Es ist eine Weile her, daß ich meine Überzeugung, daß ein Mensch danach handelt, was er glaubt, hier diskutiert habe. In diesem Zusammenhang habe ich auf die bedenklichen dogmatischen Inhalte des Islams verwiesen, die ich als idealen Nährboden für einen islamistischen Terrorismus, dessen wir derzeit fast täglich Zeugen werden, ansehe. Damals war allerdings noch nicht so häufig die Rede vom IS, der sein „Kalifat“ erst kurz zuvor ausgerufen hatte.
Natürlich gab es zu jenem Artikel die üblichen Diskussionen, deren Teilnehmerarchetypen ich vorsorglich skizziert und in die Kategorien A, B und C unterteilt hatte. Insbesondere der Typ C, so schrieb ich, sieht
„alle Taten von IS & Co. grundsätzlich nicht durch religiöse Vorstellungen, sondern durch Rache oder Protest gegen den Westen und das Vordringen westlicher Werte oder durch politische und/oder sozioökonomische Zwänge bei gleichzeitigem Mangel an Bildung begründet und durch zweckgerichtete Manipulation und Instrumentalisierung des Kränkungsgefühls einer wirtschaftlich, wissenschaftlich und hinsichtlich der Lebensqualität hoffnungslos unterlegenen, sich aber als moralisch höherwertig auffassenden Kultur ausgelöst“
Dieser Auffassung, die die Rolle religiöser Überzeugungen glatt leugnet oder zumindest bagatellisiert, begegnet man inzwischen auch sehr häufig, gerne verquickt mit einem gerüttelt Maß an „white guilt“ und pornographischem Selbsthaß, unter Vertretern der regressiven Linken, den natürlichen Verbündeten islamistischer Terroristen.
Als lege der IS Wert auf eine Richtigstellung und Bestätigung meiner These, veröffentlichte er nun kürzlich in der 15. Ausgabe seines Publikationsorgans „Dabiq“ ein Manifest, das betitelt ist mit „Why we hate you and why we fight you“ (dt.: “Warum wir Euch hassen und Euch bekämpfen”) und in dessen Einleitung zunächst einmal die Morde von Orlando glorifiziert werden.
Dann folgt eine Liste mit sechs Punkten, die Antwort auf den Titel des Artikels geben. Ich gebe sie hier (in meiner Kürzung und Übersetzung) wieder (die komplette Ausgabe des Machwerks findet man bei Bedarf hier, s. S.30): Sie hassen uns also,
1. Weil wir Ungläubige sind.
“Wir hassen Euch, zuallererst und vor allem, weil Ihr Ungläubige seid. Ihr leugnet die Alleinheit Allahs – ob Ihr das einseht oder nicht – indem Ihr neben ihm andere(s) anbetet; Ihr begeht Blasphemie gegen ihn, da Ihr behauptet, er hätte einen Sohn, Ihr verbreitet Lügen über seine Propheten und Sendboten und Ihr ergeht Euch in allerlei teuflischen Praktiken.“ (Hervorhebung von mir)
2. Weil wir liberal sind.
„Wir hassen Euch, weil in Euren säkularen, liberalen Gesellschaften genau die Dinge erlaubt sind, die Allah verboten hat, während viele Dinge, die er erlaubt hat, verboten sind, was Euch nicht schert, weil Ihr Religion und Staat trennt und dabei die höchste Autorität nach Lust und Laune den Gesetzgebern übertragt, die Ihr selbst gewählt habt.“
3. Wenn wir Atheisten sind.
„In Hinsicht auf die atheistische (Rand)bewegung hassen und bekriegen wir Euch, weil Ihr nicht an die Existenz unseres Herrn und Schöpfers glaubt. Ihr steht vor dem außerordentlich komplexen Aufbau erschaffener Lebewesen und den erstaunlich und unerklärlich präzisen Naturgesetzen, die im gesamten Universum gelten und doch beharrt Ihr darauf, daß all das durch Zufall* zustande gekommen ist und daß jemand, der die erstaunlichen Dinge, denen wir Tag für Tag begegnen, für das Werk des weisen und allwissenden Schöpfers und nicht für das Ergebnis von Zufall* hält, kritisiert, verspottet und verfemt werden soll.“
*Oh, si tacuisses… bzw. LIES! Ist irgendwie tragisch, für etwas gehasst zu werden, das man gar nicht tut (nämlich glauben, daß das Leben und seine Vielfalt durch Zufall entstanden ist)… (Anmerkung CC)
4. Weil wir uns gegen den Islam vergehen.
„Wir hassen Euch wegen Eurer Verbrechen gegen den Islam und führen Krieg gegen Euch, um Euch für Eure Angriffe gegen unsere Religion zu bestrafen. Solange Eure Leute weiter unseren Glauben verspotten, die Propheten Allahs beleidigen – diese sind Noah, Abraham, Jesus und Mohammed -, den Koran verbrennen und öffentlich die Gesetze der Scharia schmähen, werden wir Vergeltung üben, aber nicht mit Sprüchen und Plakaten, sondern mit Kugeln und Messern.“
5. Für unsere Verbrechen gegen Moslems.
“Wir hassen Euch wegen Eurer Verbrechen gegen die Moslems; Eure Drohnen und Kampfjets, zerbomben, töten und verstümmeln unser Volk rund um die Welt und Eure Marionetten in den usurpierten Ländern der Moslems unterdrücken, foltern und bekriegen jeden, der die Wahrheit ausspricht. Als solche bekämpfen wir Euch, um Euch davon abzuhalten, unsere Männer, Frauen und Kinder zu töten, um jene von ihnen zu befreien, die Ihr gefangen haltet und foltert und um Rache zu nehmen für die zahllosen Moslems, denen durch Eure Taten Leid geschehen ist.“
6. Weil wir in ihre Länder eingedrungen sind.
“Wir hassen Euch dafür, daß Ihr in unsere Länder eingedrungen seid und kämpfen, um Euch zurückzudrängen und zu vertreiben. So lange, bis nicht auch der letzte Zoll unseres Territoriums zurückerobert ist, wird der Dschihad eine persönliche Verpflichtung für jeden einzelnen Moslem sein.“
Ja, ich habe die Punkte 5 und 6 zur Kenntnis genommen und nein, ich bestreite nicht, daß historische, politische, territoriale und sozioökonomische Faktoren durchaus eine Rolle bei der Entstehung und vermeintlichen Legitimation von Terrorismus spielen, doch bevor nun ReLi-Anhänger und andere Terroristenversteher sich in der üblichen Selbstgerechtigkeit ergehen (und wie üblich die maßgeblichen Punkte 1-4 ausblenden) , darf ich noch etwas weiterzitieren:
„Es ist wichtig, zu verstehen, daß, obwohl manche vielleicht behaupten, daß Eure Außenpolitik der Grund für unseren Haß ist, dieser Grund, Euch zu hassen nur zweitrangig ist und daher auch erst am Ende der Liste genannt wird. Fakt ist, selbst wenn Ihr aufhören würdet, uns zu zerbomben, einzusperren, zu foltern und zu ächten und unsere Länder zu besetzen, würden wir Euch immer noch hassen, weil der wichtigste Grund Euch zu hassen so lange bestehen bleiben wird, bis Ihr den Islam angenommen habt. Selbst wenn Ihr die Dschizja entrichten und demütig unter der Autorität des Islam leben würdet, würden wir Euch noch hassen. Wir würden zwar zweifellos damit aufhören, Euch zu bekämpfen, so wie wir alle Ungläubigen nicht bekämpfen würden, die einen Pakt mit uns eingehen, aber wir würden Euch noch immer hassen.“ (Hervorhebung von mir)
Was soll man dazu noch sagen? Wer angesichts solcher Äußerungen, die die offizielle Position des IS, veröffentlicht in dessen offiziellem Publikationsorgan, widerspiegeln, immer noch die Rolle der Religion für Terror, Haß und Krieg leugnet oder herunterspielt, sollte vielleicht wirklich besser einen Neurologen konsultieren.
Doch es geht noch weiter:
„Was genauso wichtig, vielleicht noch wichtiger zu verstehen ist, daß wir Euch nicht einfach nur bekämpfen, um Euch zu bestrafen und abzuschrecken, sondern um Euch wahre Freiheit in diesem Leben und Erlösung im Jenseits zu bringen, Freiheit von der Versklavung durch Eure Lüste und Begierden und die Eures Klerus und Eurer Gesetzgeber und Erlösung durch die Anbetung allein Eures Schöpfers und durch das Folgen des Beispiels seines Sendboten. Wir bekämpfen Euch, um Euch aus der Dunkelheit des Unglaubens ins Licht des Islams zu führen und um Euch von den Fesseln eines allein weltlichen Lebens zu befreien, damit Ihr die Segnungen des weltlichen Lebens und die Seligkeit des Jenseits genießen könnt.“
Puh. Das ist ja nett vom IS. Dieser letzte Absatz, in dem uns der IS seine Taten als Missionierungsbemühungen vorstellt, belegt meine These ein weiteres Mal: diese Leute glauben daran, was sie tun und in ihrer fanatisch-religiösen Parallelwelt, die hermetisch gegen Kritik und jegliche Einflüsse von außen abgeschottet ist, ergibt ihr Verhalten nicht nur Sinn, sie sind dort tatsächlich die Guten, die Tugendhaften, die rational, konsequent und gemäß dem Willen ihrer Gottheit handeln. Und: sie können nicht verlieren. Es gibt keinen möglichen Ausgang dieses Konflikts, den sie als Niederlage ansehen würden. Entweder es gelingt ihnen, ihr erobertes Territorium zu behaupten oder sogar zu erweitern, oder sie sterben bei dem Versuch, es zu verteidigen. Diese Leute glauben felsenfest an sofortige paradiesische Entlohnung für Märtyrer, als die sie sich verstehen, ein Glaube, der sie selbst den Tod ihrer Kinder im Dienste dieses Krieges für ihren Gott nicht nur verschmerzen sondern bejubeln lässt. Sie glauben, daß sie in diesem Krieg nichts Falsches tun können. Nochmal: sie können nicht verlieren. Ich sehe daher nach wie vor nicht, wie man an diese Leute herankommen soll und ich glaube ihnen, daß, durch was immer „der Westen“ tut oder läßt, sie nicht zur Raison zu bringen sind, bis jedermann/frau Moslem ist, was, wie ich annehme, keine Option ist.
Umso wichtiger ist es deshalb einerseits und in meinen Augen die einzige Hoffnung auf friedliche Verhältnisse, daß Moslems, die die Taten des IS verurteilen und in Frieden mit ihren un- und andersgläubigen Nachbarn leben wollen, einen Weg zu einer Reinterpretation des Korans und ihrer Religion finden, vielleicht mit der Hilfe von Menschen wie Majeed Nawaz, Mouhanad Khorchide und anderen, die sie souverän und völlig unempfänglich macht für die Appelle der sich auf dieselbe Religion berufenden Terroristen, eine Interpretation, die kompatibel mit Toleranz und den Werten einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und für sie dennoch gut lebbar ist.
Andererseits ist es wichtig, daß Nicht-Moslems die Moslems nicht aufgeben und ihnen zutrauen, diesen Weg zu finden. Währenddessen sollte man sie nicht durch geringere Erwartungen an sie herabsetzen und ihnen keine Schonung, keine herablassende Nachsicht und keine vorsichtige Glasséhandschuhbehandlung zukommen lassen. Will man Moslems ernst nehmen und als gleichberechtigt und –verpflichtet ansehen, darf und sollte man wie von jedem anderen verlangen, sich zuerst zum Grundgesetz zu bekennen und dann erst zu anderen Ideen. Denn eines muß klar und unverhandelbar sein: Eine Ideologie, die nicht allen Menschen den gleichen Wert beimißt und sogar den Tod für bestimmte Menschen predigt, verdient keine Eingliederung in eine zivilisierte Gesellschaft und keinen, nicht einmal vorgetäuschten Respekt! Wer dem nicht zu 100% zustimmen kann und wenn es noch so krass im Widerspruch zu bestimmten religiösen oder anderen Lehren bzw. deren Auslegung steht, der ist Teil des Problems, auch wenn er kein Terrorist ist.
__
Leseempfehlung: wer des Englischen mächtig ist und sich einmal sehr ausführlich über den IS, dessen Ideologie, theologische Vorstellungen, die Bedeutung, die die Errichtung, Erhaltung und Erweiterung eines Kalifats für diese Leute hat, und vor allem, was sie wirklich wollen, informieren will, dem/der sei sehr dieser Artikel aus “The Antlantic” empfohlen.
Kommentare (330)