In meinem 50tägigen Countdown zum 50. Jubiläum der Mondlandung habe ich schon über alle möglichen wissenschaftlichen, kulturellen und historischen Themen geschrieben die auf die eine oder andere Art mit dem Mond zu tun haben. Ein Weltuntergang war aber noch nicht dabei. Den gibt es aber heute, eine Woche bevor der Countdown bei Null angelangt ist.
Entdeckt hat die durch den Mond ausgelöste Apokalypse ein gewisser J. W. Schmitz im 19. Jahrhundert. Der wird nämlich auf die Erde stürzen! Und zwar im Jahr 2630, spätestens! Ich habe es nicht geschafft seinen Vornamen herauszufinden, was vermutlich auch daran liegt, dass er nicht wirklich irgendwas herausgefunden hat, das ihn bleibend in unserer Erinnerung eingeprägt hat. In Buch “Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert: Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848-1914 von Andreas Daum taucht der Name genau einmal auf und zwar im Satz: “Der in den Annalen der Wissenschaftsgeschichte gänzlich unbedeutende Privatgelehrte J.W. Schmitz (…)”.
Wenn man ein wenig weiter sucht findet man dann aber immerhin einiger seiner Werk die dank Google sogar im Volltext zugänglich sind. Zum Beispiel “Der kleine Kosmos: eine allgemein verständliche Weltbeschreibung” aus dem Jahr 1852. Ich habe das Buch nicht komplett gelesen, aber da wo ich es gelesen habe klingt es tatsächlich so wie man das auch heute noch von “Privatgelehrten” kennt. Also den Leuten, die keine richte Ausbildung und Ahnung von dem Thema haben über das sie schreiben aber trotzdem der Meinung sind sie wüssten alles besser als die Experten. Schmitz auf jeden Fall ist davon überzeugt dass er verstanden hat wie das Universum funktioniert und der Rest der Fachwelt nicht.
Mehr dazu kann man in seinem früher, d.h. 1830 erschienenen Werk “Die physischen und moralischen Bewegungen der Natur: Ursprung des Lebens und der bürgerlichen Gesellschaften (Theorie der Politik)” lesen:
“Daß die Erde und die übrgen Planeten sich mehr und mehr von der Sonne entfernen, werde ich aus den physischen Ursachen nachweisen, und habe darüber die astronomischen Thatsachen bereits bekannt gemacht. (Bewegung der Erde und der anderen Planeten von ihrem Ursprunge bis zu ihrem Ende, Berlin 1830).”
Ich will jetzt gar nicht auf die Details seiner Theorie eingehen. Aber im Wesentlichen geht es darum, dass er Beobachtungen aus der Antike mit denen von heute vergleicht und zu dem Schluss kommt, dass sich die Erde von der Sonne entfernt. Der Einwand der echten Astronomen, dass man die alten Daten vielleicht nicht absolut ernst nehmen sollte weil man damals nicht so genau gearbeitet hat, lässt er nicht gelten. Er ist der Meinung, dass sich alle Planeten nach außen bewegen; dass die Erde früher da war wo heute die Venus ist und in Zukunft da landen wird, wo jetzt Jupiter und Saturn sind. Ich gehe davon aus, dass daraus auch die Geschichte mit dem auf die Erde stürzenden Mond stammt.
Dazu müsste ich aber das 40seitige Heft mit dem Titel “Bewegung der Erde und der anderen Planeten von ihrem Ursprunge bis zu ihrem Ende, oder, Auszug aus den astronomischen Tabellen eines noch nicht herausgegebenen Werkes, wo diese Bewegung aus den Beobachtungen der Astronomen von den ältesten Zeiten bis zu uns nachgewiesen wird” auftreiben. Das muss 1830 in Berlin erschienen sein, aber zumindest online ist kaum eine Spur davon zu finden. Ich habe aber zwei Besprechungen dieser Schrift gefunden, eine in der Leipziger Literaturzeitung (Nr. 67, März 1831) und eine in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung (Nr. 108, Juni 1832). Darin gehen die Rezensenten nicht allzu freundlich mit dem Privatgelehrten um:
Schmitz jedenfalls hat (wie ich nicht der Originalquelle sondern nur dem Buch “Die Entdeckung der Zukunft” von Lucian Hölscher entnommen habe) herausgefunden, dass sich der Mond jedes Jahr um circa 50 Meilen der Erdoberfläche nähert. Weswegen er spätestens in 800 Jahren auf die Erde fallen wird; aber vermutlich schon viel früher aufschlagen wird, weil die Geschwindigkeit ja zunimmt je näher er uns kommt.
Gut, das wäre dann irgendwann im 27. Jahrhundert – kein Grund für spontane Panik. Vor allem ist es aber natürlich absoluter Quatsch! Es war überraschend die Texte von Schmitz zu lesen; obwohl sie aus dem 19. Jahrhundert stammen lesen sie sich fast genau so wie der Kram den die modernen Pseudowissenschaftler und Weltuntergangsverkünder schreiben. In dem Fall hat dann aber spätestens die Mission von Apollo 11 mit dem Schmitzschen Unsinn der Mondannäherung aufgeräumt. Armstrong und Aldrin haben nämlich Laserreflektoren auf dem Mond installiert die auch heute noch mit mit Laserstrahlen von der Erde aus anvisiert werden können um den Abstand zwischen Mond und Erde extrem exakt zu bestimmen. Darum wissen wir auch, dass der Mond sich von der Erde entfernt – was wir natürlich auch schon lange vor Apollo wussten (das ist eine eine Folge der Gezeiten und der Drehimpulserhaltung). Aber dank der Laserreflektoren können wir das nun sehr genau messen und daraus jede Menge neue Erkenntnisse ableiten.
Der Mond geht also langsam; wir müssen allerdings keine Angst vor seinem Verschwinden haben. Er entfernt sich mit vier Zentimetern pro Jahr; bis er so weit weg ist dass er nicht mehr gravitativ an die Erde gebunden ist, ist die Sonne schon längst zum roten Riesen geworden. Und wenn es uns in dieser Milliarden Jahre entfernten Zukunft noch geben sollte, sind wir hoffentlich schon längst anderswo im Universum unterwegs.
P.S. Falls Historikerinnen und Historiker mitlesen: Über weitere Erkenntnisse und Quelle zu Schmitz und seiner Arbeit würde ich mich sehr freuen!.
———————————
Der komplette Countdown: 50 | 49 | 48 | 47 | 46 | 45 | 44 | 43 | 42 | 41 | 40 | 39 | 38 | 37 | 36 | 35 | 34 | 33 | 32 | 31 | 30 | 29 | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 |19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 | 0
Kommentare (27)