Viren sind keine Bakterien sind keine Einzeller!
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Viele Leute kennen immer noch nicht den Unterschied zwischen Viren und Bakterien, von pathogenen Einzellern ganz zu schweigen. Dabei sind die Unterschiede zwischen diesen Organismen sehr groß und sehr wichtig, insbesondere wenn es um die Bekämpfung krank machender Varianten geht. Deshalb möchte ich die wichtigsten Unterschiede hier einmal erklären.
Viren (von lat. „virus“: Gift) sind im eigentlichen Sinne keine Lebewesen. Ihnen fehlen wichtige Kennzeichen des Leben, darunter ein eigenständiger Stoffwechsel, Reizbarkeit, Wachstum und Entwicklung. (Übrigens: es heißt DAS Virus, nicht „der Virus“, wie man es dauernd falsch hört!)
Sie sind eine komplexe, zweckmäßige Ansammlung von Biomolekülen, die in der Evolution auf genau einen Zweck hin optimiert und dabei extrem reduziert wurden: mehr davon zu machen. Und zwar koste es, was es wolle und sei es das Leben der Produktionsstätte, d.h. der Zelle eines Wirtsorganismus’. Daß auch der Mensch im Laufe der Evolutionsgeschichte ein stetiges Ringen mit viralen Parasiten durchlebt hat, davon zeugt die Tatsache, daß unser Genom zu über 40% aus Transposonen besteht, die, so eine Theorie, die Überbleibsel viraler Infektionen sind.
Viren sind eine riesige und überaus vielfältige Gruppe perfektionierter Parasiten (genauer: obligat intrazellulärer Parasiten) und können so gut wie jeden Organismus befallen, Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze, Einzeller, Bakterien, es gibt sogar Viren, die andere Viren parasitieren. Viren bestehen aus einem Erbgutmolekül, das kann DNA aber auch RNA sein, welches in eine Proteinhülle eingebettet ist, die es schützt und so aufgebaut ist, daß sie das Einschleusen des Virusgenoms in bestimmte Wirtszellen ermöglicht. Die Hülle enthält zudem häufig noch einige Enzyme, die dem Virus als „Starthilfe“ in der Wirtszelle dienen.
Die stark vereinfachte Abbildung zeigt zwei völlig unterschiedliche Virentypen: links einen Bakteriophagen, ein Virus, das Bakterien befällt und rechts das Grippevirus. Der Phage hat ein aus DNA bestehendes Genom, das Genom des Grippevirus‘, ein sogenanntes Retrovirus, besteht hingegen aus RNA und muß in der Wirtszelle zunächst in DNA umgeschrieben, man nennt das revers transkribiert werden, da sonst die darin gespeicherte Information nicht umgesetzt werden kann.
Häufig ist durch die Beschaffenheit der Proteinhülle, des Capsids, eine extreme Wirtsspezifität gegeben, d.h. das Virus kann nur einen ganz bestimmten Organismus oder Zelltyp befallen. Das HI-Virus zum Beispiel befällt ausschließlich CD4-T-Zellen. Obgleich Virusbiologie höchst spannend und vielseitig ist, befasse ich mich ab hier nur mit humanpathogenen Viren, die für uns am relevantesten sind. Übrigens ist/war auch der Erreger von COVID-19 (Corona-Pandemie vom Frühjahr 2020) ein Virus (das sog. SARS-CoV-2).
Da Viren intrazelluläre Parasiten sind, die möglichst schnell ins Innere einer Wirtszelle gelangen und dort die biologische Synthesemaschinerie kapern müssen, um Kopien von sich selbst anfertigen zu können, gibt es keine wirksamen Medikamente gegen sie, die etwa mit Antibiotika vergleichbar wären. Noch einmal ganz deutlich: Antibiotika sind gegen Viren komplett nutzlos! Es gibt zwar einige Wirkstoffe, sogenannte Virustatika, die die Vermehrung von Viren hemmen, doch diese nicht abtöten können. Sie haben häufig unangenehme Nebenwirkungen und werden meist nur bei gefährlichen oder lebensbedrohlichen Infektionen, etwa mit dem HI-Virus, eingesetzt.
Der beste Schutz gegen Virusinfektionen ist, sofern verfügbar, natürlich die Impfung, z.B. gegen Masern, Hepatitis, Grippe, Humanes Papillomvirus, Windpocken etc. Hat man sich doch einmal infiziert, z.B., weil kein Impfstoff verfügbar ist, wie gegen klassische Erkältungsviren (Rhino- und Mastadenoviren), dann muß das Immunsystem „bei Null anfangen“ und man muß einige Tage die Symptome ertragen, bis die adaptive Immunantwort steht und die Parasiten vernichtet. Richtig gefährlich sind Viren, die schwere bis tödliche Krankheiten auslösen, gegen die es aber (noch) keinen Impfstoff gibt, wie das HI-Virus oder der Ebola-Erreger. Hier hilft nur Expositionsprophylaxe, also der Schutz vor Ansteckung, sowohl aktiv (etwa Kondome gegen HIV) als auch passiv (etwa Quarantäne Ebolainfizierter).
Bakterien (im Bild EHEC) sind einzellige Lebewesen und bilden in ihrer unüberschaubaren Vielfalt ein ganzes biologisches Reich (Prokaryoten), wovon die wenigen humanpathogenen Arten lediglich einen kleinen Ausschnitt darstellen. Bakterien besitzen, im Gegensatz zu den Angehörigen des Reichs der Eukaryoten, zu denen auch alle vielzelligen Lebewesen gehören, keinen abgrenzbaren Zellkern und sind im Schnitt kleiner als eukaryotische Zellen (die größten Bakterien werden mit ~10 µm so groß wie die kleinsten eukaryotischen Zellen).
In der Abbildung sieht man oben ein elektronenmikroskopisches Bild und unten eine vereinfachte schematische Abbildung des Darmbakteriums Escherichia Coli. Man erkennt, daß das Erbgut, das bei Bakterien immer aus DNA besteht, einfach so als Knäuel im Zytoplasma herumschwimmt und daß es, neben der „Haupt-DNA“ (sog. Bakterienchromosom) noch kleine Ringe mit Zusatz-DNA, die Plasmide, gibt. Diese können Bakterien auch untereinander austauschen und so die Information, die für die Resistenz gegen Antibiotika benötigt wird, verbreiten.
Außerdem fehlen den Bakterien verschiedene Zellorganellen, über die Eukaryoten verfügen, z.B. Mitochondrien, das endoplasmatische Retikulum und den Golgi-Apparat. Dafür haben sie eine Zellwand, die eukaryotische Zellen nur im Pflanzenreich aufweisen und die chemisch ganz anders aufgebaut ist, als bei den Bakterien. In der Mikrobiologie unterscheidet man aufgrund des Aufbaus der bakteriellen Zellwand und der sich daraus ergebenden Anfärbbarkeit zwei große Gruppen von Bakterien: die gram-positiven und gram-negativen (s. Abbildung links).
Bakterien sind wirklich erstaunlich und unglaublich anpassungsfähig. Sie sind nicht, wie Viren, grundsätzlich parasitär sondern kommen in allen möglichen Beziehungen zur Umwelt vor: eigenständig lebend, als Verbände, Kommensalen, Symbionten und Parasiten. Man findet sie überall auf der Welt auch an den unwirtlichsten Orten wie Tiefseeschwefelquellen ohne Sauerstoff oder in heißen Geysiren. Das Bakterium Thermus aquaticus hat man dort gefunden und ohne seine hitzstabile Polymerase wäre die moderne PCR undenkbar, so wie wir ohne die Abermilliarden Bakterien in unserem Darm gar nicht lebensfähig wären: unser Körper enthält mehr Bakterien als eigentliche Körperzellen. Bakterien sind also allgegenwärtig und wie erwähnt sind für einige, darunter auch einige gefährliche Krankheiten Bakterien verantwortlich und der Pesterreger Yersinia pestis dürfte einer der übelsten Killer aller Zeiten gewesen sein. Hätte man damals schon über Antibiotika verfügt, wäre es nicht zu einer solchen Katastrophe gekommen, denn Bakterien lassen sich mit Antibiotika wirksam bekämpfen. Diese Medikamente wirken gegen Strukturen oder Bestandteile, die nur in Bakterien vorkommen und haben daher häufig vergleichsweise geringe Nebenwirkungen (von den häufigen Allergien einmal abgesehen). Das bekannteste und älteste Antibiotikum, das Penicillin, wirkt beispielsweise, indem es bei sich vermehrenden gram-positiven Bakterien den Neuaufbau der bakteriellen Zellwand stört, so daß neu entstandene Bakterien platzen und absterben. Aber auch andere Angriffspunkte des bakteriellen Stoffwechsels können spezifisch durch Antibiotika angegriffen werden, etwa die DNA-Replikation (Nitroimidazole), die Transkription (Rifampicin), die Proteinherstellung (Tetracykline) und der Folsäurestoffwechsel (Trimethoprim).
Auf diese Weise bekommt man die meisten bakteriellen Infektionen, die nicht von selbst abheilen, gut in den Griff. Noch. Denn die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika ist inzwischen zu einem riesigen Problem der Medizin geworden, Stichwort MRSA und, und die WHO warnt bereits vor einer „Ära tödlicher Infektionen“, gegen die nichts mehr hilft. Dann könnte die Blutvergiftung, auch “Sepsis” genannt, an die Spitze der Liste der Todesursachen wandern. Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr über einhunderttausend Menschen an Infektionen durch multiresistente Erreger in Krankenhäusern. Antibiotika-Resistenzen entstehen, wenn Antibiotika zu oft, zu viel und zu inkonsequent angewendet werden. Die Antibiotika töten zunächst zwar fast alle Erreger ab, aber einige wenige können überleben, weil sie zufällig aufgrund einer Mutation gegen das jeweils angewendete Antibiotikum resistent sind. Solche resistenten Keime können sich dann auch in Gegenwart des Antibiotikums vermehren und stellen bald den Hauptteil der Bakterien dar (Selektion, quasi Evolution, bei der man zuschauen kann). Die resistent machenden Gene können nicht nur zwischen Bakterien einer Art, sondern sogar artübergreifend ausgetauscht werden, so daß sich die Resistenz immer weiter ausbreitet.
Irgendwann könnte es dann soweit kommen, daß keine oder kaum noch Antibiotika gegen bakterielle Infektionen helfen und man wieder an einer Mandelentzündung sterben muß. Daher ist es nicht nur extrem wichtig, neue Ansätze für Antibiotika zu finden (z.B. dies hier), sondern auch, sich zu sensibilisieren und das eigene Verhalten dieser Realität anzupassen!
Einzeller oder Protozoen schließlich, sind Eukaryoten, also „tierähnliche“ einzellige Organismen mit einem echten Zellkern, entsprechenden eukaryotischen Organellen und komplexem Stoffwechsel. Auch hier gibt es eine große Vielzahl verschiedener Formen und Arten, man unterscheidet die großen Gruppen Rhizopoda, Ciliophora, Foraminifera, Apicomplexa und Zoomastigophora, und auch hier sind die meisten für Menschen nicht gefährlich.
Aber einige eben doch und ganz besonders Plasmodium falciparum, ein Vertreter der Apicomplexa und Erreger der Malaria, einer der, gemessen an den Todesopfern, gefährlichsten Infektionskrankheiten der Welt. Am vielschrittigen, mehrere Stadien umfassenden und den Menschen als Zwischenwirt erfordernden Entwicklungszyklus von P. falciparum sieht man, wie komplex dieser Erreger ist, dessen Genom ca. 23 Mio. Basen auf 14 Chromosomen umfasst. Er ist aber auch gruselig, da er so wandlungsfähig ist, daß er nicht nur sehr schnell resistent gegen Antimalariamittel werden kann, sondern ihm bisher auch durch Impfstoffe noch nicht beizukommen ist.Aber auch andere Einzeller können menschliche Krankheiten auslösen, etwa Amöben, die Ursache von Amöbenruhr sein können, die unbehandelt tödlich verlaufen kann. Oder Trypanosomen, die die Schlafkrankheit auslösen, oder die besonders unheimlichen Toxoplasmen, die zwar nicht lebensgefährlich sind, dafür aber das menschliche Verhalten beeinflussen und die Persönlichkeit verändern können.
Auch gegen Einzellerinfektionen kann man Antibiotika einsetzen, auch hier besteht das Prinzip darin, Strukturen anzugreifen, die möglichst spezifisch für den Einzeller sind, so daß die Nebenwirkungen beim Patienten im Rahmen bleiben. Glücklicherweise sind solche Infektionen in unseren Breiten nicht besonders häufig. Im Fall von Malaria liegt das v.a. daran, daß es hier für den Hauptwirt des Parasiten, die Anopheles-Mücke, noch zu kalt ist. Aber in ein paar Jahrzehnten könnte auch Deutschland dank dem Klimawandel zum Endemiegebiet dieser Krankheit gehören. Ein Vorteil bei der Bekämpfung von Einzellerinfektionen ist auch, daß es nicht oder nur sehr schwer zu Übertragungen von Mensch zu Mensch kommt, so daß weltweite Pandemien wie bei der spanischen Grippe (Virus) oder der Pest (Bakterium) mit massenhaftem Versterben nicht zu befürchten sind.
Zum Schluß noch eine kleine Tabelle zur Erinnerung und Einordnung:
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Disclaimer: Dieser Beitrag ist nicht und kann gar nicht sein eine zoologisch erschöpfende Beschreibung der riesigen Gruppen von Organismen, die er im Titel trägt. Sein Ziel ist die Schärfung des Bewußtseins („consciousness raising“) für die entscheidenden Unterschiede zwischen verschiedenen Formen von infektiösen Krankheitserregern (Pilze habe ich dabei sogar außen vor gelassen) und das inzwischen enorme Problem der Antibiotikaresistenz und wenn einige LeserInnen diesem Text die Anregung entnommen haben, in Zukunft erstens nur dann Antibiotika zu verlangen und einzunehmen, wenn sie wirklich eine schwere bakterielle oder durch Protozoen verursachte Infektion haben, zweitens diese Antibiotika dann genau so einzunehmen, wie es in der Packungsbeilage steht bzw. wie verordnet und sie nicht frühzeitig abzusetzen und drittens sich gegen alle bakteriellen Infektionen impfen zu lassen (gegen virale natürlich auch, aber das hilft nicht der Vermeidung von Antibiotika), soweit möglich, dann hat er seinen Zweck erfüllt.
Bildnachweise
[1] https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AParamecium_Eating_De.svg By Eta MichaelFrey (de:Bild:Pantoffeltierchen.jpg) [GFDL (https://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons from Wikimedia Commons
[2] https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AEColiCRIS051-Fig2.jpg By USDA (Pina Fratamico Microbiologist/Lead Scientist) (USDA source) [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons from Wikimedia Commons
[3] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Plasmodium_zyklus.png – Chb at German Wikipedia [Public domain],. , via Wikimedia Commons from Wikimedia Commons
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