Genuß” aufzugeben. Wenn man ersteinmal vollständig davon überzeugt ist, daß eine bestimmte andere Person ein absolutes Riesenar…..ch ist, kann man leicht aus den Augen verlieren, daß man selbst ihr eigentlich die Gunst des Zweifels gewähren müsste. Schnell kann man dann einer kognitiven Verzerrung aufsitzen, wenn man grundsätzlich von der bösartigsten und verdammendsten Auslegung dessen ausgeht, was die Person äußert. Je mehr Beispiele und Instanzen, die diesen Eindruck erhärten, hinzukommen, desto fester wird die Überzeugung und desto weniger geneigt ist man, ggf. bis hin zur Unredlichkeit, über neuerliche Äußerungen der Person noch einmal nachzudenken oder gar zwischen den Zeilen zu lesen. Spätestens also , wenn der Hass hermetisch geworden ist und die Lust am Erhalt des Streits oder des Zerwürfnisses seinen ursprünglichen Anlass, nämlich Argumente auszutauschen, ersetzt hat, ist eine Kommunikation unmöglich geworden.

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Kommentare (37)

  1. #1 Chemiker
    15/05/2015

    Ich hatte mal eine sehr lange Diskussion mit einem von jenen, die Du IDioten nennst (der Sinn dieser Bezeichnung hat sich für mich erst erschlossen, als ich mit der Maus über dem ID hoverte).

    Der Mann ist intelligent und ich mag viele seiner Einstellungen. Andere eben weniger, aber das ist ja meistens so. Das war mal eine gute Voraussetzung für eine Diskussion. Und umgekehrt war es wohl ähnlich.

    Ich habe ihn gefragt, warum Beuteltiere nur auf der Südhalbkugel vorkommen, wenn sie doch alle in der Arche Noah saßen. Ich habe ihm vorgerechnet, daß wer große Mengen Eis auf einen Planeten wirft, damit keinen Ozean sondern eine Hitzehölle erzeugt. Ich habe ihm über den Oklo-Reaktor erzählt.

    Am Ende mußte er zugeben, daß man seine Version einer 6000 Jahre alten Erde ohne Vertrauen in die Richtigkeit des göttlichen Wortes nicht aufrecht erhalten kann. Dieses Vertrauen, so meinte er, sei eine ethische Pflicht, was er aber nur zirkulär begründen konnte.

    Am Ende landeten wir also bei der Ethik. Und ich bin der Meinung, daß die Frage wahr oder falsch fundamental verschieden von der Frage gut oder böse ist. Nur erstere läßt sich (mit Rekurs auf die beobachtbare Natur) wirklich klären; zweitere bleibt letztlich immer Ansichtssache.

    Und damit konnten wir es auch in amikaler Form bewenden lassen. Wir hatten gesehen, an welchem Punkt unsere Meinungen auseinander­drifteten, und daß wir das nicht mit Argumenten klären können.

  2. #2 Dr. Webbaer
    15/05/2015

    Hass ist privat und doof, wenn er öffentlich zum Ausdruck gelangt, anderen Hass zu unterstellen, wenn nicht bestens belegt, ist döfer [1], wenn auch oft zumindest dem Anschein nach nett gemeint.

    HTH
    Dr. W

    [1]
    ‘Doof’ meint die Harthörigkeit, im Gegensatz zum ‘dumm’ (“tumb”) , das die Unfähigkeit zum Ausdruck meint, es gibt hier streng genommen keine Komparative wie keine Superlative.

  3. #3 Dr. Webbaer
    15/05/2015

    @ Chemiker :

    Am Ende mußte er zugeben, daß man seine Version einer 6000 Jahre alten Erde ohne Vertrauen in die Richtigkeit des göttlichen Wortes nicht aufrecht erhalten kann.

    Es ist möglich, auch mit heutigem wissenschaftlichen Anspruch, die Schöpfungsgeschichte wörtlich anzunehmen, es müssten dann aber Dinosaurierknochen und andere Fossilien und Fakten und extraterrestrisch Messbares vor ca. 6.000 Jahren sozusagen bereit gestellt worden sein, bei einem speziellen Welt-Launch sozusagen, der heutige erkennende Subjekte, sozusagen satanös, verwirren würde (und vielleicht sogar als Probe gedacht ist).

    MFG
    Dr. W

  4. #4 Chemiker
    15/05/2015

    @Webbär

    Klar, wir haben auch über Last Thursdayism und Golgafrincham geredet. Diese Modelle hat er aber (meiner Meinung nach konsistent) abgelehnt, weil Gott kein Betrüger ist und die echte Wahrheit uns rational zugänglich sein muß.

    Rationale Wissenschaft und Bibelexegese müssen also zu selben Resultat führen.

    Daß das nicht so richtig klappt, meinte er, liege einfach an Denkfehlern, die uns die Göttliche Schöpfung fälschlich als falsch erkennen lassen. Bis wir die ausräumen können, müssen wir eben dem Wort Gottes vertrauen. Wir können aber auch darauf vertrauen, daß wir irgendwann einmal die richtige, wissenschaftliche konsistente und bibelkonforme Wahrheit herausfinden werden.

    Darauf kann man natürlich vieles antworten, aber nichts, was das Gegenüber überzeugt.

  5. #5 Dr. Webbaer
    15/05/2015

    @ Chemiker :
    Gerne mal die Information bereit stellen, ob der Zitierte Katholik ist, der Römischen Kirche angehört, Papst Pius XII. mit seiner Enzyklika “Humani generis” (1950) hat eigentlich die Sache und die Kontrahenten versöhnt.
    Joseph Ratzinger hatte sich den Duozentrismus, den Theozentrismus und den Anthropozentrismus, die sich nicht gegenseitig ausschließen, vorgenommen und viel dazu geschrieben und gesagt – womöglich ein Highlight seines Pontifikats.

    MFG
    Dr. W

  6. #6 Ludger
    15/05/2015

    Spott einer Gruppe gegenüber einem einzelnen würgt jede Argumentation ab. Zum Teil wurde das während meiner Schulzeit von minder geeigneten Pädagogen ausgenutzt, indem sie versuchten, kritische Einzelfragen nicht zu beantworten sondern ins Lächerliche zu ziehen und die Klasse als Verbündete zu gewinnen. So etwas nützt nicht dem Erkenntnisgewinn.

  7. #7 Dr. Webbaer
    15/05/2015

    @ Ludger :
    Polemik ist auch der wissenschaftlichen Sache dienbar, der Grund liegt einerseits darin, dass Polemik verkürzend wirkt, Sozialverhalten abschneidend schneller auf den Punkt kommen lässt, und andererseits darin, dass Erkenntnis in “n:m”-Beziehungen (das Fachwort) zwischen (erkennendem) Subjekt und Gegenstand, Sache oder Sachverhalt/Sachbeziehung, verwaltet wird, so verstanden werden muss, gerade auch die wissenschaftliche Arbeit/Erkenntnis, und dass aus Sicht des Systematikers Aussagen zu einer Sache oder zu einem diesbezüglichen Verhalt zuerst als Aussagen einer Person(enmenge) zu einer Sache oder zu einem diesbezüglichen Verhalt zu bearbeiten sind.

    Kurzum, Polemik/Spott etc. gut, Psychologisierung (“Hass” etc.), gerade auch der Meinungsgegner, nicht gu-ut.

    MFG
    Dr. W

  8. #8 Ludger
    15/05/2015

    @ WB
    Ich bitte folgenden Teil meiner Ausführung zu beachten:
    blockquote>
    […] indem sie versuchten, kritische Einzelfragen nicht zu beantworten sondern ins Lächerliche zu ziehen […]

    Spott als Werkzeug, einen Diskurs abzuwürgen.

  9. #9 Dr. Webbaer
    15/05/2015

    ‘Lächerlich machen’ ist OK, zu psychologisieren ist deutlich weniger OK.

    MFG
    Dr. W (der als Skeptiker nur, wie immer: ganz am Rande und untergeordnet, versucht andere Skeptiker, Skeptizisten ginge auch, abzufeimen)

  10. #10 DH
    15/05/2015

    Es schadet nichts , auch mal ordentlich draufzuhauen , auch mal jemanden zu attackieren , es muß auch mal raus , könnte man sagen , bei all dem bullshit , den man so mitbekommt , würde man platzen , wenn man jedesmal sachlich und immer schön fair bleiben müßte.

    Man sollte nur versuchen , jedem eine faire Chance zu geben , wenns nur drauf abzielt , zu mobben , hört der Spaß auf.

    Was Spinnereien angeht , gibt es dazu auch ein Gegenstück , das den bösartigen Spinnern eher Auftrieb gibt als umgekehrt , durch Leute , die die vorherrschende Meinung in einem Bereich nicht angetastet sehen wollen , z.B. zur Sicherung der eigenen Position .
    Die benutzen dann gerne vorhandene Spinner , um gleich jedwede Kritik zu diskreditieren , Beispiele wären Journalismus oder Feminismus.
    Das abzugrenzen ist nicht immer einfach , aber es ist eben auch spannend.

  11. #11 Dr. Webbaer
    15/05/2015

    Abschließend hierzu vielleicht noch:

    So mußte ich einigermaßen widerwillig die Tatsache akzeptieren, daß manch einer, der einen anderen hasst, dadurch solches Vergnügen, ja Genuß gewinnt, daß es ihm unmöglich wird, seine Position und sei sie noch so falsch, zu verändern, da er dadurch gezwungen wäre, etwas vom “Hass-Genuß” aufzugeben.

    Es mag zwar sein, dass emotionale Bewegung den einen oder anderen in den neuen Medien [1] anleitet auf eine bestimmte Art und Weise zu argumentieren, die nach Hanlon’s Razor Bösartigkeit bedeuten könnte bis müsste, also nicht durch unzureichend vorhandene Sachkenntnis oder unzureichende Fähigkeit zur Zusammenstellung zu erklären wäre, aber der würde dann nur von emotionaler Bewegung beim Adressierten zehren.

    Das Web oder die netzwerkbasierte Kommunikation ist generell nicht dafür gedacht sich gegenseitig anhaltend die Stimmung zu versauen, insofern gibt der Schreiber dieser Zeilen den Rat “Hass” argumentativ auszuschließen, er müsste dort, also im Web oder in netzwerkbasierter Kommunikation mit pers. Unbekannten in jedem Fall per Unterstellung “festgestellt” werden, sondern bestimmte Nachricht zu ignorieren oder ernst zu nehmen. [2]

    Als Nachricht eines Unbekannten, die frei ist zur Bearbeitung, aber nicht bearbeitet werden muss.

    Im Web oder in der netzwerkbasierten Kommunikation konsumiert der erfahrene Korrespondent wahlfrei und selektiv.

    MFG
    Dr. W

    [1]
    auch Journalisten

    [2]
    abär eben nicht emotional irgendwie zu bedienen

  12. #12 Schlotti
    15/05/2015

    Sehr gerne würde ich von den LeserInnen erfahren, wie sie das sehen? Kennt Ihr das auch? Wie geht Ihr damit um? Was macht Ihr, wenn Ihr es an anderen bemerkt? Wann brecht Ihr eine Diskussion ab?

    Ich kenne das Problem auch.
    Ich denke, dass bei mir persönlich ein Lernprozess stattgefunden hat (hat stattfinden müssen…), der dahin geht, dass ich lernen musste, dass Gläubige rationalen Argumenten, die eben diesen Glauben anzweifeln lassen müssen, nicht zugänglich sind.
    Dies bedeutet bei Diskussionen mit Leuten, die etwa dem Glauben anhängen, dass Homöopathie wirksam sei, ich zunächst versuche darzustellen, was Homöopathie überhaupt sein soll und warum es sich bei diesem Gedankengebäude um Unfug handeln muss.
    Bei manchen Menschen, und das sind die, die HP diffus irgendwie als natürlich verorten, funktioniert das manchmal (eher selten).
    Bei Menschen jedoch, die wissen, was HP ist, gleichwohl trotzdem diesem Glauben anhängen, breche ich mittlerweile Diskussionen ab, weil ich zu dem Ergebnis gelangt bin, dass rationale Argumente Gläubige nicht davon abhalten, auch den allergrössten Unfug für bare Münze zu nehmen.
    Als schwieriger empfinde ich in diesem Zusammenhang die Disskussion mit etwa Impfgegnern oder Klimawandelleugnern, die ja doch immerhin vermeintliche Argumente vorbringen können. Ein solches Argument ist dann häufig ein “argumentum ad auctoritatem”, welches sich natürlich – entsprechende Sachkenntnis vorausgesetzt, über die ich nicht verfüge – nicht so ohne weiteres widerlegen lässt.
    Ein Hinweis, dass die Person, die behauptet, belegen muss, nicht jedoch ich das Gegenteil, führt üblicherweise zu einer Metadiskussion, bei der ich versuche, die wissenschaftliche Denkweise zu erläutern, was ebenfalls scheitert, weil ich mir dann vorhalten lassen muß, dass ich ja nun mal kein Wissenschaftler bin.
    Es ist manchmal so ermüdend!

  13. #13 Christian Mai
    Bonn
    16/05/2015

    Meiner Erfahrung nach führt das beharrliche Einfordern von Begründungen für Behauptungen zum Abbruch der Diskussion von Seiten des Behauptenden.

  14. #14 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/05/10/nina-simone-portrait/
    16/05/2015

    Haß, Wut und Angriffslust sind für mich unterschiedliche Gemütsverfassungen.

    In Diskussionen mit Theologen, Esoterikern und Ähnlichen treibt mich eigentlich selten oder nie Haß oder Wut an. Haß kann ich entwickeln wenn ich unterdrückt werde, ungerecht behandelt werde, ohne mich wehren zu können. Die Vorstufe davon wäre Wut, aber mit der Option sich zu wehren noch offen.

    Bei Haß will man verletzen, vielleicht vernichten – Wut kann auch geeignet sein einen Befreiungsschlag zu führen. Dem Haß reicht das nicht.

    Wütend kann ich werden, wenn ein Esoteriker im Fernsehen zu Wort kommt und niemand widerspricht, oder niemand widerspricht gekonnt.

    Angriffslust kann aber leicht in Debatten ausgelöst werden. Meist will ich dann nicht den Kontrahenten selbst überzeugen, sondern anderes Publikum. Den Opponenten überzeugen zu wollen bedarf es Empathie, die man oft nicht hat bei kontroversen Themen, wo man auch die Argumentationen schon alle gehört hat. Neben Empathie braucht man da auch viel Geduld, Selbstdisziplin, eine Strategie, um in kleinen Schritten langsam zum Ziel zu kommen.

    Will man den anderen wirklich überzeugen, dann muss man ihm die Chance geben das Gesicht zu wahren. In hitzigen Debatten dagegen will man den Gegner meist schlecht aussehen lassen.

  15. #15 radix100
    50259 Pulheim
    16/05/2015

    Hilfreich ist der Scherz:
    “Ich habe meine feste Meinung. Man möge mich bitte nicht mit Tatsachen verwirren!”
    Mir hat dieser Scherz oft gut geholfen, über Gegenargumente noch einmal neu nachzudenken.

  16. #16 Alisier
    16/05/2015

    Zur Fragestellung:
    Ja, man wird unempfänglich, aber nicht unbedingt gegenüber Argumenten, denn solchen wird man nur in den seltensten Fällen begegnen können. Und ich denke, wenn mal ein Argument von einschlägig bekannter Seite auftauchen sollte, wären die meisten so verblüfft, dass uns automatisch erstmal die Spucke wegbliebe, und jeder sich ernsthaft überlegte, ob er nicht vielleicht gerade in ein merkwürdiges Paralleluniversum verschlagen wurde. Aber ich schweife ab.
    Aber zuerst: für die merkwürdige Positionen Vertretenden ist das, was sie vorbringen, ja argumentativ sauber. Sie wissen eben nur oft nicht, was eine Argument ist, und es ihnen nahezubringen, dazu fehlt meist Zeit, Wille und die dazu notwendigen Nerven wie Drahtseile.
    Wöfur wir aber unempfänglich sind oder werden, sind die Bedürfnisse derjenigen, die sich in die Höhle des Löwen wagen. Lassen wir mal die außen vor, die es ” den doofen Wissenschaftsgläubigen mal so richtig zeigen wollen”.
    Denken wir an die, die “ihr Herz” an eine bestimmte Ideologie, Überzeugung etc. gehängt haben, und uns auch nur als Gläubige wahrnehmen, die halt nur einer ihnen fremden Leidenschaft anhängen. Unter diesen sind durchaus nette und ernstzunehmende Zeitgenossen, bei denen einfach der jeweilige Glaube aus welchen Gründen auch immer einen großen Raum einnimmt. Für die ist das, was sie glauben, Teil ihrer Persönlichkeit geworden, und das sollte bei einer Auseinandersetzung immer mit bedacht werden.
    Vielleicht haben sie uns Dinge mitzuteilen, die zwar als Argument nicht brauchbar sind, die aber in bestimmten Zusamenhängen auch für uns relevant sein können. Und ich möchte gerade ganz bewusst so vage bleiben, um die bei uns üblichen Abwehrmuster nicht zu aktivieren, denn die haben wir auch zuweilen, machen wir uns nichts vor.
    Später vielleicht mehr.

  17. #17 rolak
    16/05/2015

    Kennt Ihr das auch?

    Aber sicher doch, dieses innerlich gestöhnte ‘nicht schon wieder’ und ‘muß das sein?’, das AbschmetternWollen und der AbwürgeReiz…

    Wie geht Ihr damit um?

    Situationsbedingt: ZB im Rahmen von Festen/Feiern – sein lassen, so schwer es auch fällt, versuchen, durch Ignorieren einzudämmen. Sonstige Diskussionen: Sarkasmus ja, sinnbefreites DrauflosSchlagen nein.

    Was macht Ihr, wenn Ihr es an anderen bemerkt?

    Bei ‘einem der Anderen’: es als erstes Indiz für einen bald notwendigen Kommunikationsabbruch werten. Bei ‘einem der Unsrigen’: versuchen, auf eine sinnvolle ArgumentationsDarbietung hinzuwirken – beim Nichtwirken dem Gegenüber Bedauern ausdrücken.

    Wann brecht Ihr eine Diskussion ab?

    Wenn der Mensch gegenüber sie innerlich schon längst abgebrochen hat, sich also prinzipiell Argumenten nicht zugänglich zeigt.

    Das war eine Beschreibung des Idealfalles, den zu erreichen ich suche, ihn jedoch beileibe nicht immer aufrecht halten kann. Kragen platzen und so…

  18. #18 Chemiker
    16/05/2015

    @Dr. Webbaer (#5)

    Nein, kein Katholik sondern Protestant ohne organisatorische Bindung. Über die Römer konnten wir lustig gemeinsam ablästern.

  19. #19 Wissenslücke
    18/05/2015

    Wenn man selbst merkt, dass man aus Selbstzweck gehässig wird, Leute lächerlich macht oder basht, ist doch schonmal der erste Schritt zum Innehalten gegeben.
    Dass man diese Bedürfnisse hat und es auch mal mit einem durchgeht…klar. Ich bewundere oft die Unermüdlichkeit und die Geduld von denen, die regelmässig die PSI-Tests durchführen und sich wirklich auf die Fahnen geschrieben haben, respektvoll und sachlich zu bleiben – im öffentlichen Raum jedenfalls.
    Allerdings stelle ich mir vor, dass Backstage oder im Nachgang solcher Veranstaltungen auch mal der Dampf abgelassen wird incl. nicht mehr ganz so respektvoller Ausdrücke…
    Privat finde ich es auch ok, auch wenn es vielleicht nicht immet ganz ehrlich ist.
    Was ich persönlich sehr unangenehm und auch unangebracht finde sind Äusserungen wie “Religioten” u. ä. in manchen atheistischen Kreisen.
    Das macht Dialoge und Austausch fast unmöglich, und dieser kann auch aus atheistischer und/oder skeptischer Perspektive durchaus interessant sein.
    Aber manchmal hat man eben auch keinen Bock auf Dialog, dazu gehören ja auch immer zwei die Lust dazu habe.
    Im Familien – und Freundeskreis hat es sich nach und nach so entwickelt, dass manche Themen tatsächlich ausgeklammert werden, weil man gelernt hat, dass man nicht überein kommt und die Diskussionen beiden Seiten nichts (mehr) bringen. Viele alte Freundinnen und Freunde sind z. B. in Sachen Homöo oder anderen angeblichen “Naturheilverfahren” sehr aktiv unterwegs, da haben wir viel gezofft und manchmal trennten sich auch schon Wege.
    Oder, ähnlich wie bei einem der Vorschreiber: Man lässt es halt sein, auch wenn es mal schwer fällt.
    Mir hilft manchmal, dass ich weiss, dass dieses Haareraufen und Augenrollen auf der “anderen Seite” genauso passiert.

  20. #20 Dr. Webbaer
    18/05/2015

    @ Schlotti :

    Ein Hinweis, dass die Person, die behauptet, belegen muss, nicht jedoch ich das Gegenteil, führt üblicherweise zu einer Metadiskussion, bei der ich versuche, die wissenschaftliche Denkweise zu erläutern, was ebenfalls scheitert, weil ich mir dann vorhalten lassen muß, dass ich ja nun mal kein Wissenschaftler bin.

    Klingt aber schon solid und wissenschaftlich argumentiert,
    MFG
    Dr. W

  21. #21 Cornelius Courts
    19/05/2015

    @alle: vielen Dank schon mal bisher für die Antworten 🙂

  22. #22 noch'n Flo
    Schoggiland
    19/05/2015

    Ich habe es an anderer Stelle schon einmal geschrieben: ich bin ja bekanntermassen jemand, der in Internet-Diskussionen mit Trollen und Cranks nicht gerade zimperlich ist. Zumindest weniger, als die meisten anderen Kommentatoren. Man muss dazu allerdings auch bedenken, dass ich mir diesem Schmarrn auch schon immer tagaus tagein in meiner Praxis anhören muss. Und im Gegenzug hilft mir das Dampfablassen im Internet, bei meinen Patienten in der Praxis nicht allzu heftig zu reagieren.

    Schwierig wird es meistens vor allem dann, wenn ich ausserhalb der Praxis aber dennoch im Real Life mit Vertretern kruder Thesen zusammentreffe.

  23. #23 Ursula
    19/05/2015

    @ noch’n Flo

    Man muss dazu allerdings auch bedenken, dass ich mir diesem Schmarrn auch schon immer tagaus tagein in meiner Praxis anhören muss.

    Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich bin privat sehr viel unleidlicher, wenn gewissen Themen auf’s Tapet kommen. In den Kommentarspalten des Internet überlasse ich das gerne anderen, weil mir vor Wut oft nur pöbeln einfällt, und das braucht’s nicht wirklich. Ich gebe aber zu, dass ich es mitunter schon sehr genieße wenn du noch’n Floh wieder einmal einen Troll oder einen Vertreter der Eso Fraktion gekonnt auseinander nimmts, ich kann allein beim Lesen herrlich Dampf ablassen. Beruflich brauch ich oft Nerven aus Stahl (die ich nicht habe, aber ich tu so als ob). Mir kommt wirklich alles unter. Medizinische´s Pseudowissen, Verschwörungstheorien jediglicher Art, Russia Today ist grad sehr populär usw.
    Im Moment (anlässlich ESC) ist Conchita Wurst das erklärte Hassobjekt, und das sind dann die Situationen wo ich innerlich in Tränen ausbreche und es nicht fassen kann, wenn mir wiederholt erklärt wird, dass sowas “auf den nächsten Baum aufgehängt gehört.” Trotzdem habe ich schon auch die Erfahrung gemacht, dass es der Sache sehr dienlich sein kann, einen kühlen Kopf zu bewaren und darüber zu sprechen und in der Gruppe zu diskutieren woher dieser Hass kommt. Das bedeutet für mich allerdings eine fast unmenschliche Anstrengung. Ich hole mir viel argumentative Unterstützung, über Artikel aber auch vor allem in den Kommentaren. Wut kenn ich, auch das Ausleben selbiger in Kommentaren (eher Facebook), auch Befriedigung es jemand gezeigt zu haben, weil ich argumentativ überlegen war, in Hass ist das noch nie umgeschlagen, hätte auch keinen Spaß daran, Hass frisst auf, es ist ein Gefühle das mich letztendlich sehr unbefriedigt zurückläßt.

  24. #24 Dr. Webbaer
    21/05/2015

    Übel ist es, wenn bestimmte (angelernte) Argumentationen vorgefahren werden, dies aber erkennbar dazu geschieht bestimmte politische Sicht zu promovieren, denn dann kann Hanlon’s Razor nicht mildernd greifen.
    Kommt im “progressiven”, kollektivistischen Lager vor, wie auch bei den “reaktionären” Konservativen (“reaktionären Rechten”).

    MFG
    Dr. W

  25. #25 Trottelreiner
    24/05/2015

    @Chemiker:
    Eine kleine Verbesserung, wenn der Herr, mit dem du gesprochen hast auf eine wörtliche Auslegung des Schöpfungsberichtes –welchen der Beiden BTW?[1]- glaubt war das nicht unbedingt ein Anhänger des “Intelligent Design”, aber wahrscheinlich ein <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Junge-Erde-Kreationismus"Junge-Erde-Kreationist.

    Wobei eben ein IDler durchaus JEK sein kann, es aber nicht sein muß. Was einerseits die Argumentationsweise mit denselben beeinfluß, andererseits die Salamitaktik ermöglichen könnte (vom JEK zum Alte-Erde-Kreationist, zum eigentlichen IDler, zum…)

    Wurde neulich nebenan besprochen. OK, nicht so neulich…

    Ja, ich fand bei den Theologen immer die Häresiographien am interessantesten. Auch wenn ich die wohl ähnlich lese wie H.P Lovecraft Madame Blavatsky.[2]

    [1] Eine Auseinandersetzung mit der Problematik aus einer dezidiert kreationistischen Sicht findet man bei Wort und Wissen, man verzeihe mir den Link, aber ich war immer der Meinung, man sollte den, äh, Feind(1a) kennen. Und ansonsten ist es bekanntlich immer schön, wenn man einem Kreationisten zeigen kann, das selbst Vertreter seiner Sichtweise da Probleme sehen.
    (1a) Wobei WuW eher an “Good Omens” denken lassen. Ob jetzt Erziraphael oder Crowley sei dahingestellt…
    [2] Ich habe ja schon in einem anderen Thread erwähnt, daß der Herr Trottelreiner bei Ego-Shootern etwas, äh, vertrottelt ist, der Lachkrampf am Ende von RtCW war aber eher ein untergeordneter Grund. Heute würde der Lachkrampf wohl letal verlaufen, aber damalswaren EBM und Metal AFAIK noch nicht ganz so, ähm, “mittelalterlich”.

  26. #26 zimtspinne
    31/05/2015

    Mir hat es geholfen, meine Verachtung gegenüber religiösem Geschwurbel zu zügeln, seit ich für mich erkannt habe, dass dieses religiöse Gedöns tatsächlich oftmals einen Überlebensvorteil für die Anwender darzustellen scheint.

    Überhaupt hinterfrage ich alles und jedes erstmal unter dem evolutionsbiologischen Aspekt. Cui bono?
    Auch die Impfgegnerei und die Homöopathie.

    Womöglich schaffen sich Menschen mit diesem Nischendasein in einer immer stärker konkurrierenden Welt (steigende Weltbevölkerung, Globalisierung usw!) einfach ihre eigenen Überlebensvorteile und geben diese auch teilweise erfolgreich weiter?

    Mal ein Beispiel.
    Eine Bekannte hat eine in Berlin hochalternativ lebende Tochter.
    Seit Jahren verweigert dieses Töchterlein sich medizinischen Behandlungen, hat inzwischen eine chronische Sinusitis und wer weiß noch was alles (ihr Allgemeinzustand ist eher nicht der einer jungen, fitten, gesunden Frau).

    Ihrer kleinen Tochter lässt sie das gleiche “Lebensglück” angedeihen und was soll ich sagen…. die ist dermaßen robust, resilient und einfach durch und durch ein Kind, wie es sie vor 20, 30 Jahren mal gab. Die den ganzen Nachmittag im Dreck und Schlamm spielen statt vor dem TV geparkt und mit Chips und Cola verweichlicht zu werden….
    ja und sie hat bereits ihre eigenen frühkindlichen Strategien entwickelt, um dem Veggiwahn der Mami zu entkommen – immer mal wieder, aber nicht täglich fünf mal (das wäre wieder kontraproduktiv).

    Ernsthaft krank sollte die Kleine natürlich nicht werden^^

    Mal als großes ganzes betrachtet, würde ich sagen, haben wir doch alle unsere ureigenen “Überlebensstrategien”, die sich später als mehr oder minder erfolgreich herausstellen werden.

    Sie werden jedenfalls fleißig weitergegeben, epigenetisch und erzieherisch.

    Ich könnte auch ketzerisch in den Raum stellen:
    Vielleicht wird sich der Atheismus mal als Irrweg der Evolution herausstellen!?

    Atheisten sind wahrscheinlich weniger produktiv, was die Reproduktion angeht und schon haben wir es… 😀

    Ja, und ich geh mal noch einen ketzerischen Schritt weiter und sage:
    Ist dieses gegenseitige ‘Bekämpfen’ nicht auch schon ein Zeichen von Rivalität und Konkurrenzkampf im biologischen Sinne?

    Oder geht es ernsthaft darum, den anderen von der eigenen Meinung zu überzeugen? Was hab ich davon, wozu sollte ich das tun?
    Vor allem auch: Was hätte der Gegner davon, sich überzeugen zu lassen, von etwas, von dem er bis eben nicht überzeugt war?

    Man kommt ja im Leben nicht ohne Grund zu seinen Überzeugungen… ob sie immer konstruktiv oder manches mal auch sehr destruktiv sind, sei mal dahin gestellt.
    Dann ist wieder die Frage – destruktiv in wessen Augen?
    Ein Alkoholiker findet seine Selbstmedikation ja oft auch sehr sinnvoll, ist für ihn eine Bewältigungsstrategie.

    Religion ist definitiv auch eine Form von Bewältigungsstrategie.
    Darf ich es mir anmaßen, anderen ihre Lebenskonzepte auszureden?
    Ich weiß nicht mal, ob meine eigenen immer sooo gut und richtig sind.

    In freier Wildbahn bin ich bei der Konfrontation mit religiösem Geschwurbel dann aber doch oft wieder *nicht* so tolerant wie es jetzt scheint.

  27. #27 zimtspinne
    31/05/2015

    Ach so, noch was zur Homöopathie.

    Weshalb wird die so verteufelt, befeuert und gehasst?

    Ich als mündiger, selbstbestimmter, möglichst informierter Patient suche mir das, was mir hilft.

    Ich habe zum Glück eine tolle Hausärztin. Meinem gesunden Menschenverstand nach toll.

    Als erstes fragt sie mich bei grippalen Infekten, was ich selbst schon alles getan hab. Sie kommentiert dann auch “gut” oder äh “weniger gut”.
    Ich renne ja nicht beim ersten Nieser gleich zum Doc.

    Mit Antibiotika geht sie sehr spärlich um, mit Schmerzmitteln ebenfalls.
    ich wollte für mein kreuzbandgeschädigtes Knie für alle Fälle eine Großpackung 800er Ibuprofen, die mir der Kniespezialist ohne Umschweife verschrieben hatte (sogar anfangs ohne dass ich danach überhaupt fragte, ich hab sehr selten Schmerzen).
    Sie meinte, eine kleine Packung tuts auch erstmal. Und recht hat sie. Genommen hab ich die Schmerztöter letztlich bei Zahnschmerzen und Menstruationsbeschwerden, wofür sie an sich nicht gedacht sind.
    Was da ist, wird (leider!) auch irgendwann konsumiert. Bevor es verdirbt.
    Statt frühzeitig zum Zahnarzt zu gehen.

    Sie findet es auch regelmäßig super, dass ich viele alte Hausmittelchen nutze, Fieber grundsätzlich bei leichteren Infekten nicht senke sondern ausschwitze und als Antibiotikum pflanzlicher Natur auch schon mal zu einem (homöopathischen?) Oreganoöl greife.
    Darauf bin ich nicht durch einen Esofreak oder Heilpraktiker gekommen sondern durch Mundpropaganda im Freundeskreis. Bestellen tu ich das Zeug direkt in Griechenland. Ohne ärztlichen Beistand. Schlimmer als die 800er Ibu wird es wohl auch nicht auf die Leber hauen 😉

    {das wäre aber auch noch mal eine Idee für ein neues Aufregerthema. Die Eigenmächtigkeit der neuen Patientengenerationen. Die einfach selbst Infos sammeln und sich dann ihre Medis oder “Medis” bei amazon und co organisieren.
    Was da alles schieflaufen kann?}

    Es ist mir egal, ob es pathogene Bakterien vernichtet oder einfach nur meine Hirnwindungen beeinflusst, weil ich dran glaube.
    Fakt ist, seit ich beim ersten Anzeichen von Nasennebenhöhlen-Schnupfen-Rachen-etc ein paar Tropfen davon nehme, wird der Mist im Keim erstickt. Oder durch Glauben vernichtet. Was weiß ich.
    Ich werde jedenfalls nicht mehr erkältungskrank. Nur das zählt.
    Oder besser gesagt, ich muss nicht mehr stundenlang im Wartezimmer einer Praxis rumsitzen, weil es mir richtig beschissen geht.
    Mir gehts ein, zwei Tage etwas schlechter, dann ist es wieder gut.

    Evidenzbasierte Medizin gut und schön, ABER ich nutze einfach alles, was mir nutzt und aus die Maus!
    Da bin ich ganz pragmatisch und lass mir weder von hardcore Schulmedizinern noch von hardcore Heilpraktikern reinreden.

    Für mich ist der Kampf zwischen diesen Lagern wie gesagt auch ein simpler Verteilungskampf. Sicher nicht nur, aber in großem Umfang auch.

    In einer Umwelt, in der sich viele Menschen “dauervergiftet” fühlen, werden eben gerne mal neue, vorgeblich “sauberere” Wege gegangen.
    Da sollte man sich mal Gedanken machen, warum das so ist und was da in der Maschinerie der Medizin falsch läuft, statt auf Alternativen einfach pauschal drauf zu hauen.

    Einem Allgemeinmediziner oder auch Facharzt, der Komplementärmedizin rundheraus ablehnt, würde ich ganz schnell Adieu sagen.
    Geht gar nicht, genauso engstirnig wie Heilpraktiker, die die Schulmedizin verteufeln.

    Es gibt da aber bei allem Frust eine ganz erfreuliche Entwicklung!
    Ausgerechnet bei meinem Lieblingsthema Krebs!
    In onkologischen Kompetenzzentren wird schon jetzt sehr häufig begleitende Misteltherapie empfohlen (oder auf Wunsch unterstützt).
    Immer mehr Universitätskliniken bieten komplementärmedizinische Beratung/Behandlung an.
    Dies wird von der Deutschen Krebshilfe wiederum unterstützt, auch finanziell.
    Damit wird auch gleich die Opferfängerei der Scharlatane auf diesem Gebiet eingedämmt.

    Die Krebsmedizin ist überhaupt in vielerlei Hinsicht ein echtes Vorbild.
    Auch was die Offenheit für Patientenwünsche und die interdisziplinäre Zusammenarbeit angeht.
    Wenn ein Patient die Möglichkeit erhält, mit seinen behandelnden Ärzten über die Für und Wider einer Therapie zu diskutieren (ja, diskutieren!) oder sogar an Tumorboards teilzunehmen, so find ich das einfach nur cool.
    Naja, so cool man das in dieser Situation finden kann…. aber viel viel viel besser als das bevormundende Getue vieler hinterwäldlerischer Weißkittel.
    Vielleicht sind Krebspatienten auch einfach fordernder und selbstbewusster/selbstbestimmter, sie haben ja kaum noch was zu verlieren….

    uii, jetzt hab ich mich mal wieder vom Thema total entfernt, sorry.

    Verstehe aber diesen Hass auf alles was auch nur im entferntesten mit Homöopathie zu tun hat, nicht so ganz.

    Ich selbst habe den Kram von Anfang an so verstanden, dass 1. die Selbstheilungskräfte aktiviert werden sollen und 2. der Patient sich ernst(er) genommen fühlt, 3. Ursachen und nicht allein Symptome im Fokus stehen.
    Schon allein das kann wohl ganze Arien zur Verbesserung des Gesamtzustandes beitragen….
    vielleicht fehlen diesen Grenzgängern, die zu Wunderheilern pilgern auch einfach die früheren Seelsorger und Beichtväter!!!??

    Also, ich bin mit der gut/böse-Schubladisierung nicht glücklich.
    Sind Wissenschaftler gerne so radikal? Entweder oder?

    Was wenn an vielen Dingen, die die Wissenschaft heute mangels Beweisen ablehnt doch was dran ist?
    Man war sich auch mal ganz ganz sicher, dass der Mensch niemals wird fliegen können, dass die Erde eine Scheibe ist, Obst gegen Skorbut ein Aberglaube etc

  28. #28 Cornelius Courts
    01/06/2015

    @zimtspinne:
    Ich finde es amüsant, daß Du Dich über Religion ärgerst und sie ablehnst und dann ausgerechnet der Homöopathie das Wort redest, der großen Religion der Heilesoterik. Aber Du bist da ein typischer Fall: die Abkehr von den großen, institutionalisierten Religionen geht ganz oft mit der Hinwendung zu esoterischen Substituten einher (s. auch hier: https://www.zeit.de/2013/21/esoterik-vernunft-verteidigung)

    Das sieht man an den absoluten Esoteriker-“Argument”-Klassikern wie dem hier:

    “Was wenn an vielen Dingen, die die Wissenschaft heute mangels Beweisen ablehnt doch was dran ist? Man war sich auch mal ganz ganz sicher,”

    Das ist eine Variante des “Es gibt mehr Dinge…”-Shakespeare-Gambits, das inzwischen nur noch nervt (s. auch hier: https://buchstaeblich.wordpress.com/2008/09/22/bitte-nicht-shakespeare/). Du sprichst von voraufgeklärten Zeiten, in denen vermeintlich als sicher angenommene Dinge, wie daß die Erde eine Scheibe sei, religiösen Dogmata entsprachen und gegen neue Erkenntnisse verteidigt wurden. Heute ist es völlig illusorisch und ein sicheres Anzeichen für esoterisch-verstrahlten Reaktionärromantizismus, anzunehmen, daß etwaTheorien wie die Evolutionstheorie, die Keimtheorie der Infketionskrankheiten, die Dosis-Wirkung-Theorie oder auch die Auffassung, daß die Erde eine Kugel und nicht im Zentrum des Universums ist, völlig provisorisch und in 10 Jahren vielleicht schon nicht mehr gültig seien.
    Und selbst WENN man so argumentiert: warum sollte dann ausgerechnet die (schon damals) völlig schwachsinnige Idee von Hahnemann nach über 200 Jahren (ohne jeden Beleg) Bestand haben?

    “Es ist mir egal, ob es pathogene Bakterien vernichtet oder einfach nur meine Hirnwindungen beeinflusst, weil ich dran glaube.”

    Na, da hast Du ja dann Deine Erklärung. Ich würde allerdings vorschlagen, einfach an die Heilkraft reines Wassers zu glauben (ist chemisch eh dasselbe): das spart den Gang zur Apotheke und erheblich Geld.

    “Fakt ist, seit ich beim ersten Anzeichen von Nasennebenhöhlen-Schnupfen-Rachen-etc ein paar Tropfen davon nehme, wird der Mist im Keim erstickt.”

    Witzigerweise stimmt das sogar: das entscheidende Wort ist “seit”. Nicht “weil”. Du hast einen zeitlichen Zusammenhang beobachtet, KEINE Wirkung.

    “Ich werde jedenfalls nicht mehr erkältungskrank. Nur das zählt. Mir gehts ein, zwei Tage etwas schlechter, dann ist es wieder gut.”

    So würde es Dir auch ohne Globuli gehen. Wie jedem anderen auch.

    “Da sollte man sich mal Gedanken machen, warum das so ist und was da in der Maschinerie der Medizin falsch läuft, statt auf Alternativen einfach pauschal drauf zu hauen.”

    Nicht die von Esos gern so genannte “Chemie” ist das Problem der Medizin, sondern ein Mangel an Zeit und Zuwendung (die gibt es wiederum bei vielen Esos). Die Lösung wäre, endlich mehr dieses sehr potenten Wirkstoffs “Zeit” auch in der Medizin zu verwenden und seine Wirkung nicht den Esos zu überlassen, die sich dann damit brüsten. Von “pauschalem Draufhauen” kann im übrigen keine Rede sein: zur Homöopathie gibt es hunderte von aufwendig gemachten Studien, nach denen man nach wie vor zu konstatieren hat: nichts drin, nichts dran.

    Auf der anderen Seite ist es nicht sinnvoll im Sinne einer fälschlich angenommenen Verpflichtung zur Offenheit, jede noch so absurde, mit zahlreichen naturwissenschaftlichen Grundprinzipien kollidierende Quacksalberei (Quanten-, Engel- und Einhornheilung etc.) ernstzunehmen und Geld für klinische Studien ihrer Wirksamkeit zu verschwenden.

    Dieser ganze Scheiß profitiert von einem einzigen Effekt: Placebo. Den kennt man, der ist gut erforscht und wird weiterhin erforscht und wirkt auch (noch obendrauf) bei echten medizinischen Verfahren.
    Ich würde einen Arzt, der mir mit “Komplementärmedizin” kommt, sofort wechseln, weil er mir damit bewiesen hätte, am Ende seines Wissens angelangt zu sein und nun auf die Kraft meines (und ggf. sogar seines) Glaubens meint setzen zu müssen.

  29. #29 noch'n Flo
    Schoggiland
    01/06/2015

    @ Zimtspinne:

    Das Problem mit der Misteltherapie ist nur, dass sie den Verlauf der Krebserkrankung beschleunigt, die Tumore aggressiver macht. Wurde bereits vor fast 40 Jahren in Studien nachgewiesen. Trotzdem wurde die Misteltherapie damals politisch zugelassen, weil die Chemo damals oft noch genauso schädlich war. Und seitdem wachen die anthroposophischen Lobbyverbände darüber, dass das auch so bleibt und möglichst wenig über die Mistel geforscht und aufgeklärt wird. Weshalb sie mittlerweile auch oft von “Schulmedizinern” verordnet wird.

    Und dass der Patient in der Krebstherapie so viele Mitsprachemöglichkeiten hat, liegt vor allem daran, dass gut 90% der Medikamente, an denen derzeit geforscht wird, Krebsmedikamente sind. Dementsprechend laufen da ständig massenhaft Studien, für die man ja auch irgendwoher Probanden braucht.

    Nebenbei: mit mir darf jeder meiner Patienten über seine Behandlung diskutieren. Aber er darf nicht erwarten, dass ich ihm jeden gewünschten Hokuspokus rezeptiere.

  30. #30 Freddy
    01/06/2015

    @noch’n Flo Aber du hast doch auch die Misteltherapie empfohlen – mit fatalen Folgen für deine Patienten.

  31. #31 noch'n Flo
    Schoggiland
    01/06/2015

    Ja, weil ich es damals nicht hinterfragt habe (weil ich annahm, mein damaliger Oberarzt wüsste, was er tut). Das ist aber noch lange kein Grund, diese Therapie nicht zu kritisieren und zu bekämpfen. Ganz im Gegenteil: es zeigt, wie mächtig die Lobbyisten mittlerweile sind, dass viele Ärzte diese Pseudotherapien nicht mehr hinterfragen – was wiederum beweist, wie wichtig unser Widerstand und unsere Aufklärungsarbeit sind.

    Aber all das interessiert Dich natürlich nicht, gell?

  32. #32 Dr. Webbaer
    01/06/2015

    @ Zimtspinne :

    Ich selbst habe den Kram von Anfang an so verstanden, dass 1. die Selbstheilungskräfte aktiviert werden sollen und 2. der Patient sich ernst(er) genommen fühlt, 3. Ursachen und nicht allein Symptome im Fokus stehen.

    Es gibt wohl keine ‘Selbstheilungskräfte’, die irgendwie ‘aktiviert’ werden können, für Kranke.
    Kranke können bspw. auf Zurede hin ihr Verhalten umstellen oder mit bestimmten Symptomen zu leben lernen, so glücklicher werden, sich vielleicht auch geheilt fühlen, indem sie eben bspw. Beschwerden als zum Leben gehörend annehmend ignorieren – und vielleicht verschwinden die ja auch irgendwann.
    Krankheiten haben die angenehme Angewohnheit oft “von selbst” zu verschwinden.

    Ein Patient könnte zuvörderst erst einmal sich selbst ernst nehmen, korrekt.

    MFG
    Dr. W

  33. #33 Freddy
    01/06/2015

    @noch’nFlo doch, genau das interessiert mich und nichts anderes. Und genau hier ist auch der richtige virtuelle Ort dafür.

  34. #34 noch'n Flo
    Schoggiland
    01/06/2015

    Okay, sorry, habe Deinen Kommentar falsch einsortiert.

  35. #35 Adent
    02/06/2015

    @Zimtspinne
    Zu deinen Kommentaren wurde ja schon einiges erwidert (ganz ohne Hass ;-)), aber zu deinem Punkt 3 möchte ich noch etwas sagen:

    Ursachen und nicht allein Symptome im Fokus stehen.

    Das ist exakt vollkommen falsch, gerade die Homöopathie doktort nur an den Symptomen herum (Simileprinzip) und macht genau gar nichts gegen die Ursachen. Wie schon von Cornelius erwähnt ist das einzige was sich in der HP in Richtung Ursachen bewegt, die Zeit die investiert wird, die Methode HP hingegen ist eine 100%ige symptomorientierte.
    Deshalb auch mein Hinweis, der Faktor Zeit in der Medizin hat neben der direkten Medikamentenwirkung die größten Heilungskräfte.
    All das andere was du da so aufzählst habe ich schon persönlich erlebt z.B. ständige Sinusitis, bis dann ein Arzt meinte man müsse mal Fenster in die Nebenhöhlen zimmern. Zum Glück habe ich mir die Meinung von zwei weiteren Ärzten eingeholt und beide sagten mir, kann man machen, aber es bringt nur selten was, da sollte der Leidensdruck schon sehr hoch sein, da es sich durch die OP auch verschlimmern könne.
    Allein durch die Zeit dieser zwei Ärzte/innen war mir dann klar, nee, das mach ich nicht. Und schwupps seitdem hatte ich keine einzige Sinusitis mehr. Man stelle sich vor ich hätte auch noch Kügelchen geschluckt, da wäre sie wieder die wundersame Heilwirkung der HP ;-).
    Insofern, alles Quark mit der HP.

  36. #36 Dr. Webbaer
    05/06/2015

    Ursachen müssen die moderne aufklärerische skeptizistische Wissenschaftlichkeit nicht interessieren.
    Wichtich ist, was hilft, ist auch richtig, methodologisch.
    Der Grund besteht darin, dass die Welt zu komplex ist um zweifelsfrei Ursachen herausfinden zu können.

    Richtig ist, dass die evidenzbasierte Medizin ziemlich gut darin zu sein scheint auch Ursächlichkeit festzustellen, Anwendungen und deren Erfolg betreffend, die esoterische “Medizin” hat leider leider nie Anwendungen bereit stellen können, die exoterisch (das Fachwort) Patienten helfen.

    Medizin wie moderne aufklärerische Wissenschaftlichkeit ist empirisch oder am Erfolg orientiert, lassen Sie sich bitte nicht von Esoterikern irritieren, die zweifelsfrei festgestellte Ursächlichkeit fordern.

    MFG
    Dr. W

  37. #37 Dr. Webbaer
    05/06/2015

    PS:
    Es geht in obiger Nachricht zwar Richtung Utilitarismus, aber dieser ist nicht gemeint, ist auch schlecht, denn die (moderne, skeptizistische u.s.w.) WIssenschaftlichkeit ist auch daran interessiert, was wirklich oder real ist oder wirklich oder real zu sein scheint.

    Utilitarismus auch doof, sozusagen.

    MFG
    Dr. W (der bereit stehend bleibt für Nachfragen)