Wir haben dann noch im Sinne einer konstruktiven Kritik Experimente vorgeschlagen, die man machen müßte, um wirklich glaubhafte Belege für die aufgestellte Behauptung zu produzieren: Die DNA aus Blut (und anderen Körperflüssigkeiten; es müßte ja egal sein, woher sie kommt) müßte mittels moderner Verfahren extrahiert, sorgfältig aufgereinigt und am Schluß mittels HPLC o.ä. auf Reinheit (Abwesenheit anderer potentiell volatiler Komponenten) geprüft werden. Wenn auch mittels solcher hochreinen DNA-Proben noch Personen unterschieden werden können, wäre das ganze wesentlich glaubhafter. Alternativ könnten die Autoren ihre eigenen Experimente mit den verblindeten Proben einiger eineiiger Zwillingspaare wiederholen. Man weiß bereits, daß Hunde auch eineiige Zwillinge am Körpergeruch unterscheiden können, diese Unterscheidungsfähigkeit müßte aber verloren gehen, wenn ihr Verfahren tatsächlich geeignet wäre, alles außer der DNA aus den Proben zu entfernen und nur die DNA als Unterscheidungsgrundlage bliebe, da eineiige Zwillinge identische DNA haben.
Unser Fazit lautete, daß die Studie für die von vorneherein höchst unplausible Annahme, daß Hunde Menschen anhand von DNA unterscheiden können, keine Belege hervorgebracht hat, daß ihre Schlußfolgerung, daß Hunde dies können, mithin nicht durch Belege gestützt wird und daß daher diese Studie keinesfalls dafür eingesetzt werden darf, vor Gericht den Einsatz etwaiger DNA-Mantrailing-Beweismittel zu legitimieren!
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Unser kritischer Kommentar [3] und auch der eines anderen Wissenschaftlers, der sich mit anderen Aspekten der Arbeit befasst und diese kritisiert [4], sind inzwischen bei FSI veröffentlich worden. Leider ist zwischen Erscheinen dieser unseligen Studie und der Kritik daran jedoch einige Zeit vergangen, so daß sogar das ZDF in diesem Zeitraum einen Beitrag produzierte, der die Befunde thematisierte und die Behauptung, Hunde können DNA riechen, die ironischerweise im Beitrag als „eigentlich unmöglich“ bezeichnet wurde, wiederholte. Wir haben das ZDF natürlich inzwischen auf die wissenschaftlich fundierte Kritik (nicht nur von uns [4]) an der Behauptung hingewiesen. Leider fand man es dort nicht notwendig, den Beitrag aus dem Netz zu nehmen oder wenigstens einen schriftlichen Disclaimer zuzusetzen, der auf die Zweifel an den Befunden hinweist. Daß das ZDF damit suggeriert, mit den Behauptungen im Beitrag immer noch einverstanden zu sein, tut es nun bewußt und wider besseres Wissen. „Terra X“ hat wohl auch nicht mehr die höchsten Ansprüche an sich selbst…
Ganz aktuell befasste sich übrigens der Spiegel mit dem Fall, in dessen Artikel vor allem die Vorbehalte unseres Mitkritikers K.-U. Goss zur Sprache kommen.
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Aber wie konnte so eine Studie überhaupt veröffentlicht werden? Wieso sind die wirklich eklatanten Mängel des Manuskripts niemandem aufgefallen? Zunächst einmal ist FSI keine genetisch orientierte Zeitschrift und forensisch-molekularbiologische Artikel werden eher in deren Schwesterzeitschrift FSI:Genetics veröffentlicht. Das bemerkt man gleich, wenn man sich einmal die Herausgeber (Editorial Board) von FSI ansieht: keiner der Chef-Herausgeber und nur einer der assoziierten Herausgeber (Associate Editors) ist ein Experte für forensische Genetik und/oder DNA-Analytik. Meine persönliche Hypothese ist, daß die Studie über Mantrailing einem Nicht-Genetiker-Editor zur Bearbeitung gegeben wurde, der wiederum wahrscheinlich Nicht-Genetiker als Gutachter für das Manuskript herangezogen hat. Diesen ist die völlig unzulängliche Methode der DNA-Extraktion und die absurd hohe Menge Blutes (100 ml!), aus der die DNA „extrahiert“ wurde, womöglich nicht aufgefallen und blieb so unkritisiert. Ich wage daher auch zu behaupten, daß diese Studie bei FSI:Genetics (für die ich selbst auch regelmäßig als Gutachter tätig bin) nie und nimmer zur Veröffentlichung angenommen worden wäre. Übrigens gibt es am rechtsmedizinischen Institut der Uni Leipzig natürlich auch eine forensische Genetikerin. Es wird seine Gründe haben, daß sie an dieser Publikation nicht beteiligt war.
Hier hat also wirklich das peer review versagt, weil der eigentlich nur einen kleinen Teil der Studie ausmachende DNA-Aspekt sozusagen „unter dem Radar“ des hier nicht ausreichend fachspezifischen peer reviews geblieben, dann aber in den Medien sensationalistisch aufgeblasen und überrepräsentiert worden ist. Das ist natürlich sehr peinlich und ärgerlich ist es auch, daß die Studie so lange unwidersprochen blieb aber hey, wenigstens muß ich meinen Job, Personen anhand von DNA zu identifizieren, nun doch nicht an Kommissar Rex abtreten 😉
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