Die Oberflächen der Knochenteile wurde mit einem Dremel-Rotationswerkzeug abgeschliffen. Der Kieferknochen erwies sich als zu instabil und wurde an dieser Stelle zurückgestellt und nicht für die DNA-Extraktion (s.u.) verwendet. Die Schienbein- und Oberschenkelknochen wurden dann mit einer Sektionssäge in Teile zerlegt (s. Photos). Einzelne Segmente und die Zähne wurden weiter dekontaminiert, indem sie erst für ca. 15 min in Chlorbleiche inkubiert, dann mit Reinstwasser abgespült und schließlich kurz in Ethanol getaucht wurden. Die so behandelten Stücke wurden über Nacht an einem sterilen Ort getrocknet. Am Folgetag wurden die Stücke einzeln in einer speziellen Knochenmühle („SPEX 6750 Freezer Mill“) unter flüssigen Stickstoff (um keine DNA-schädigende Hitze entstehen zu lassen) zu feinem Pulver zermahlen.

Zur Extraktion der DNA aus dem Knochenpulver setzte das Labor gleich drei Methoden parallel ein, um möglichen Schwierigkeiten durch das hohe Alter der Knochen zu begegnen: 1. eine Methode, die Loreille et al. zuvor für die DNA-Exktraktion aus einer mumifizierten Leiche beschrieben hatten [2], 2. eine Methode auf Basis von Silica-Säulen und 3. eine organische Extraktion (die Beschreibungen der 2. und 3. Methode habe ich in einem älteren Artikel schon gegeben). Die Quantifizierung der Knochen-DNA wurde mittels quantitativer PCR durchgeführt (wie das geht, beschrieb ich hier).

Im Anschluss wurden sowohl 16 autosomale als auch 17 y-chromosomale STR- Systeme umfassende Profile aus der Knochen-DNA erstellt. Dazu wurde die DNA mit verschiedenen Kits amplifiziert und die entstandenen Produkte kapillarelektrophoretisch aufgetrennt. Im Gegensatz zu autosomalen sind Y-chromosomale STR-Profile Haplotypen, so wie die mtDNA, und daher nicht so aussagekräftig, wie die autosomalen (also auf den Chromosomen 1-22 liegenden) STR-Systeme, eignen sich aber sehr gut, um väterliche Erblinien zurückzuverfolgen.

Das Labor erhielt auch Vergleichsspeichelproben möglicher lebender Verwandter von Zeke Harper, mit denen auf gleiche Weise verfahren wurde, die aber erst bearbeitet wurden, nachdem die Bearbeitung der Knochenproben vollständig abgeschlossen war. Auch dies diente der Vermeidung möglicher Kontaminationen.

 

Ergebnisse:

Autosomale STR-Systeme:

autosomal-STRs

Zeilen: einzelne Proben, jeweils mit Knochentyp und Extraktionsmethode
Spalten: STR-Systeme
Ausschnitt; aus [1]

Y-Chromosomale STR-Systeme:

Y STRs

Zeilen: einzelne Proben, jeweils mit Knochentyp und Extraktionsmethode
Spalten: STR-Systeme
Ausschnitt; aus [1]

Die Tabellen zeigen jeweils Ausschnitte aus den autosomalen und y-chromosomalen STR-Ergebnissen. Man erkennt, daß für alle Knochen und die verschiedenen Extraktionsmethoden jeweils nur Teil-Profile erzeugt werden konnten, was auf die durch das hohe Alter der Knochen bedingte DNA-Degradation zurückzuführen ist. Es gelang aber, durch Zusammenführen der in allen Systemen jeweils übereinstimmenden Teilprofile, sogenannte Konsensus-Profile für autosomale und Y-chromosomale STR-Systeme zu erstellen, so daß für den Verstorbenen jeweils vollständige Profile rekonstruiert werden konnten. Die beste Extraktionsmethode schien übrigens die organische Extraktion gewesen zu sein, die ansonsten und eigentlich kaum noch Verwendung in der forensischen Routine findet. Der Grund ist wahrscheinlich, daß bei diesem Verfahren am wenigsten DNA verloren geht.

Da der mögliche Sohn von Zeke Harper, Earl, nicht exhumiert wurde, standen keine direkten Verwandten Zekes als Vergleichspersonen zur Verfügung. Von Earls sieben Kindern lebte nur noch eine seiner Töchter, die allerdings kein Y-Chromosom besitzt. Außerdem standen noch zwei mögliche Urenkelsöhne Zekes zur Verfügung, die jeweils von einem Sohn Earls abstammten und demnach Zekes Y-Chromosom über drei Generationen von ihm geerbt haben müssen.

 

stammbaum

Quadrat: Mann, Kreis: Frau; durchgestrichen: steht nicht zum Test zur Verfügung; grau schattiert: gemeinsames Y-Chromosom

 

In einer solchen Konstellation bringt eine Einbeziehung autosomaler STR-Systeme kaum Nutzen, da bei diesen Systemen die Rekombination über zwei bzw. drei Generationen viel zu hoch ist, um auf überzeugende Werte für die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Verwandtschaft zu kommen. Also konzentrierte man sich auf die Y-Chromosomen. Wie gesagt: wenn Earl wirklich der Sohn Zekes war, dann müssen Zeke und er und alle von ihm, Earl, abstammenden Männer, also auch seine Enkel, einen (bis auf mögliche Mutationen) identischen Y-chromosomalen Haplotypen besitzen.

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Kommentare (4)

  1. #1 rolak
    06/03/2015

    Evidenz ist mit dieser Hypothese vereinbar

    Oh wie schön, mit dieser eleganten Konstruktion werde ich demnächst gewisse Mitmenschen zielsicher zur Weißglut treiben 😉

    Konkret off-, doch global on-topic: Ist ‘forensisch’ wie in ‘forensische Untersuchung’ eigentlich eng beschränkt auf ‘dem Gericht bzw der Rechtspflege dienend’ oder kann es auch umfassender genutzt werden – wie zB gestern in einer Doku bei einer Untersuchung eines Leichnames aus dem ersten Jhdt zur Klärung der Herkunft?

  2. #2 Cornelius Courts
    13/03/2015

    @rolak: eigentlich ist “forensisch” schon im Zusammenhang mit dem Gericht/Recht/Rechtsprechung dienend bzw. in deren Interesse zu verstehen. Manchmal wird er dann etwas ungenau ausgeweitet.
    Bei Deinem Beispiel könnte es trotzdem korrekt sein, denn wenn der Tote aus dem 1. Jhdt. ermordet wurde, wäre die Untersuchung durchaus forensische, da Mord ja bekanntlich nicht verjährt 🙂

  3. #3 rolak
    13/03/2015

    Mord

    Yo, das wäre eine Möglichkeit, Cornelius, allerdings ging es wirklich nur um die Herkunft, um den Einzugsbereich eines Heiligtums abzuklären (groß). Ob neben dem Schädel (mit den isotopisch wichtigen Zähnen) allerdings noch mehr Knochiges gefunden wurde, ist mir nicht mehr erinnerlich.
    Eigentlich gemeint war wohl ‘Untersuchung durch einen hauptberuflichen Forensiker’.

    Und überhaupt, wer soll denn wie diese grotesk lange UHaft abfeiern?

  4. #4 Roderick Biagioni
    07/07/2016

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