Der Artikel ist Teil einer Serie zum Buch ”Die Himmelsscheibe von Nebra – Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas”* von Harald Meller und Kai Michel. Die restlichen Artikel der Serie findet man hier.
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Die Serie über die Himmelsscheibe von Nebra steuert langsam auf den Höhepunkt zu. Dieses faszinierende Ding aus der Bronzezeit ist eines bedeutsamsten geschichtlichen und wissenschaftlichen Objekte das wir je aus der Erde geholt haben. Warum das so ist hab ich in den ersten 11 Teilen meiner Serie schon erklärt (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7, Teil 8, Teil 9, Teil 10, Teil 11).

Wer hat dieses Ding gebaut! (Bild: Dbachmann, CC-BY-SA 3.0)

Dann ging es um die Frage, welche Gesellschaft vor fast 4000 Jahren in der Lage war, so ein Objekt zu erschaffen. Das in ihr verschlüsselte Wissen ist nur für eine Hochkultur von Nutzen und es braucht eine Hochkultur, um dieses Wissen zu gewinnen. So eine bronzezeitliche Hochkultur war in Mitteldeutschland aber noch nicht bekannt. Wie man aus den Erkenntnissen der Himmelsscheibe, aus den Ausgrabungen von Hügelgräbern und anderen Daten diese Hochkultur langsam aber sicher ans Licht gebracht hat, kann in den letzten 5 Teilen der Serie nachlesen (Teil 12, Teil 13, Teil 14, Teil 15, Teil 16).

Letzte Woche hab ich mit einem kleinen Cliffhanger geendet. Es ging um das enorme Hügelgrab des Bornhöck, eine “Pyramide des Nordens” und einen ebenso enormen Goldschatz der aus der Umgebung dieses Grabes stammt. Und die große Frage: Wer wurde dort begraben? Der Archäologe Harald Meller und der Historiker Kai Michel widmen der Antwort ein ganzes Kapitel – und beginnen mit dem auf der Hand liegenden Zusammenhang. Einerseits gibt es da jede Menge Fundstücke, jede Menge Gold, alles klassische Grabbeigaben die in der Nähe von Dieskau gefunden worden sein sollen. Andererseits gibt es in der gleichen Gegend ein gewaltiges Grab – bei dem aber die Grabbeigaben fehlen. Grab und Goldschatz stammen aus der gleichen Zeit; aus der Zeit aus der auch die Himmelsscheibe kommt. Ist es da nicht logisch, eine Verbindung herzustellen? Ist der Goldschatz von Dieskau, der nach dem zweiten Weltkrieg von den Russen nach Moskau mitgenommen wurde, irgendwann im 19. Jahrhundert, als der Grabhügel von Bornhöck aus landwirtschaftlichen Gründen abgetragen wurde, heimlich dort heraus geholt und verscherbelt worden?

Die Antwort darauf hat man in Archiven gesucht. Und dabei überraschende Erkenntnisse zu Tage gefördert. Da ist zum Beispiel ein Brief des Rittergutsbesitzes von Dieskau aus dem Jahr 1880. Der schrieb damals den Berliner Museen, dass er doch gerne das Gold wieder haben würde, dass Arbeiter unberechtigterweise von seinem Land entfernt haben. Fast 2 Kilogram sollen das gewesen sein, 13 Objekte. Das Museum hatte – von einem Schwrzhändler – aber nur 5 Stück bekommen. Was mit den restlichen 8 Objekten passiert ist, weiß man nicht. Aber es könnten genau die Stücke fehlen, die aus dem Dieskauer Schatz das komplette Set aus Beigaben machen, das große Herrscher damals bekommen haben. Das gleiche Ensemble, das man auch schon in den etwas älteren Grabhügel von Leubingen und Helmsdorf gefunden hatte. Ein Beil, zwei Dolche, zwei Gewandnadeln, zwei Lockenringe und eine Goldspirale würden noch fehlen – und das sind genau 8 Objekte. Dazu kommen die widersprüchlichen Angaben: Die Raubgräber die den Schatz im 19. Jahrhundert an den Hehler verkauft haben, haben behauptet sie hätten ihn einfach direkt aus der Erde gebuddelt und nicht aus dem Hügelgrab geholt. Man hat in der Bronzezeit aber kein Gold vergraben; zumindest nicht einfach so. Gold gab es nur als Beigabe in Gräbern und nur in den Gräbern wichtiger Personen. Der Pöbel wurde ohne Gold vergraben und als “Hort” hat man Gold nirgendwo gefunden.

Ein Teil des Goldfundes von Dieskau (Bild: gemeinfrei)

Wenn da also Set goldener Grabbeigaben ist und gleich nebenan ein so gewaltiger Grabhügel, dass dort eine mehr als wichtige Person gelegen haben muss, dann ist es nur logisch, dass beides zusammengehört. Zu diesem Schluss kommen auch die Archäologen. Es wird aber noch ein wenig komplizierter. Als die modernen Ausgräber die Reste des Hügelgrabs freigelegt haben, sind sie dabei auf Hundeskelette gestoßen. Die stammten allerdings aus dem Mittelalter! Wie kommen die Tiere mitten in ein Hügelgrab aus der Bronzezeit?

Das Grab muss also früher geöffnet worden sein. Und wenn sich im Mittelalter durch diesen gewaltigen Hügel buddelt, dann sicher nicht aus reinem Spaß an der Freude. Dann wird man den Schatz darin auch mitgenommen haben. Aber: Wer war das und wo kommt dann das Gold her, das heute im Museum in Moskau liegt? Meller und Michel haben eine nette Hypothese: So ein riesiges Grab öffnet man nicht an einem Nachmittag mit ner Schaufel. Das braucht sehr viel Zeit, das braucht bergmännische Techniken; das muss quasi offiziell organisiert worden sein. Und die Person, die zu der Zeit am ehesten in der Lage dazu gewesen wäre, war Wichmann von Seeburg, Erzbischof von Magdeburg. Der hätte Gold damals gut brauchen können um Kaiser Friedrich I. bei seinen Kriegszügen zu unterstützen. Was ich ganz besonders faszinierend fand: Als Archäologen im Jahr 2010 im Dom von Magdeburg Ausgrabungen anstellten, fanden sie auch das Grab des Erzbischofs. Zwecks Forschung haben sie den guten Wichmann von Seeburg mit ins Landesmuseum von Halle genommen, wo er rumlag, während quasi im Nebenzimmer über die Frage diskutiert wurde, ob er damals das Hügelgrab des Bornhöck ausgeraubt hatte.

Ob er es wirklich war, wird sich nicht mehr zweifelsfrei feststellen lassen. Aber viel wichtiger ist die andere Frage: Wenn man damals schon das Gold aus dem Grab geholt hat, was war dann mit dem Schatz der Raubgräber aus dem 19. Jahrhundert? Dass diese Raubgräberei stattgefunden hat, konnte man bei den Grabungen im 21. Jahrhundert übrigens auch feststellen. Man fand Spuren aus der damaligen Zeit – und eine Flasche, die damals im gegrabenen Loch entsorgt worden war (macht man anscheinend so bei der Raubgräberei). Es bleibt nur die Schlussfolgerung: Im Bornhöck sind mehrere Menschen bestattet worden. Entweder ein Herrscher mit kurz nach ihm verstorbenen Angehörigen. Oder eine “dynastische Grablege”, also ein “Familiengrab”. Dafür spricht die große Anzahl der Armringe die man gefunde hat, die zu mehr als nur einem Grab passen.

Hat noch kein Hügelgrab. Ist aber auch noch kein König! (Bild: Northern Ireland Office, CC-BY 2.0)

Die ganze Diskussion um den Bornhöck ist interessant, aber es geht ja hier um die Himmelsscheibe und die Herrscher des Reichs von Aunjetitz. Wie passt das Riesengrab von Bornhöck zu den kleineren und ein wenig älteren Hügelgräbern von Leubingen und Helmsdorf. Und was kann man daraus über die Struktur und Hierarchie von Aunjetitz schließen? Meller und Michel schlagen folgende Deutung vor: Das Reich von Aunjetitz ist langsam immer mächtiger geworden. Die zentrale Handelslage in Europa, die guten Böden und die daraus erwirtschafteten Gewinne machten die Herrscher des Reichs immer reicher. Und immer mächtiger. Und damit die Grabhügel immer bombastischer. Aus den Fürsten, die zuvor in Leubingen und Helmsdorf bestattet worden sind, konnten Könige geworden sein. Und mit einem König hat man dann auch einen ausreichend mächtigen Herrscher, der als Auftraggeber für die Himmelsscheibe von Nebra in Frage kommt.

Ob im Bornhöck wirklich ein “König von Aunjetitz” lag und er auch der “König der Himmelsscheibe” gewesen ist, wird sich so schnell aber nicht bestätigen lassen. Dazu braucht es mehr Daten von neuen Hügelgräbern. Die werden aber gesammelt; es gibt – so Meller und Michel – neue Kandidaten für noch unentdeckte Hügelgräber und neue Ausgrabungen die geplant sind. Es bleibt also weiterhin spannend. Auch, was den Rest dieser Serie angeht. Denn morgen gibt es Krieg! Und Alchemisten… *Affiliate-Links

Kommentare (5)

  1. #1 Leser
    25. März 2019

    Gestern Abend lief im ZDF (neo info …?) eine 45 minütige Dokumentation über die Himmelsscheibe von Nebra. Da war das auch alles dargelegt, nur etwas kürzer. Und Aunjetitz habe ich auch nicht gehört. Aber die Dokumentation stammte ja auch von 2010, und seit dem hat sich hoffentlich noch etwas getan. Auf den dort gezeigten Landkarten habe ich gesehen, wie kleinräumig das alles an Saale und Unstrut zusammenliegt.

  2. #2 Thomas
    25. März 2019

    Hallo Leser….

    seit 2010 ist in der Forschung um Aunjetiz sehr viel passiert.
    Sowohl durch die zielgerichtete Forschung direkt um die Himmelsscheibe, als auch durch neuere Ausgrabungen.
    Eins der schönsten Beispiele hierfür ist das Langhaus von Dermsdorf, welches in Sichtweite zum Leubinger Fürstengrab gefunden wurde.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hortfund_von_Dermsdorf

  3. #3 JW
    25. März 2019

    ZDFinfo war es. Lief unter TerraX. War ganz brauchbar, aber der 8 Jahre sind Welten in der Forschung.

  4. #4 Florian Freistetter
    25. März 2019

    @Thomas: “seit 2010 ist in der Forschung um Aunjetiz sehr viel passiert.”

    Dermsdorf kommt morgen in der Serie an die Reihe. Das hier ist ja ne Artikelserie über das in der Einleitung erwähnte Buch zur Himmelsscheibe das 2018 erschienen ist; also sehr aktuell. (Meine Artikel haben nix mit der Doku aus dem Jahr 2010 zu tun)

  5. #5 Thomas
    25. März 2019

    @Florian

    sorry, ich wollte Dir nicht vorgreifen… 🙂
    Habe als Thüringer natürlich auch das Interesse an Deiner Reihe!

    Gruß
    Thomas