Die letzten 20 Jahre haben unsere Sicht auf das Universum fundamental verändert. Vor 1995 hatten wir keine Ahnung, ob unser eigenes Sonnensystem etwas Außergewöhnliches ist oder nicht. Dann entdeckte man den ersten extrasolaren Planeten der einen anderen Stern umkreist. Heute ist die Sache klar: Planeten sind überall; das ganze Universum ist voll damit und sie sind genau so häufig wie die Sterne selbst.
Diese Erkenntnis war aber erst der Anfang. Wir haben nicht nur gelernt, dass es überall anderswo auch Planeten gibt. Wir haben vor allem gelernt, dass es anderswo andere Planeten gibt! Zum Beispie die Supererden. Eine “Supererde” ist ein Gesteinsplanet mit einer festen Oberfläche, der größer ist als unsere Erde. So etwas gibt es bei uns nicht – die Erde ist schon der größte Gesteinsplanet des Sonnensystems – und es ist interessant sich die Gründe zu überlegen, warum das so ist.
Aber andere Sterne werden von Supererden umkreist und Wissenschaftler unter der Leitung von Mia Lundkvist von der Universität Aarhus in Dänemark haben sich diese Klasse von Himmelskörpern genauer angesehen (“Hot super-Earths stripped by their host stars”). Besonders interessiert hat sie dabei die “Wüste der heißen Supererden”.
Ob es diese “Hot Super-Earth Desert” tatsächlich gibt, war bis jetzt noch unklar. In unserem Sonnensystem ist der kleine Merkur der Sonne am nächsten. Verglichen mit anderen Planetensystemen ist zwischen den beiden aber noch jede Menge Platz. Wir kennen viele Planeten anderer Sterne, die einer viel engerer Umlaufbahn folgen. Es gibt zum Beispiel die “Hot Jupiters”; große Gasriesen die so nah an ihrem Stern vorbei laufen, dass sie einander schon fast berühren.
Die Nähe zum Stern hat natürlich Auswirkungen. Die hohen Temperaturen und der dort viel intensivere Sternwind können – wie ein Sandstrahler – die äußeren Schichten eines Planeten im Laufe der Zeit regelrecht abtragen. Aus diesem Grund geht man davon aus, dass es wenig bis keine “heißen Supererden” gibt. Damit sind in diesem Zusammenhang Himmelskörper gemeint, deren Radius zwischen dem 2,2 und 3,8fachen des Erdradius liegt (der nach der Erde nächstgröße Planet im Sonnensystem ist Neptun, dessen Radius dem 3,8fachen der Erde entspricht; von der Masse her nimmt allerdings Uranus den Platz vor der Erde ein) und die 650 mal mehr einfallende Strahlung von ihrem Stern abbekommen als die Erde von der Sonne.
Simulationen haben gezeigt, dass von solchen Planeten im Laufe der Zeit nur noch die Kerne übrig bleiben. Wir sollten sie also dort draußen nicht beobachten. Hier wird es nun schwierig mit der Bestätigung: Wenn man solche Planeten tatsächlich nicht beobachtet: liegt das dann daran, dass sie eben nicht da sind. Oder ist es nur Zufall, weil man in die falsche Richtung geschaut oder einfach nur Pech hatte?
Solche Vorhersagen lassen sich nur beantworten, wenn man genug Daten hat um verlässliche Statistiken zu erstellen. Und genau das haben die Astronomen nun gemacht. Planeten anderer Sterne kennt man ja mittlerweile genug. Allerdings kennt man nicht bei allen die relevanten Parameter in der nötigen Genauigkeit. Die Beobachtung der Planeten erfolgt indirekt und ihre Existenz wird aus dem Verhalten der Sterne abgeleitet. Nur wenn man die Eigenschaften der Sterne möglichst genau kennt, kann man auch die Eigenschaften der Planeten, also zum Beispiel ihre Größe oder ihren Abstand vom Stern, genau bestimmen.
Darin bestand der Haupteil der Arbeit der dänischen Wissenschaftler und ihrer Kollegen. Sie haben die Technik der Asteroseismologie genutzt, um die Sternparameter so exakt wie nur möglich zu bestimmen. Dabei misst man kleinste Lichtschwankungen der Sternhelligkeit, die von den Vorgängen im Inneren der Himmelskörper ausgelöst werden. Eine genaue Analyse erlaubt es dann, die Eigenschaften der Sterne wie zum Beispiel ihre Masse, ihr Alter oder ihre Größe zu bestimmen.
Mit den daraus abgeleiteten neuen Parametern für eine Auswahl von Supererden konnten die Astronomen nun erstmals die Existenz der “Supererden-Wüste” nachweisen. Dieses Diagramm zeigt die Ergebnisse:
Man sieht hier verschiedene bekannte Planeten (die vom Weltraumteleskop Kepler entdeckt wurden). Es sind alles Supererden und Gasplaneten; in blau die deren Daten besonders gut bestimmt werden konnten. Außerdem sind auch – in grün – die Gesteinsplaneten unseres Sonnensystems eingezeichnet. Auf der x-Achse ist der auf die Planeten eintreffende Strahlungsfluss des Sterns angegeben, auf der y-Achse der Radius des Planeten (jeweils in logarithmischer Skala und mit unserer Erde als Einheit).
Die Supererden-Wüste ist grau hinterlegt und tatsächlich findet sich dort kein einziger Planet. Lundkvist und ihre Kollegen haben auch untersucht, ob dieses Resultat Zufall sein könnte. Aber man hat mittlerweile genug Exoplaneten in der Datenbank um so gut wie sicher ausschließen zu können, dass diese Lücke nur durch Zufall zustande kam. Es muss tatsächlich weniger oder gar keine heißen Supererden geben! Die dichten und dicken Atmosphären- und äußeren Schichten dieser Himmelskörper werden vom Stern entfernt und nur die inneren, felsigen Kerne bleiben übrig.
Das ist ein interessantes Ergebnis und eines, das uns in Zukunft sicher noch weiterhelfen wird, wenn es darum geht aus all den bisherigen Beobachtungen von Exoplaneten ein universales Bild der Planetenentstehung und -entwicklung zu erstellen. Aber noch interessanter als das Ergebnis selbst ist für mich die Tatsache, dass es überhaupt vorhanden ist!
Man hat mich vor einigen Tagen bei einem Interview gefragt, was es denn in den letzten Jahren für “Sensationen” in der Exoplanetenforschung gegeben hat. Ich habe geantwortet, dass die eigentliche Sensation die Abwesenheit irgendwelcher Sensationen ist. Die üblichen “Sensationen” haben wir schon alle erledigt. Wir haben den ersten Exoplaneten entdeckt und den ersten Planeten in einem Doppelsternsystem gefunden. Den ersten Planeten in einem Dreifachsternsystem oder das erste Mehrplanetensystem. Wir haben den ersten Planeten mit fester Oberfläche gefunden; den ersten Planeten der so groß wie die Erde ist und den ersten Planete der kleiner als unser eigener ist. Und so weiter. All das, was wir an “Sensationen” mit unseren derzeitigen technischen Mitteln finden können, haben wir im Wesentlichen auch gefunden. Für weitere “Sensationen” – zum Beispiel den ersten Planeten mit einer erdähnlichen Atmosphäre – brauchen wir bessere Teleskope, die im nächsten Jahrzehnt fertig werden.
Aber momentan besteht die Sensation eben meiner Meinung nach darin, dass wir jetzt in der Lage sind, vernünftige Statistik zu betreiben. Die Entdeckung einzelner Planeten – früher eben noch jedes Mal sensationiell – ist heute Alltag. Aber unsere Datenbanken wachsen kontinuierlich. Und anstatt nur Aussagen über einzelne Objekte machen zu können, können wir daraus nun Aussagen über alle Planeten im Universum machen! Und das ist nichts anderes als sensationell!
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