Wer mein Blog liest, der weiß, wie gern ich die Asteroiden habe. Ich bin für sie von Deutschland nach Österreich geradelt und habe sogar ein ganzes Buch über sie geschrieben. Asteroiden sind nicht nur interessant, sie sind auch enorm wichtig. Sie erzählen uns etwas über unsere Vergangenheit, sie sind der Schlüssel zu unserer Zukunft und sie sind eine potentielle Gefahr für unseren Planeten. Genug Gründe also, die Asteroiden ausführlich zu erforschen. Aber könnte die Erforschung der Asteroiden vielleicht selbst eine Gefahr für die Erde darstellen?
Diese Frage wird mir oft gestellt, wenn ich über geplante Weltraummission spreche, in der Methoden zur Asteroidenabwehr getestet werden sollen. Die basieren ja alle darauf, dass man die Bahn so eines Himmelskörpers verändert. Bei einem Test sucht man sich natürlich ein Objekt aus, dass nicht auf einem Kollisionskurs ist – und dann stellt sich die Frage: Was, wenn man die Bahn aus Versehen gerade so verändert, dass dieser Asteroid dann erst recht in Richtung Erde fliegt?
Das ist eine interessante und wichtige Frage und es gibt dazu auch Forschungsarbeiten, über die ich sicher ein anderes Mal mehr erzählen werde. Diesmal soll es aber um ein anderes Thema gehen: Die Asteroid Redirect Mission der NASA. Ursprünglich war da ja geplant, einen kompletten (wenn auch kleinen) Asteroiden einzufangen und zur Erde zu bringen. Dort soll der Asteroid in einer Mondumlaufbahn in Ruhe erforscht werden. Mittlerweile hat man das Konzept leicht geändert und will keinen kompletten Himmelskörper mehr abschleppen, sondern sich nur einen großen Brocken von der Oberfläche eines Asteroiden schnappen und in eine Mondumlaufbahn verfrachten.
Das klingt ein bisschen weniger spektakulär und ambitioniert. Ist aber bei genauerer Betrachtung viel cooler (ich habe hier mit einem Asteroiden-Experten darüber geredet). Denn nicht nur hat man dann am Ende trotzdem einen großen Brocken Asteroidenmaterial. Man kann damit gleichzeitig auch eine Methode der Asteroidenabwehr testen, nämlich den sogenannten “Gravity Tractor”. Dabei geht es darum, die Gravitationskraft zwischen einem Raumfahrzeug und dem Asteroid zu nutzen um dessen Bahn zu verändern. Normalerweise müsste man dafür ein sehr schweres Raumschiff zum Asteroid schicken, was teuer ist. In diesem Fall fliegt aber eine leichte Raumsonde zum Asteroid und besorgt sich dann dort direkt die Masse um schwer genug zu werden, damit der “Gravity Tractor” funktioniert.
Das Hauptziel ist aber natürlich der Transport des Asteroidenmaterials in eine Mondumlaufbahn, wo es dann von Astronauten ausführlich untersucht werden kann. Und wo soll da die Gefahr sein, von der ich im Titel dieses Beitrags gesprochen habe? Die haben Javier Roa von der Universität Madrid und sein amerikanischer Kollege Casey J. Handmer untersucht (“Quantifying hazards: asteroid disruption in lunar distant retrograde orbits”). Denn so ein kleiner Asteroidenbrocken hat nur eine geringe Schwerkraft, mit der er Material an seiner Oberfläche festhalten kann. Wenn die Astronauten dann am Asteroid herumwerken, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass einzelne Stückchen die lokale Fluchtgeschwindigkeit von weniger als einem Zentimeter pro Sekunde überschreiten und ins All hinaus fliegen.
Roa und Handmer haben nun untersucht, was mit diesen Brocken passiert. Die Dynamik in der Nähe des Mondes ist ziemlich komplex; hier muss nicht nur die Anziehungskraft des Mondes sondern auch die der Erde berücksichtigt werden. Der Asteroid selbst wird zwar in einem stabilen Bereich platziert, aber in der Umgebung findet man viele Regionen, in denen die Anziehungskräfte zu einer instabilen Bewegung führen. Die Bruchstücke könnten dann auf den Mond fallen oder sich in Richtung Erde bewegen. Für den Planeten selbst besteht da natürlich keine Gefahr, denn dafür sind die Brocken viel zu klein. Aber die Satelliten in den fernen geostationären Umlaufbahnen könnten eventuell beschädigt werden.
Wie realistisch diese Gefahr tatsächlich ist, haben Roa und Handmer in ihrer Arbeit untersucht und sie kamen am Ende zu dem Schluss, dass die Gefahr zwar nicht dramatisch groß, aber auch nicht unbedingt vernachlässigbar ist. Immerhin fünf Prozent der vom Asteroid entkommenen Brocken haben am Ende ihrer Simulationen die Region der Satelliten erreicht. Und um die zu beschädigen reichen auch schon kleinere Objekte aus. Die tatsächliche Menge an Material die in Richtung Satelliten fliegen kann, hängt aber auch vom Zeitpunkt ab. Denn die Neigung der Mondbahn gegenüber der Erdbahn ändert sich im Laufe der Zeit und je nach Neigung haben es die Teilchen leichter oder schwerer, in Richtung Erde zu fliegen.
Dieses Resultat ist natürlich kein Grund, die Asteroid Redirect Mission abzusagen! Aber die Überlegungen von Roa und Handmer können ein Ausgangspunkt sein, sich zu überlegen, wie man die Satelliten in Zukunft besser schützen kann. Und das kann ja mit Sicherheit nicht schaden…
Kommentare (49)