Zweieinhalb Jahre ist es her, daß ich ein interessantes Gespräch mit Rudolf Jaenisch führte, anläßlich der Verleihung der Otto-Warburg-Medaille an ihn. Jaenisch ist ein Molekularbiologe, dessen wissenschaftliche Schwerpunkte u.a. die Erforschung der epigenetischen Mechanismen verschiedener Krankheiten, darunter Krebs, umfassen. (Hinweis: um den folgenden Artikel besser zu verstehen, sind Kenntnisse der Konzepte von CRISPR/Cas und Epigenetik sehr hilfreich.)

Im Rahmen unseres Gesprächs sprachen wir auch über das revolutionäre System zur Genomeditierung, genannt CRISPR/Cas, das er verwendet hatte, um iPSCs zu erzeugen und schon damals als „game changer“ bezeichnete.

Seit unserem Gespräch waren Jaenisch und seine Gruppe offenbar nicht untätig: kürzlich erschien in der Zeitschrift Cell ein Artikel darüber, wie man CRISPR/Cas nutzen kann, um DNA-Methylierungsmuster zu verändern [1].

Seit langem ist bekannt, daß methylierte Bereiche in der DNA aber auch auf DNA-bindenden Proteinen wie Histonen die Genexpression beeinflussen (gewöhnlich reduzieren, manchmal aber auch aktivieren) können. Im Rahmen großer internationaler Projekte wie ENCODE und dem „Roadmap Epigenomics Project“ gelang es, die DNA-Methylierungsmuster in hunderten von Zellinien und primären Zellen zu katalogisieren, wodurch das Verständnis dessen, wie durch Methylierungen die Genexpression reguliert wird, vertieft wurde. Was aber zur Vervollständigung des Bildes fehlte, war das Verständnis der funktionalen Bedeutung einzelner Methylierungsereignisse. Um diese zu begreifen, müßte man in der Lage sein, ganz gezielt die DNA-Methylierung zu verändern.

Und genau das ist Jaenischs Gruppe nun gelungen. Sie berichten in ihrem Artikel [1], daß sie das CRISPR/Cas-System umfunktioniert haben, um Methylgruppen in die DNA einzufügen oder zu entfernen, so daß die Funktion einzelner Methylierungen, z.B. in der Entwicklung oder ihre Rolle bei bestimmten Krankheiten untersucht werden kann. Dies würde zugleich eine Möglichkeit zur Behandlung epigenetischer Erkankungen erschließen.

Jaenisch und Co. sind übrigens nicht die Einzigen, die auf diese Idee gekommen sind. Andere Gruppen haben modifizierte CRISPR/Cas-Systeme benutzt, um die Expression von Genen des Immunsystems, für Knochenumbau und im Zusammenhang mit Brustkrebs zu regulieren [2-4].

(c) cdn2.hubspot.net

Die Abbildung deutet die Vielseitigkeit des CRISPR/Cas-Systems an, die durch verschiedene Modifikationen von Cas9 entsteht und neben Gen-Knockout, -Repression und -Aktivierung auch genomweites Screening, die Darstellung und Reinigung einzelner Loci gestattet. Und eben auch die Methylierungsmodifikation von DNA (c) cdn2.hubspot.net

Alle diese Ansätze beruhen auf einer Modifikation der Nuklease Cas, die als „tot“ (engl. dead) bezeichnet und dCas abgekürzt wird. Diese Cas-variante ist katalytisch „tot“, schneidet also die DNA nicht mehr, sondern agiert wie eine Plattform für andere Proteine, nachdem sie durch die gRNA an die richtige Stelle dirigiert wurde. Die dCas-Variante ist schon länger bekannt und wurde u.a. benutzt, um die Transkription zu steuern und sogar, um DNA in bestimmten Bereichen anzufärben. Für die Methylierungsmodifikation wird entweder eine bestimmte DNA-Methyltransferase (DNMT3a) an dCas angefügt, die dann Methylgruppen auf die DNA übertragen kann, was in den meisten Fällen die Stillegung eines Gens zur Folge hat. Oder es wird eine bestimmte Methylcytosin-Dioxygenase (TET1) an dCas angefügt, die in der Lage ist, Methylgruppen von Cytosinbausteinen in der DNA zu entfernen, wodurch in den meisten Fällen ein stillgelegtes Gen wieder aktiviert wird.

Die Gruppe um R. Jaenisch hat diese Werkzeuge nun genutzt, um Methylgruppen aus der Promotorregion des „brain-derived neurtrophic factor“-Gens (BDNF), das eine Rolle für Lernen und Gedächtnisbildung spielt, in Mäuseneuronen zu entfernen, wodurch das Gen aktiviert wurde. In einem anderen Experiment benutzten sie das dCas-System, um ein künstlich in eine Mauszellinie  eingebautes, durch Methylierung reguliertes Reportergen zu aktivieren. Das Gen besteht aus einem Promotor mit „Methylierungsschalter“ und einem kodierenden Teil für ein fluoreszierendes Protein (die leuchten, wenn sie mit einer bestimmten Lichtwellenlänge aktiviert werden, ein besonders bekanntes Beispiel ist GFP). Dieses Reportergen kann an einer beliebigen Stelle im Genom eingebaut werden und sein Methylierungsstatus kann dann bis auf Einzelzellebene aufgelöst werden, indem das Leuchten des fluoreszierenden Proteins unter dem Mikroskop beobachtet wird [5].

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Kommentare (8)

  1. #1 Tobias Krewinkel
    12/11/2016

    Danke, es war mir noch nicht bewußt dass dies möglich ist. Am Ende meines Studiums kam “CRISPR” grade auf und seit dem verfolge ich trotz Berufswechsel dieses Thema weiter.

    Danke für den Artikel, jetzt muss ich mir die Arbeiten mal genauer anschauen sofern ich an die Paper komme 🙂

  2. #2 Chris
    19/11/2016

    Schade das solche guten Artikel scheinbar wenig Resonanz erzeugen!
    Viele Informationen für die ich einen enorme Rechercheaufwand betreiben müsste, danke dass ich es nachlesen kann 😉

  3. #3 Cornelius Courts
    20/11/2016

    @Tobias & Chris: danke für die Rückmeldung. Falls Ihr die Paper nicht bekommt, schreibt mir ne Mail oder kontaktiert mich über Research Gate…

  4. #4 Uli Schoppe
    26/07/2018

    “Es ist unmöglich eine durch CRISPR veränderte DNA nachzuweisen. Die CRISPR Methode gehört eigentlich unter das Waffengesetz und komplett verboten. Jeder Depp kann mit diesen Kits im stillen Kämmerlein sonstwas anstellen. Ein Erreger der gezielt Tumore auslöst? Kein Problem… nur mal als Beispiel. Und ja, ich arbeite in dem Bereich Gentechnik.”

    Drüben bei Astrodicticum Simplex. Unter
    ” Wissenschaftskommunikation und das Crispr/Cas-Urteil des EuGH: Ein kurzer Kommentar”

    Ich wollte mal nach Deiner Meinung fragen, vielleicht magst Du ja da mal was dazu sagen?

  5. #5 pons asini
    26/07/2018

    Es gibt, wie bei allem, Vor- und Nachteile (gibt genügend Seiten dazu im Netz), aber die Aussage “gehört […] komplett verboten” kann ICH nicht unterstützen.
    Zwar ist die Methodik hinter dem Ganzen nicht sehr komplex, jedoch benötigt man ein nicht unerhebliches Verständnis der Genetik um damit gezielt zu arbeiten.
    Nicht umsonst gibt es für diese Anwendung Amateur-Kits für zu Hause, vor denen aber bespw. das BVL warnt.
    Was den Nachweis angeht, es ist korrekt dass es nicht möglich ist eine Veränderung, die auf CRISPR/cas9 beruht, zu erkennen.
    Wie auch, es werden bestimmte Basenabfolgen/SNPs (https://de.wikipedia.org/wiki/Einzelnukleotid-Polymorphismus) in die DNA eingebaut oder geschnitten und sich die zelleigenen Reparaturmechanismen zu Eigen gemacht. An keiner Stelle wir etwas markiert, sodass nicht erkennbar ist wo die Genschere eingesetzt hat.

    Was ich persönlich als problematisch erachte ist, dass die Technologie leider weitaus schneller ist als unser Behördenapparat und daraus resultiert eine unzureichende Gesetzgebung im Bereich dieser Entwicklung! Es müssen nicht nur auf deutscher oder europäischer Ebene Regelungen gefunden werden sondern weltweit.
    Eine europäische Stammzellregelung, dass z.B. bis zum 4- oder 8-Zellstadium damit gearbeitet und geforscht werden kann bringt nichts, wenn das Trumpeltier es toll findet wenn bald alle erstgeborenen blond und einen orangenen Hautton bekommen.

  6. #6 Uli Schoppe
    26/07/2018

    Genau das meine ich ja, wie will ein Nichtgenetiker das Verfahren vernünftig anwenden?
    Mal davon ab das wir es in der EU die letzten Jahre verpasst haben unsere Gesetzgebung vernünftig anzupassen. Die Definition von GVO trifft ja auf mit dieser Methode veränderte Organismen nicht zu.
    Wie will ich das mit dem Trumpeltier diskutieren wenn ich mich mal selbst eine vernünftige Definition habe?
    Mal davon ab das gar keiner kontrollieren kann ob wir aus den USA mit CRISPR manipulierte Ware bekommen. Die Kennzeichnungspflicht ist sowas von für den Popo…

  7. #7 Cornelius Courts
    26/07/2018

    @Uli Schoppe: “Ich wollte mal nach Deiner Meinung fragen, vielleicht magst Du ja da mal was dazu sagen? ”

    Ein bißchen was habe ich schon dazu gesagt, hier: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2016/gesundheit/gen_lexikon unter “Probleme und Bedenken” thematisiere ich auch die Möglichkeit von Biohacking.

    Darüber hinaus: wie immer, bei derartigen Äußerungen von professionellen Bedenkenträgern angesichts neuer, revolutionär erscheinender Erfindungen (man vergleiche die Angst anläßlich der Einführung der Eisenbahn, daß die “hohe Geschwindigkeit” die Leute krank machen würde, s.a. https://www.nrz.de/wochenende/die-angst-vor-neuer-technik-ist-so-alt-wie-die-menschheit-id209190935.html) , kann ich nur erwidern, daß die Tatsache, daß eine neue Erfindung/Errungenschaft auch zu schlechten/schädlichen Zwecken eingesetzt werden kann, kein hinreichender Grund ist, sie zu verbieten. Waffen z.B. dienen ausschließlich dem Zweck, Menschen zu töten und zu verletzen und dennoch sind sie nicht verboten und je nachdem, wo man lebt, frei verkäuflich selbst an unreputierlichste Zeitgenossen. Und auch Autos sind tödliche, sehr gefährliche Waffen (und zwar nicht nur, um damit in Menschenmengen zu fahren, sondern auch angesichts Tausender Verkehrstoter jedes Jahr sowie in Anbetracht der von ihnen produzierten Schadstoffe), deren Verbot, soweit bekannt, dennoch nicht erwogen wird.
    Zusammen mit NGS hat CRISPR ein ungeheures Potential zur Verbesserung der Welt!: nicht nur wird man ganz neue medizinische Wege zur Behandlung (und Prophylaxe) zahlreicher Krankheiten gehen können, auch die Bekämpfung von Hunger durch bessere und nährstoffreichere Pflanzen, die Ausrottung von Schädlingen und Seuchen etc. rückt damit in Reichweite.
    Es scheint nicht unvernünftig, den Zugang zu CRISPR-Arbeitsmaterialien einzuschränken, so wie auch nicht jeder Mensch einfach Flußsäure, Uran o.ä. kaufen kann, um Mißbrauch oder Unfällen vorzubeugen bzw. das Risiko zu minimieren. Aber ein Verbot der Methode (mal abgesehen davon, daß das natürlich nicht möglich ist) halte ich für völlig absurd und potentiell viel schädlicher, als sie weiterhin zu benutzen.
    Im Übrigen war man auch schon vor CRISPR in der Lage, Geneediting zu betreiben (es war nur aufwendiger) und entspr. geneigte Terroristen o.ä. hätten auch schon vor CRISPR modifizierte Viren o.ä. erzeugen und freisetzen können. Ich verstehe daher nicht, woher jetzt die Panik kommt.
    __

    Dann noch die Bitte, diese Diskussion, sollte sie weitergehen (mit entspr. Verweisen), hierhin zu verlegen: https://scienceblogs.de/bloodnacid/2015/07/17/crisprcas-1-was-ist-crispr/

  8. #8 noch'n Flo
    Schoggiland
    10/01/2022

    Etwas OT – ein interessanter Übersichtsartikel über die CRISPR-Kinder:

    https://www.spektrum.de/news/gentechnik-die-crispr-kinder/1965646