Meine Serie über die neuen Klimamythen möchte ich mit einem Thema beginnen, das mit Sicherheit in der Diskussion auftauchen wird. Und um nicht jedes Mal neu darüber diskutieren zu müssen, steht es eben nun ganz am Anfang. Es geht um das Argument, dass in fast jeder Debatte über den Umgang mit der Klimakrise früher oder später irgendwo eingebracht wird: “Jede Maßnahme zum Klimaschutz die wir jetzt setzen können, ist langfristig sinnlos weil die Zahl der Menschen auf der Erde immer weiter wächst. Das einzige was wirklich etwas ändert ist eine Reduktion der Weltbevölkerung. Die wichtigste Klimaschutzmaßnahme ist also dafür zu sorgen, dass die Geburtenrate sinkt.”
Diese Aussage ist ein Mythos. Die Menschen, die mit dem Bevölkerungswachstum der Menschheit argumentieren, tun das entweder aus Unwissenheit über die Fakten. Oder um von dem abzulenken, was wirklich getan werden müsste. Letzteres ist verwerflich; die Unwissenheit in dem Fall dagegen verständlich. Man muss sich die Situation ein wenig genauer ansehen, um zu erkennen, warum der Hinweis auf das Bevölkerungswachstum hier die falsche Strategie ist. Ich habe dazu schon vor einiger Zeit einen langen Artikel geschrieben und möchte mich nicht wiederholen. Deswegen fasse ich das, was dort steht, nur kurz zusammen (und im vorhin verlinkten Artikel finden sich auch Quellen zu den Aussagen):
- Wir Menschen sind für die aktuelle Klimakrise verantwortlich. Mit ein Grund dafür ist selbstverständlich auch die Tatsache, dass wir SEHR viele Menschen sind und darum auch zu viele Ressourven verbrauchen. Weniger Menschen auf der Erde wären also definitiv klimafreundlicher.
- Aber: Die Geburtenrate sinkt schon. Sie sinkt weltweit. Momentan liegt die globale Geburtenrate bei circa 2,4 Kindern pro Frau und es braucht nicht mehr viel, um den Wert von 2,1 Kindern pro Frau zu erreichen. Dann käme das Wachstum zum Stillstand.
- Trotz der seit Jahrzehnten global sinkenden Geburtenrate wächst die Weltbevölkerung. Der Grund ist vor allem die immer höhere Lebenserwartung. Es werden in Zukunft nicht mehr Menschen dazu kommen, als sterben. Aber die, die jetzt noch nicht tot sind, werden länger leben als ihre Vorfahren. Vor allem die Kinder, die jetzt leben oder geboren werden, werden noch ein (hoffentlich!) langes Leben vor sich haben.
- Die Kinder, die jetzt leben, leben noch lange. Wenn sie erwachsen sind, können sie sich fortpflanzen. Die Kinder, die vor ein paar Jahren geboren wurden, können sich in ein paar Jahren ebenfalls fortpflanzen. Oder anders gesagt: Es dauert ein paar Jahrzehnte, bis sich die sinkende Geburtenrate auch in einem Sinken der Weltbevölkerung niederschlägt. Sie wird noch bis circa zum Jahr 2100 weiter wachsen und erst danach weniger werden (vielleicht sinkt sie auch schon ein bisschen früher).
- Wir können/brauchen also nicht dafür sorgen, dass die Geburtenrate sinkt; das tut wir schon und sie sinkt schon lange. Wenn wir die Weltbevölkerung tatsächlich zeitnah reduzieren wollen, gäbe es dafür eigentlich nur einen Weg: Wir müssten aktiv jetzt lebende Menschen zu Tode bringen. Das allerdings ist völlig absurd und kein auch nur irgendwie ernsthafter Vorschlag, um mit der Klimakrise umzugehen! Globaler Massenmord taucht vielleicht in Verschwörungsmythen auf; hier hat das Thema nichts zu suchen!
- Wir müssen vor allem auch nicht irgendwelche neokolonialistischen “Erziehungsmethoden” gegenüber Ländern in Afrika und Asien einsetzen, in der Art von “Entwicklungshilfe/Handel/etc gibt es nur, wenn ihr zuerst brav alle weniger Kinder kriegt”. Erstens sinkt die Geburtenrate auch dort. Zweitens sind WIR im globalen Norden für die Klimakrise verantwortlich: Das CO2, das jetzt für einen Treibhauseffekt sorgt, haben WIR in die Atmosphäre gepustet und nicht die Länder in Afrika oder sonstwo, wo wir es gerne hätten. Und drittens gibt es einen erwiesenermaßen funktionierenden Weg, um für eine sinkende Geburtenrate zu sorgen: Bildung und Emanzipation! Je mehr Frauen Zugang zu Bildung haben; je mehr Rechte die Frauen bekommen: Desto weniger Kinder kriegen sie auch. Dafür kann und soll man sich einsetzen!
- Wenn die Bevölkerung aber auf jeden Fall noch bis zum Ende des Jahrhunderts wachsen wird, dann erübrigt sich jede Verknüpfung mit der Klimakrise. Denn die müssen wir JETZT lösen. Wir können aber JETZT nichts tun, um die Weltbevölkerung zu verringern. Wir müssen – und können! – aber jede Menge tun, um zu verhindern, dass immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen. Der Versuch, die Debatte über sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen auf das Bevölkerungswachstum zu konzentrieren, ist ein Scheinargument und lenkt von dem ab, auf das wir uns konzentrieren müssen.
Selbstverständlich ist es wichtig darauf zu achten, dass die Geburtenrate nicht wieder ansteigt. Es ist klar, dass die Erde überbevölkert ist und wir langfristig hier ein gutes Gleichgewicht finden müssen. Mit den akut nötigen Klimaschutzmaßnahmen hat das aber nichts zu tun. Es gibt allerdings einen Zusammenhang zwischen den beiden Themen, der es wert ist, erwähnt zu werden. Ich bin darauf in dem lesenswerten Buch “Zieht euch warm an, es wird heiß!: Wie wir noch verhindern können, dass unser Wetter immer extremer wird”* von Sven Plöger gestoßen. Die Weltbevölkerung wird, wie vorhin erklärt, irgendwann gegen Ende dieses Jahrhunderts ihr Maximum erreichen. Auch die negativen Auswirkungen der Klimakrise werden im Laufe der Zeit zuerst einmal schlimmer werden, bevor (hoffentlich!) eine Besserung eintritt, weil wir das mit dem Klimaschutz doch noch auf die Reihe bekommen haben. Je mehr Menschen auf der Erde leben, desto mehr sind von diesen Auswirkungen betroffen und desto schwierige wird es für uns, damit umzugehen. Das bedeutet: Der schlimmste Fall wäre der, bei dem das Maximum der Weltbevölkerung mit dem Maximum der negativen Klimaeffekte zusammenfällt. Das sollten wir dringend vermeiden und der einzige Weg besteht darin, die Klimakrise zu lösen, BEVOR die Weltbevölkerung ihren höchsten Wert erreicht hat. Wir müssen jetzt damit anfangen, damit wir in den nächsten paar Jahrzehnten das schlimmste überstanden haben. Das macht die Lösung der Klimakrise nämlich auch nachhaltiger: Alles was wir tun, um das Klima zu schützen, wird uns leichter fallen, wenn weniger Menschen auf der Erde leben. Die gegen Ende des Jahrhunderts dann sinkende Weltbevölkerung trägt dann also dazu bei, dass das Klima weiterhin geschützt wird.
Also: Der Klimaschutz muss JETZT stattfinden. Dann haben wir eine Chance, die Tatsache der später sinkenden Weltbevölkerung zu nutzen, um das Problem mit dem Klima langfristig zu lösen. Wer die steigende Weltbevölkerung als Argument gegen dringend nötige Klimaschutzmaßnahmen verwendet, hat entweder die Mechanismen des Bevölkerungswachstums nicht verstanden. Oder will dieses Scheinargument dafür benutzen, um vom Einsatz genau dieser dringenden Maßnahmen abzulenken.
Die komplette Serie
- Teil 01: Einleitung
- Teil 02: Um die Klimakrise zu lösen, muss das Bevölkerungswachstum gestoppt werden (erscheint am 05.07.2021)
- Teil 03: Kernkraft ist nötig, um die Klimakrise zu bekämpfen (erscheint am 07.07.2021)
- Teil 04: Sternengeschichten Folge 450: Kippelemente im Klimasystem (erscheint am 09.07.2021)
- Teil 05: Die Kernfusion wird die Klimakrise für uns lösen (erscheint am 12.07.2021)
- Teil 06: Das Klima ist so komplex, dass man den Modellen der Forschung nicht vertrauen kann (erscheint am 14.07.2021)
- Teil 07: Sternengeschichten Folge 451: Der Treibhauseffekt auf anderen Himmelskörpern (erscheint am 16.07.2021)
- Teil 08: Elektro- und Wasserstoffautos sind die Lösung für die Klimakrise (erscheint am 19.07.2021)
- Teil 09: Solange wir das CO2 nicht aus der Atmosphäre entfernen können, brauchen wir mit dem Klimaschutz gar nicht anfangen (erscheint am 21.07.2021)
- Teil 10: Sternengeschichten Folge 452: Die Keeling-Kurve (erscheint am 23.07.2021)
- Teil 11: Was Deutschland (Österreich) tut, hat auf das globale Klima doch keinen Einfluss (erscheint am 26.07.2021)
- Teil 12: Es ist doch eh längst zu spät, etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen (erscheint am 28.07.2021)
- Teil 13: Fazit und Zusammenfassung(erscheint am 02.08.2021)
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